Traditionelles Rezept
Forschende überprüfen Fermentierung von Joghurt mittels Ameisen

Zu den vermutlich ungewöhnlicheren "Hausrezepten" gehört die Joghurt-Herstellung mit der Hilfe von Ameisen. Dänische Forscher haben sich das Familienwissen einer bulgarischen Kommilitonin zunutze gemacht - und es wissenschaftlich überprüft.

    Ein rundes Glas mit einer gelblichen Flüssigkeit, in der Ameisen schwimmen.
    Forscher untersuchen die traditionelle Joghurtherstellung mit Hilfe von Ameisen. (David Zilber / dpa / David Zilber)
    In der Türkei und auf dem Balkan ist das Verfahren weit verbreitetes Kulturgut: Man werfe vier Waldameisen in warme Milch und gedulde sich etwas – fertig ist ein Joghurt. Ein Wissenschaftsteam der Universität Kopenhagen und der Technischen Universität Dänemarks haben diese traditionelle Methode der Fermentation genauer unter die Lupe genommen und berichten im Fachblatt ”iScience” darüber.
    Das Team reiste demnach ins bulgarische Heimatdorf der Co-Autorin und Anthropologin Sevgi Mutlu Sirakova und ließ sich von deren Verwandten und anderen Einheimischen die Tradition erklären. Das Glas Milch mit den Ameisen kam den Angaben zufolge über Nacht in einen Ameisenhaufen – einen warmen Ort, der die richtigen Bedingungen für den Fermentationsprozess schafft. Am nächsten Tag hatte die Milch begonnen, dick und sauer zu werden - eine frühe Stufe von Joghurt, die den Angaben zufolge auch so schmeckte.

    Mehr Vielfalt in überlieferten Verfahren

    Studienleiterin Leonie Jahn von der Technischen Universität Dänemarks erklärte, der Fermentationsprozess werde durch die Milchsäure- und Essigsäurebakterien der Waldameisen gestartet, die zur Gerinnung der Milch beitrügen. Einige davon ähnelten jenen Bakterien, die in handelsüblichem Sauerteig vorkommen. Während heutige handelsübliche Joghurts in der Regel mit nur zwei Bakterienstämmen hergestellt würden, hätten traditionelle Joghurts eine viel größere Artenvielfalt, stellte Jahn heraus. Das habe Einfluss auf Geschmack, Textur und Einzigartigkeit.
    "Ich hoffe, dass die Menschen die Bedeutung von Gemeinschaften erkennen und vielleicht etwas genauer zuhören, wenn ihre Großmutter ein Rezept oder eine Erinnerung nennt, die ungewöhnlich erscheint", ergänzte Kollegin Veronica Sinotte. Es sei wichtig, aus diesen Praktiken zu lernen und Raum für das biokulturelle Erbe in unseren Essgewohnheiten zu schaffen. 

    Spitzenköche entwickeln Kreationen aus Ameisenjogurt

    In mehreren Versuchen fanden die Wissenschaftlerinnen heraus, dass die Herstellung mit lebenden Ameisen am besten funktioniert. Mit eingefrorenen oder auch getrockneten Ameisen entstand keine ähnlich passende bakterielle Kultur für den Prozess. Trotzdem warnen sie: Lebendige Ameisen könnten von Parasiten befallen sein. Wenn es nicht Teil der eigenen kulturellen Praxis sei oder man sich besonders gut mit Lebensmittelsicherheit auskenne, solle man die Methode nicht einfach nachmachen. 
    Das interdisziplinäre Forschungsteam ließ es übrigens nicht dabei bewenden, den Joghurt selbst zu verkosten. Köche des mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichneten Restaurants "Alchemist" in Kopenhagen kreierten daraus mehrere Gerichte, die dem traditionellen Ameisenjoghurt eine moderne Note verleihen sollten – darunter ein Mascarpone-ähnlicher Käse, ein spezieller Cocktail sowie ein Joghurt-Eis-Sandwich ("ant-wich").
    Diese Nachricht wurde am 06.10.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.