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Food Profiling
Authentizitätskontrolle für Lebensmittel

Die Bio-Tomate, die gar nicht aus organischem Anbau stammt, das Rindergehackte, in dem auch Anteile von Pferd stecken - solche Betrügereien mit Lebensmitteln soll eine wirksame Authentizitätskontrolle verhindern. Wie sie sich realisieren ließe, haben Experten auf dem Deutschen Lebensmittelchemiker-Tag in Gießen diskutiert.

Von Volker Mrasek |
    Die Versuchung, den Verbraucher zu täuschen - sie ist groß, wenn es sich um erlesene Lebensmittel mit spezieller Herkunft handelt. Ein typisches Beispiel: deutscher Spargel.
    "Bestimmte Spargel-Anbaugebiete werden als besonders hochwertig vermarktet. Und was man natürlich überhaupt nicht haben möchte: Dass da Spargel zum Beispiel aus dem Ausland billig eingekauft wird und unter diesem Qualitätslabel vermarktet wird."
    Solche Fälle gibt es aber immer wieder. Markus Fischer, Professor für Lebensmittelchemie an der Universität Hamburg, nennt weitere Beispiele:
    "Edelkakao und Konsumkakao. Da kann es durchaus vorkommen, dass es zu gewollten - bestimmte Leute wollen halt einfach Profit machen - oder auch ungewollten Vermengungen kommt. Auch bei Haselnüssen gibt's Provenienzen, die qualitativ höherwertig sind. Und immer, wenn's irgendwo was Höherwertigeres gibt, besteht die Gefahr, dass gestreckt wird."
    Solchen Betrügern wollen Lebensmittelchemiker künftig leichter auf die Schliche kommen. Mit Methoden, die sie Food Profiling nennen. Den Begriff hat man schon 'mal gehört. In der Kriminalistik. Da sind Profiler Ermittler, die psychologische Profile gesuchter Straftäter erstellen.
    Food Profiler dagegen durchleuchten nicht die Gesetzesbrecher, sondern die Lebensmittel, die von ihnen verfälscht werden:
    "Was uns hauptsächlich interessiert, sind geografische Herkunftsnachweise, das heißt, wir versuchen eben, Strategien zu entwickeln, wie man jetzt Region A von Region B unterscheiden kann."
    Stammt die Charge Haselnüsse wirklich aus dem Piemont in Italien? Und der Spargel: Handelt es sich tatsächlich um die Edelsorte aus dem bayrischen Schrobenhausen? Um das zu überprüfen, erstellt Fischers Hamburger Arbeitsgruppe so etwas wie genetische Geoprofile der begehrten Lebensmittel. Das ist möglich geworden, weil die Entschlüsselung des Erbguts von Organismen - die Sequenzierung ganzer Genome - enorme Fortschritte gemacht hat:
    "Man geht da folgendermaßen vor: Man isoliert die DNA. Da es sich um Pflanzen handelt, kann man dabei die Chloroplasten-DNA, die sogenannte Plastiden-DNA, sehr gut verwenden."
    Also das Genom der Zelleinheiten, in denen die Fotosynthese abläuft.
    "Das hat ungefähr 150.000 Basenpaare, ist also relativ klein."
    Im Plastiden-Genom stoßen die Forscher tatsächlich auf geografische Fingerabdrücke. Auch wenn es sich um dieselbe Pflanzenart handelt, die zum Beispiel edlen und gewöhnlichen Kakao liefert - es gibt genetische Unterschiede zwischen regionalen Sorten:
    "Wir haben letztendlich direkt auf bestimmte Mutationen geguckt, die im Konsumkakao vorkommen. Beispielsweise fehlt eine Base. Und das kann man sehr, sehr gut nachweisen, indem man dann eine Methode entwickelt, die speziell auf den spezifischen Nachweis dieses Unterschiedes ausgelegt ist."
    Die Food Profiler analysieren auch Metabolome. Darunter versteht man sämtliche Stoffwechselprodukte in einem Organismus - oder auch in einem Lebensmittel. Ob eine Tomate aus biologischem Anbau stammt und tatsächlich nie mit Pestiziden in Berührung gekommen ist, lässt sich offenbar in ihrem Metabolom ablesen. Philipp Werner, Doktorand am Institut für Lebensmittelchemie der Universität Hamburg:
    "Wir verlassen uns da wirklich drauf, dass es Stoffwechselprodukte sind, die sich dahingehend verändert haben, dass sie gerade während des Anbaus anders bewirtschaftet wurden als zum Beispiel im konventionellen Anbau."
    Natürlich führt die Lebensmittelüberwachung umfangreiche Pestizid-Untersuchungen durch. Damit lasse sich aber nicht zweifelsfrei belegen, ob Bio-Gemüse nicht doch mit Pflanzenschutzmitteln behandelt wurde. Das Problem sei:
    "Dadurch, dass Pestizide ja extra heute so hergestellt werden, dass sie auch zerfallen, bevor sie in den Lebensmittel-Kreislauf kommen, dass diese nicht immer mehr nachweisbar sind, auch wenn sie verwendet wurden."
    Im Metabolom hinterlasse die Pestizid-Behandlung aber verräterische Spuren, so die Forscher. Weswegen das Food Profiling auch helfen könne, Pfusch mit Bio-Ware zu entlarven.
    So weit ist es aber vorerst noch nicht. Die Hamburger Forscher müssen erst einmal ihre Datenbanken aufbauen. Mit den Genomen und Metabolomen all jener Lebensmittel-Spezialitäten, die vor Betrügereien geschützt werden sollen. Anwendungsreif ist bisher nur die Kakao-Methode.