Donnerstag, 28. März 2024

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Forscher zu Hyperschall-Raketen
"Nordkorea ist, was Waffen anbelangt, völlig bedeutungslos"

Der Raketenexperte Robert Schmucker relativierte Nordkoreas Meldung eines erfolgreichen Hyperschall-Raketen-Tests: "Das ist eine ganz klassische Rakete mit einem Flugkörper", sagte der Forscher im Dlf. Die Geschwindigkeit bei Raketen dieser Größenordnung sei leicht im Hyperschallbereich, also nichts Besonderes.

Robert Schmucker im Gespräch mit Arndt Reuning | 29.09.2021
Nordkorea hat nach eigenen Angaben am 28. September 2021 erfolgreich eine sogenannte Hyperschall-Rakete getestet. Die staatliche Nachrichtenagentur KCNA des Landes meldete, dass der Test von großer strategischer Bedeutung sei. Nordkorea wolle seine Verteidigungskapazitäten um ein – Zitat – "Tausendfaches" erweitern. KCNA verkündete den Test einer Rakete des Typ Hwasong-8.
Der Raketenforscher Robert Schmucker will anhand von Bildmaterial des Testes die bereits bekannte nordkoreanische Rakete vom Typ Hwasong-12 erkannt haben und zeigte sich im Dlf wenig beeindruckt. "Das ganze Gerät ist eine ganz normale, konventionelle Rakete, auf der oben ein Flugkörper drauf ist, mehr ist es nicht." Dass die Waffe mehrfache Schallgeschwindigkeit erreiche, sei "nichts Besonderes", so der Münchner Forscher. Verglichen mit Interkontinentalraketen sei sie langsam, aber doch zu schnell, um wie behauptet wirklich manövrierfähig zu sein. "Je höher die Geschwindigkeit, desto größer der Kurvenradius", sagte Schmucker, Raketen- und Raumfahrtexperte an der Technischen Universität München. So seien die Gesetze der Physik.

Das Interview im Worlaut:
Arndt Reuning: Wie funktioniert denn eine Hyperschallwaffe genau?
Robert Schmucker: Das ist ein Geschoss oder ein Flugkörper, der mit mindestens Mach5, 6 oder 7 fliegt. Je nachdem kann er etwa am oberen Rand der Atmosphäre fliegen oder etwas tiefer. Und er fliegt im Wesentlichen eine horizontale Flugbahn, anders als eine ballistische Rakete, die weit in den Weltraum hinausgeht, bevor sie wieder auf die Erde auftrifft.
Reuning: Sie haben Fotos diese nordkoreanischen Rakete gesehen, wie schätzen Sie denn den Stand der Entwicklung ein, den diese Waffe dort erreicht hat?
Schmucker: Man sieht auf dem Bild eine bekannte nordkoreanische Rakete, nämlich die Hwasong-12, die oben statt einem normalen Gefechtskopf einen Flugkörper hat, der zunächst zylindrisch ist und dann kegelförmig nach vorne läuft und vier kleine Leitwerke hat. Das Ganze ist etwa fünfeinhalb bis sechs Meter lang und hat einen Durchmesser von etwa 1,10 Meter. Mehr kann man von dem Bild nicht sagen, aber es ist ein Geschoss auf Deutsch, es ist also nicht hoch manövrierfähig. Es ist ein Geschoss, das da oben drauf ist, mehr ist es nicht, mit einer Rakete, die es auf die Flugbahn bringt.
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"Indikationen, dass es sich um russisches Gerät handelt"

Reuning: Das heißt, können Sie das bestätigen, dass es sich dabei um eine Hyperschallwaffe handelt?
Schmucker: Ja, die Rakete wird natürlich durch den Antrieb auf eine sehr hohe Geschwindigkeit gebracht – und die ist bei Raketen dieses Typs leicht im Hyperschallbereich. Das ist gar kein Problem, das ist bei allen Raketen dieser Größenordnung so, die gehen alle in den Hyperschallbereich. Und wir sprechen hier nicht von Hyperschallflugkörpern, weil das so selbstverständlich ist, das ist nichts Besonderes.
Reuning: Ist denn Ihrer Meinung nach, Nordkorea dazu in der Lage, solch eine doch recht anspruchsvolle Technik zu entwickeln?
Schmucker: Alle Indikationen deuten darauf hin, dass es sich hier um russisches Gerät handelt. Das Triebwerk ist ein russisches, das wissen wir. Das ganze Gerät ist eine ganz normale, konventionelle Rakete, auf der oben ein Flugkörper drauf ist, mehr ist es nicht. Das ist also eine ganz klassische Rakete mit einem Flugkörper. Und nach dem, was in den Medien steht, ist der auf eine flache Flugbahn geschickt worden, also nicht in den Weltraum, sondern flach. Und die Daten sagen, 30 Kilometer hoch und 200 Kilometer weit ist sie geflogen. Nun habe ich da ein bisschen jetzt gerechnet und festgestellt, wenn diese Rakete also aufsteigt, bis 30 Kilometer Höhe fliegt und eine horizontale Flugbahn erreicht und dann den Flugkörper abtrennt, den vorderen, dann fliegt er ungefähr noch mal 150 Kilometer weit wie ein normales Geschoss aus einer Kanone. Die Daten, die wir also haben, entsprechen ganz genau dem, was wir erwarten würden, wenn ich so ein Gerät in dieser Höhe mit zwei Kilometer pro Sekunde abschieße – dann fliegt der so weit, wie wir in Nordkorea gesehen haben. Das ist nichts Besonderes, das ist Physik, die wir da sehen. Punkt. Mehr ist nicht zu sagen.

"Keine ernsthaften Vorteile gegenüber ballistischer Rakete"

Reuning: Könnte denn dieses Projektil beim Auftreten alleine durch den Impact großen Schaden anrichten?
Schmucker: Nein, nein, nein. Die Wirkung durch das Geschoss beim Auftreffen ist um Größenordnungen kleiner als die Wirkungen einer Bombe, egal ob konventionell oder nuklear. Die Wirkung einer Waffe, also einer Sprengladung, ist um ein Vielfaches größer. Das ist völlig bedeutungslos. Wie gesagt, das ist ganz etwas Einfaches, da ist ein Geschoss, ein Flugkörper vorne drauf, eine Kegel-Zylinder-Konfiguration mit Leitwerken. Und die fliegt einfach diese Distanz durch wie eine Gewehrkugel – nichts anderes.
Reuning: Aber man könnte diese Gewehrkugel auch mit einem Sprengsatz bewaffnen.
Schmucker: Natürlich, aber das können Sie ja bei allem machen, und da ist kein Unterschied zu einem ganz normalen Flugkörper, da ist kein Unterschied, da ist nichts dahinter, in Worten: gar nichts. Diese Darstellung ist für mich deshalb so interessant, weil jetzt auch hier Nordkorea auf diesen Hyperschallhype aufspringt. Wir haben ja die USA, dann China und Russland und andere, die reden jetzt ja alle von Hyperschallflugkörpern. Aber das ist natürlich eine Spielart von Flugkörpern für eine ganz kleine Nische, die aber keinerlei ernsthafte Vorteile gegenüber einer ballistischen Rakete aufweisen.

"Interkontinentalraketen sind viel schneller"

Reuning: Der Vorteil könnte doch sein, dass sie alleine durch die Geschwindigkeit den üblichen Abwehrsystemen entkommen könnte.
Schmucker: Die anderen Raketen sind noch viel schneller, Interkontinentalraketen sind viel schneller, die kommen vielleicht mit sechs bis sieben Kilometer pro Sekunde an, der jetzt hat nur zwei Kilometer vielleicht. Diese Geräte sind nicht manövrierfähig. Es heißt immer, Hyperschallflugkörper sind manövrierfähig, das stimmt nur leider nicht. Je höher die Geschwindigkeit ist, desto größer ist der Kurvenradius, und bei zwei Kilometern pro Sekunde würde ich einen Kurvenradius von 200, 300 Kilometern ansetzen, also Hunderte Kilometer ist der Kurvenradius. Es ist halt die Physik, die überall das Dominierende ist, da kommt man nicht raus. Nordkorea ist, was Waffen anbelangt, völlig bedeutungslos. Sie haben fast nichts, sie beziehen fast alles aus Russland. Es geht von Nordkorea keine Bedrohung aus, gar keine Bedrohung.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.