
Der Professor für Journalismus an der Hochschule Macromedia in Hamburg schreibt in einem Gastbeitrag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk Eingewanderte und Geflüchtete besonders wohlwollend darstelle, lasse sich nicht bestätigen. Tatsächlich zeige die Analyse 2023, dass die öffentlich-rechtlichen Sender die Risiken der Migration ähnlich wie die privatrechtlichen Sender und deutlich stärker als die untersuchten Zeitungen gewichteten.
Regelmäßige Auswertung
Hestermann gehört zu einem Team, das alle zwei Jahre die Hauptnachrichten und Boulevardmagazine der acht reichweitenstärksten bundesweiten Fernsehsender und seit 2019 fünf auflagenstarke überregionale Tageszeitungen zunächst zur Gewaltberichterstattung, seit 2019 auch zur Berichterstattung über Menschen nichtdeutscher Herkunft untersucht. Ausgewertet werden jeweils eine Woche im Januar, Februar, März und April - in diesem Jahr knapp 84 Stunden Sendematerial und 115 Zeitungsausgaben.
Hestermann gibt an, dass sich nach der Kölner Silvesternacht 2015/16 der redaktionelle Blickwinkel in der Migrationsberichterstattung geändert habe. Der Anteil der Fernsehberichte über Gewaltdelikte im Inland, welche die Herkunft der Tatverdächtigen nannten, sei von knapp 5 Prozent im Jahr 2014 auf knapp 18 Prozent im Jahr 2017 gewachsen und auf über 31 Prozent im Jahr 2019. Ähnlich die Berichterstattung der überregionalen Tageszeitungen 2019: Gut 44 Prozent der Zeitungsbeiträge nannten laut Hestermann die Herkunft von Tatverdächtigen, und soweit dies geschah, waren sie zu fast 94 Prozent ausländischer Herkunft. Diese redaktionelle Auswahl stelle die polizeiliche Kriminalstatistik auf den Kopf, wonach in dem Jahr knapp 31 Prozent aller mutmaßlichen Gewalttäter keinen deutschen Pass besaßen. 2023 werde die Herkunft wieder seltener genannt, doch weiterhin vor allem bei ausländischen Tatverdächtigen.
"Zerrbilder" bei der AfD
Der Journalistik-Professor verweist in diesen Zusammenhang auch auf die Pressemitteilungen der AfD, die massive Ängste vor einem Gewaltimport zu wecken versuchten. Im Jahr 2018 habe jede zweite Pressemitteilung der Partei zu diesem Thema die Herkunft von Tatverdächtigen genannt. "Zu 95 Prozent waren das Ausländer - vor allem aus den Hauptfluchtländern Syrien, Afghanistan und Irak, kein einziger Tatverdächtiger in den AfD-Meldungen war ein Russe." Mit realen Daten habe dieses "Zerrbild" wenig zu tun.