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Forscher suchen Schadstoffe im Wattenmeer vor Spiekeroog

Drei Tage und Nächte sind nicht viel Zeit, und so muss auch das Mini-Schnellboot SAM2 ordentlich Gas geben. Vom kleinen Hafen in Neuharlingersiel aus geht es den Priel entlang bis kurz vor die Insel Spiekeroog. Hier – in Sichtweite einer Sandbank – ankert das Forschungsschiff Senckenberg. Eimer klatschen aufs Wasser. Die Meeresforscher sammeln Daten, erklärt Projektleiter Jürgen Rullkötter:

Von Folkert Lenz |
    Die Senckenberg liegt hier im Fahrwasser und setzt Forschergruppen auf die Gröninger Plate aus. Das ist ein etwas erhöhtes Gebiet eines Mischwatts. Dort werden biologische und chemische Analysen durchgeführt. Es wird Probenmaterial gesammelt. Und das Beiboot der Senckenberg macht die Versorgung und holt die Wissenschaftler rechtzeitig wieder ab, bevor die Flut kommt.

    Nicht nur auf der Sandbank neben dem Forschungsschiff kommen die Öko-Wissenschaftler in diesen drei Tagen und Nächten ordentlich ins Schwitzen. 70 Physiker, Chemiker, geologische Schichtexperten und Mikrobiologen sind an dem Projekt beteiligt. Fast 40 von ihnen wühlen derzeit im Schlick. Ein Plattbodenkutter, zwei Versorgungsschiffe und drei Beiboote sind im Einsatz – es ist die größte aller Messaktionen im Watt, die es bislang gab, sagt Rullkötter:

    Wenn das Projekt abgeschlossen ist, dann hoffen wir zu verstehen, wie die wichtigsten Einflussgrößen sind, die wir im Bereich der physikalischen Strömungssysteme, des Stofftransportes und der bakteriellen Umsetzung haben. Und wenn wir das wissen, dann können wir natürliche Prozesse unterscheiden von Menschen gemachten Prozessen.

    Die wichtigsten Fragen betreffen die Strömungsverhältnisse im Watt. Was passiert mit Schadstoffen, wenn sie auf den Wattenboden geraten? Werden sie dort umgewandelt, und in welchem Zustand kommen sie dann in die Nordsee? Der Biologe Jürgen Rullkötter:

    Auf der anderen Seite ist es das Bakteriensystem im Wasser und in den Sedimenten, das dafür sorgt, dass das angelieferte organische Material der abgestorbenen Lebewesen wieder umgewandelt wird in Kohlendioxid. So dass das Watt nicht eutrophiert und umkippt und in großen Flächen nicht mehr bewohnbar ist für Organismen.

    Besonders genau schauen die Forscher deshalb bei den Bakterien im Wattenschlick hin. Sie wollen wissen, wovon die Bakterien leben: Von löslichem Material im Wasser zwischen den Sandkörnern oder von festem Material, das von Land aus angeschwemmt wird. Vom Ergebnis hängt die Einschätzung ab, ob es stimmt, dass menschliche Eingriffe das Ökosystem bedrohen oder doch nicht. Das Schnellboot steuert eine Sandplate an. Dort stellt ein Messteam gerade kleine, meterhohe Gerüste auf:

    Dort sind Sonden angebracht, die von einem automatischen Motor in das Sediment hinein gefahren werden und zwar Mikrometer weise. Und dort wird dann jeweils der Sauerstoffgehalt gemessen oder der Schwefelwasserstoffgehalt.

    In den vergangenen drei Jahren haben die Oldenburger Wissenschaftler das Watt schon bis in eine Tiefe von sechs Metern erkundet – dieses Mal widmen sie sich vor allem den oberen paar Zentimetern. Rullkötter blickt übrigens optimistisch in die Zukunft: Er sieht das empfindliche Ökosystem zwischen dem Festland und den Inseln nicht so sehr vom Menschen bedroht, wie zum Beispiel Umweltverbände befürchten. Tourismus oder die Fischerei haben gar keinen so großen Einfluss wie bislang angenommen, glaubt er. Die Messkampagne soll Rullkötters These nun belegen:

    Probleme sind in der Vergangenheit erkannt worden. Man hat die Einleitung von Abwässern reduziert. Wenn wir auch dazu kommen, dass aus der Landwirtschaft wenig eingetragen wird ins Wattenmeer, dann haben wir - glaube ich - ein ganz gesundes System.