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Der Ursprung von Musik
Laune der Natur oder knallharter Zweckfaktor?

Jeder Mensch ist musikalisch, auch wenn viele anders empfinden. Nur, wozu brauchen wir diese Gabe? Für die Kommunikation? Für den sozialen Zusammenhalt? Darüber tobt ein wissenschaftlicher Streit. Denn normalerweise gönnt sich die Natur keine "sinnfreien Extras".

Von Christoph Drösser |
Mehrere, immer größer werdende Skulpturen in Menschform im Neanderthal in der Nähe von Mettmann.
Seit wann kennt und macht der Mensch Musik? (IMAGO / Kraft)
"Music was my first love", sang der kürzlich verstorbene John Miles. Es gibt heute keine menschliche Kultur ohne Musik, und das war sicherlich auch in früheren Zeiten so. Wenn es ein Merkmal gibt, über das alle Menschen verfügen, dann überlegen Biologen sofort: Ist das in unseren Genen verankert, werden wir damit geboren? Bei der Musikalität scheint das der Fall zu sein – jeder Mensch hat sie.
Und weil sich die Natur normalerweise keine teuren Extras, Girlanden und Verzierungen leistet, ist die nächste Frage: Hat Musik einen Nutzen? Hat sie sich im Verlauf der Geschichte "herausgemendelt", weil sie eine Anpassung an bestimmte Umweltbedingungen darstellt?

Widerstreitende Hypothesen mit über hundert Stellungnahmen

Während die einen verschiedene evolutionäre Theorien diskutieren, stellen andere eine viel grundsätzlichere Frage: Meinen wir alle dasselbe, wenn wir von Musik reden? Darüber wird gerade unter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern heftig gestritten.
Zwei Gruppen von Forschenden haben Ende 2020 zwei widerstreitende Hypothesen veröffentlicht, und über hundert ihrer Kolleginnen und Kollegen haben darauf geantwortet. Unser Autor hat die wichtigsten davon befragt:
Samuel Mehr von der Harvard University, die Musikpsychologin Sandra Trehub von der University of Toronto, Psyche Loui von der US-amerikanischen Northeastern University, die Musikwissenschaftlerin Melanie Wald-Fuhrmann vom Frankfurter Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik, den israelischen Hirnforscher und Mathematiker Nori Jacoby und die Musikforscher Eckart Altenmüller, Tuomas Eerola und Henkjan Honing.