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Fontane und die Engländer

Knapp vier Jahre lang war Theodor Fontane in Londons Stadtteil Camden zu Hause. Das Haus Nr. 6 in der St. Augustine’s Road, das er dort bewohnte, ziert seit kurzem eine blaue Plakette - zu Ehren des Dichters. In Londons deutscher Botschaft fand der Festakt zur Auszeichnung statt.

Von Jens Ebert |
    Eine solche Veranstaltung für einen Schriftsteller ist neu in der Geschichte der diplomatischen Vertretung Deutschlands. Der Festredner der Veranstaltung, war der Fontaneforscher Rudolf Muhs, Dozent an der University of London:

    " Fontane war drei Mal in London, einmal als junger Wehrpflichtiger für eine Woche 1844, dann 1852 für sechs Monate freigestellt von der Pressestelle der preußischen Regierung in Berlin. Er hat zu dieser Zeit Feuilletons und Artikel verfasst, die dann später als Buch veröffentlicht worden sind, unter dem Titel ein Sommer in London.

    Schließlich die dritte Reise, der dritte Aufenthalt Fontanes in London dauerte vom Herbst 1855 bis zum Januar 1859. "

    Den Stellenwert der Londoner Zeit für den Autor beschreibt der Vorsitzende der Fontane-Gesellschaft Prof. Hubertus Fischer:

    " London war für ihn aus vielen Gründen das Land seiner Sehnsucht geradezu
    für sein gesamtes schriftstellerisches und literarisches Werk waren wohl diese insgesamt vier englischen Jahre, man müsste sagen, diese vier englischen und schottischen Jahre außerordentlich bedeutsam. "

    Anlass der Veranstaltung in der Botschaft ist die Enthüllung einer Gedenktafel durch den deutschen Botschafter einige Tage zuvor in der St. Augustians Road. Rudolf Muhs verweist auf die Bedeutsamkeit der Adresse:

    " Die meisten Häuser in denen Fontane gelebt hat, existieren ja nicht mehr. Auch nicht das Haus in dem, er wohl am längsten gewohnt hat Berlin Potsdamer Straße 134 C. St. Augustian Road ist abgesehen von der Löwenapotheke in Neuruppin seinem Geburtshaus, wohl das einzige Haus , das mehr oder minder unverändert, so wie Fontane es gekannt hat, heute noch steht. "

    Es ist durchaus selten, dass Deutsche in London mit der "Blue plaque" genannte Gedenktafel geehrt werden. Diese Auszeichnung gibt es in London seit fast 140 Jahren. Heute achtet die Organisation English Heritage, streng auf die Seriosität der Auserwählten. Diese müssen von internationaler Bedeutung sein. Eine Tafel darf nur an unverändert erhalten gebliebenen Gebäuden angebracht werden.

    In London finden sich heute mehr als 800 blaue Tafeln. Sie erinnern an Schauspieler, Schriftsteller, Politiker, Maler, Wissenschaftler und andere Persönlichkeiten aus aller Welt. Weniger als 20 der Geehrten stammen aus deutschen Landen, wie Georg Friedrich Händel, den man in London aber schon fast als einen Briten ansieht, oder Mozart, Heine, Freud, Kokoschka, Marx und Engels.

    In Deutschland ist Fontane vielen als Wanderer durch die Mark Brandenburg bekannt. Doch die Idee zu diesem Projekt kam ihm bei Reisen durch Schottland. Er vermerkt in seinem Tagebuch "Einen Plan gemacht. 'Die Marken, ihre Männer u. ihre Geschichte. Um Vaterlands u. künftiger Dichtung willen gesammelt u. herausgegeben von Th. Fontane'. Wenn ich noch dazu komme das Buch zu schreiben, so hab ich nicht umsonst gelebt u. kann meine Gebeine ruhig schlafen legen."

    London ist im Lauf der Jahrhunderte Heimat vieler Ausländer gewesen. So auch für Charlotte Jolles. Die jüdische Germanistin promovierte 1937 an der Berliner Universität über Fontane. Kurz darauf emigrierte sie. Ihre literarische Liebe nahm sie mit in die neue Heimat, wo sie vor 2 Jahren starb. Gleichsam ihr Vermächtnis ist der Fontane-Kreis Großbritannien und Irland, der sich intensiv um das Andenken des märkischen Dichters kümmert - und um die nun erfolgte besondere Erinnerung im Straßenbild bemühte.

    Dass Fontane auch für England wichtig war, er machte dort die ersten Erfahrungen als Theaterkritiker für eine deutsche Zeitung, ist eine neuere wissenschaftliche Erkenntnis, die den Forschungen der Mitglieder des Fontanekreises zu verdanken ist:

    " So interessant in der Tat sind diese Beschreibungen der Shakespeare-Aufführungspraxis in den 1850er Jahren durch Fontane, dass seine Berichte vor zwei Jahren in einem separaten Band ins Englische übersetzt wurden. "

    Fontane wird durch die Ehrung mit der "Blue Plaque" in Großbritannien wieder deutlicher wahr genommen. Und es ist eine deutsche Reverenz an die britische Hauptstadt, denn für den Dichter war die Zeit in der St. Augustins Road eine glückliche. In einem seiner Gelegenheitsgedichte schreibt der Märker:

    Über Land und über Meer,
    immer hin und immer her,
    Glück und Unglück up und down,
    endlich Ruh in Camden Town.