120 Sensoren in jedem Rennwagen. Ständig messen sie Parameter wie Reifendruck, Öltemperatur und Drehzahl. Die Daten schicken sie per Funk an Ingenieure in der Boxengasse. 750 Millionen Messwerte kommen so in einem Formel-1-Rennen zusammen, pro Auto. Damit sich die Ingenieure einen Reim auf die Datenflut machen können, nutzen sie Computersysteme. Die analysieren all diese Daten in Echtzeit, stellen sie als Diagramme dar und helfen, Entscheidungen zu treffen.
Jetzt bekommen diese Computersysteme eine neue Aufgabe: Sie helfen nicht mehr nur Ingenieuren in der Boxengasse, sondern auch Ärzten im Krankenhaus. Zumindest wenn es nach Peter van Manen geht, der diese Systeme bei McLaren Electronics entwirft.
"Im Motorsport wie in der Medizin geht es darum, zum richtigen Zeitpunkt das Richtige zu tun. In einem Rennen kann die Entscheidung, wann man einen Boxenstopp einlegt, den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage ausmachen. Bei einem äußerst kranken Kind muss man sofort erkennen, wenn sich sein Zustand verschlechtert, und sich für die richtige Behandlung entscheiden. Das kann den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen."
Gemeinsam mit Heather Duncan, einer Ärztin am Kinderkrankenhaus im englischen Birmingham, entwickelte Peter van Manen vor vier Jahren eine Idee: Sie wollten die Computertechnik aus der Formel 1 nutzen, um die Gesundheit von Kindern auf der Intensivstation zu überwachen. Die wird bisher zwar auch genau analysiert, jedoch nicht so aufwendig wie bei Rennwagen, weiß die Kinderärztin Heather Duncan:
"Auf unseren Standardinstrumenten sehen wir bisher die Herzfrequenz, den Blutdruck oder die Sauerstoffsättigung als Diagramme. Wir sehen einige Sekunden dieser Kurven auf den Monitoren und haben nur sehr begrenzte Informationen über die Tendenzen. Aber gerade wenn sich der Zustand eines Patienten ändert, sind Informationen zur Tendenz sehr hilfreich."
Anhand mittelfristiger Trends lässt sich feststellen, ob und wie sich der Zustand eines Patienten ändert. Also wann etwa ein Herzstillstand droht. Bei der Formel 1 achten die Ingenieure auf ähnliche Tendenzen, beispielsweise, um zu erfassen, wie sich die Reifen abnutzen. Dazu betrachten sie die Muster der Daten.
"Ein Muster in den Daten beschreibt buchstäblich den Kurvenverlauf der Daten, wenn man sie grafisch darstellt. Wenn sich da etwas verändert, heißt das, dass sich der Zustand verbessert oder verschlechtert. Also betrachten wir diese Muster und sagen, was normal ist für einen Rennwagen – oder eben ein Kind. Und dann fragen wir uns, wann die Dinge beginnen, vom Normalzustand abzuweichen."
Doch wie bringt man dem System bei, was "normal" für ein Kind ist? Die Antwort ist einfach: Man tut es gar nicht. Das Computersystem lernt es nämlich selbst. Und weil jedes Kind anders ist, lernt es für jedes von neuem. Das ist gerade bei schwer kranken Kindern wichtig. Denn für ein solches Kind kann ein Zustand stabil sein, der für ein anderes gefährlich wäre. Welcher Zustand das ist, ermittelt der Formel-1-Computer.
Dazu nimmt er die gleichen Daten, die bisher auch gemessen werden, und führt eine sogenannte Hauptkomponentenanalyse durch. Das ist eine Methode, um komplizierte Daten zu vereinfachen. Grob gesagt sucht das System nach sich wiederholenden Formen in den Daten und setzt sie ins Verhältnis zueinander. Dieses Verhältnis definiert es dann als den "Normalzustand" für dieses bestimmte Kind. Etwa 40 Minuten braucht das System dafür. Diesen Normalzustand zeigt es den Ärzten als Graphen an und überwacht ihn. Ändert sich die Situation irgendwann, zeigt der Graph einen deutlichen Ausschlag.
"Das System wird um einen Faktor zehn, manchmal auch mehr, ausschlagen, wenn sich etwas zu ändern beginnt. Und zwar früher, als wir eine Veränderung auf unseren bisherigen Diagrammen mit dem bloßen Auge sehen konnten. Es hebt also die Veränderungen hervor."
Das Analysewerkzeug von McLaren kann noch mehr: Weil es mit großen Datenmengen umzugehen weiß, misst es kontinuierlich. Und es speichert diese Daten. So können die Ärzte etwa nach einem Herzstillstand sehen, was mit dem kleinen Patienten passiert ist.
Für solche nachträglichen Diagnosen wird die Software aus der Formel 1 momentan hauptsächlich genutzt. Sie hat in den letzten zwei Jahren zwar gezeigt, dass sie funktioniert. Bis sich Ärzte jedoch darauf verlassen können, dass sie bei akuter Lebensgefahr Alarm schlägt, muss sie aber noch beweisen, dass sie keine Fehler macht. Das, so glaubt Peter van Manen, könnte in fünf Jahren der Fall sein. Dann könnte man sie standardmäßig in Kliniken nutzen. Bis dahin wird weiter getestet und verbessert:
"An dem Punkt, an dem wir uns jetzt befinden, brauchen wir mehr Krankenschwestern und Ärzte, die sich anschauen, wie sich die Muster verändern. Sie müssen lernen, diese Änderungen klinisch zu beurteilen, um etwa zwischen einer Verbesserung und einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu unterscheiden."
Denn so clever das System auch sein mag, es bleibt ein Werkzeug und nimmt den Ärzten nicht die Arbeit ab, die Daten selbst zu interpretieren.
Jetzt bekommen diese Computersysteme eine neue Aufgabe: Sie helfen nicht mehr nur Ingenieuren in der Boxengasse, sondern auch Ärzten im Krankenhaus. Zumindest wenn es nach Peter van Manen geht, der diese Systeme bei McLaren Electronics entwirft.
"Im Motorsport wie in der Medizin geht es darum, zum richtigen Zeitpunkt das Richtige zu tun. In einem Rennen kann die Entscheidung, wann man einen Boxenstopp einlegt, den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage ausmachen. Bei einem äußerst kranken Kind muss man sofort erkennen, wenn sich sein Zustand verschlechtert, und sich für die richtige Behandlung entscheiden. Das kann den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen."
Gemeinsam mit Heather Duncan, einer Ärztin am Kinderkrankenhaus im englischen Birmingham, entwickelte Peter van Manen vor vier Jahren eine Idee: Sie wollten die Computertechnik aus der Formel 1 nutzen, um die Gesundheit von Kindern auf der Intensivstation zu überwachen. Die wird bisher zwar auch genau analysiert, jedoch nicht so aufwendig wie bei Rennwagen, weiß die Kinderärztin Heather Duncan:
"Auf unseren Standardinstrumenten sehen wir bisher die Herzfrequenz, den Blutdruck oder die Sauerstoffsättigung als Diagramme. Wir sehen einige Sekunden dieser Kurven auf den Monitoren und haben nur sehr begrenzte Informationen über die Tendenzen. Aber gerade wenn sich der Zustand eines Patienten ändert, sind Informationen zur Tendenz sehr hilfreich."
Anhand mittelfristiger Trends lässt sich feststellen, ob und wie sich der Zustand eines Patienten ändert. Also wann etwa ein Herzstillstand droht. Bei der Formel 1 achten die Ingenieure auf ähnliche Tendenzen, beispielsweise, um zu erfassen, wie sich die Reifen abnutzen. Dazu betrachten sie die Muster der Daten.
"Ein Muster in den Daten beschreibt buchstäblich den Kurvenverlauf der Daten, wenn man sie grafisch darstellt. Wenn sich da etwas verändert, heißt das, dass sich der Zustand verbessert oder verschlechtert. Also betrachten wir diese Muster und sagen, was normal ist für einen Rennwagen – oder eben ein Kind. Und dann fragen wir uns, wann die Dinge beginnen, vom Normalzustand abzuweichen."
Doch wie bringt man dem System bei, was "normal" für ein Kind ist? Die Antwort ist einfach: Man tut es gar nicht. Das Computersystem lernt es nämlich selbst. Und weil jedes Kind anders ist, lernt es für jedes von neuem. Das ist gerade bei schwer kranken Kindern wichtig. Denn für ein solches Kind kann ein Zustand stabil sein, der für ein anderes gefährlich wäre. Welcher Zustand das ist, ermittelt der Formel-1-Computer.
Dazu nimmt er die gleichen Daten, die bisher auch gemessen werden, und führt eine sogenannte Hauptkomponentenanalyse durch. Das ist eine Methode, um komplizierte Daten zu vereinfachen. Grob gesagt sucht das System nach sich wiederholenden Formen in den Daten und setzt sie ins Verhältnis zueinander. Dieses Verhältnis definiert es dann als den "Normalzustand" für dieses bestimmte Kind. Etwa 40 Minuten braucht das System dafür. Diesen Normalzustand zeigt es den Ärzten als Graphen an und überwacht ihn. Ändert sich die Situation irgendwann, zeigt der Graph einen deutlichen Ausschlag.
"Das System wird um einen Faktor zehn, manchmal auch mehr, ausschlagen, wenn sich etwas zu ändern beginnt. Und zwar früher, als wir eine Veränderung auf unseren bisherigen Diagrammen mit dem bloßen Auge sehen konnten. Es hebt also die Veränderungen hervor."
Das Analysewerkzeug von McLaren kann noch mehr: Weil es mit großen Datenmengen umzugehen weiß, misst es kontinuierlich. Und es speichert diese Daten. So können die Ärzte etwa nach einem Herzstillstand sehen, was mit dem kleinen Patienten passiert ist.
Für solche nachträglichen Diagnosen wird die Software aus der Formel 1 momentan hauptsächlich genutzt. Sie hat in den letzten zwei Jahren zwar gezeigt, dass sie funktioniert. Bis sich Ärzte jedoch darauf verlassen können, dass sie bei akuter Lebensgefahr Alarm schlägt, muss sie aber noch beweisen, dass sie keine Fehler macht. Das, so glaubt Peter van Manen, könnte in fünf Jahren der Fall sein. Dann könnte man sie standardmäßig in Kliniken nutzen. Bis dahin wird weiter getestet und verbessert:
"An dem Punkt, an dem wir uns jetzt befinden, brauchen wir mehr Krankenschwestern und Ärzte, die sich anschauen, wie sich die Muster verändern. Sie müssen lernen, diese Änderungen klinisch zu beurteilen, um etwa zwischen einer Verbesserung und einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu unterscheiden."
Denn so clever das System auch sein mag, es bleibt ein Werkzeug und nimmt den Ärzten nicht die Arbeit ab, die Daten selbst zu interpretieren.