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Forscherinnen fordern Führungsämter

Nach wie vor gibt es sehr viel weniger Professorinnen als Professoren in Deutschland. Der Wissenschaftsbetrieb wird immer noch von Männern dominiert. Wie dies geändert werden kann, diskutierten Wissenschaftlerinnen und Frauenbeauftragte etlicher Universitäten an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer.

Von Ludger Fittkau |
    "Es haben ganze Frauengenerationen darum gekämpft, überhaupt studieren zu dürfen. Und der politischen Großwetterlage nach waren das die Lehrerberufe, die für sie in Frage kamen. Und jetzt haben wir sie im Wesentlichen erobert. Unfair ist es eigentlich nur, dass das Gehalt immer mehr absinkt, je höher der Frauenanteil ist oder umgekehrt: Wenn die Gehälter sinken, werden die Positionen auch den Frauen eher und leichter überlassen. Das ist die eigentliche Ungerechtigkeit. Nicht Diskriminierung, sondern Verteilungsungerechtigkeit materieller Grundlagen von Handlungsspielräumen und Macht."

    Ursula Nelles gibt sich kämpferisch. Die Münsteraner Hochschulrektorin will den oft informellen Männerbünden, die nach wie vor die Hochschulen beherrschen, eigene machtvolle "Schattengremien" gegenüberstellen - ein regelmäßiges informelles Treffen der Professorinnen zum Beispiel. So soll etwas für die materielle Gleichstellung von Frauen in der Wissenschaft erreicht werden:

    "Die Welt wäre insgesamt schöner, wenn das alles nur formal oder nur informell liefe, aber ich glaube, dass das der menschlichen Natur widerspricht. Wir sind soziale Wesen und nutzen soziale Kontakte für alles mögliche, wir nutzen sie nur unterschiedlich. Mit unterschiedlichen, auch pekuniären Erfolgen und unterschiedlichen Erfolgen für den Status. Und das ist unfair."

    "Mehr Frauen in Führungspositionen führen zu mehr Frauen in Führungspositionen" - so lautete Ursula Nelles' zentrale These. In den Hochschulverwaltungen arbeiten inzwischen mehr als 50 Prozent Frauen. Doch es sind in der Regel noch nicht die gut bezahlen Spitzenjobs, die die Frauen innehaben. Das stellte der Speyerer Professor Georg Krücken bei seinen Untersuchungen fest:

    "Statistisch kann man in der Tat sehen, dass in gewisser Weise eine Feminisierung stattfindet. Worauf das zurückzuführen ist, da gibt es sicher ganz komplexe Ursachen. Aber man findet in der Tat immer mehr Frauen in diesem Bereich. Das Problem ist allerdings, und deshalb wird jetzt auch die Tagung gemacht, man findet es eher auf der mittleren Führungsebene. Auf der Spitzenebenen sind Frauen immer noch, wenn sie sich zum Beispiel die Universitätskanzler angucken, da sind Frauen deutlich unterrepräsentiert."

    Immerhin: Jede sechste Stelle des Kanzlers, des Verwaltungsleiters einer Hochschule also, ist in Deutschland heute schon von einer Frau besetzt. Bei den Professorinnen sieht es allerdings in der Regel noch schlechter aus. Warum das so ist, war ein wichtiges Thema der Tagung in Speyer. Margrit Seckelmann vom Deutschen Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung:

    "Wir haben im Laufe der Tagung - das war für mich auch neu - herausgefunden, dass im Bereich der Berufungen in der Wissenschaft Frauen oftmals schlechter abschneiden, weil es nach Publikationslisten geht und Betreuungstätigkeiten von Kindern, die oftmals von Frauen wahrgenommen werden, Betreuungszeiten sozusagen nicht angerechnet werden. Insofern gehen in diesen Jahren die Publikationen teilweise etwas zurück, das muss nicht immer so sein. Das ist aber empirisch belegbar. Und dieses Themas hat sich beispielsweise die Deutsche Forschungsgemeinschaft jetzt angenommen."

    Denn schon bei der Exzellenzinitiative sei international wahrgenommen worden, wie wenig Frauen in den deutschen Forschergruppen vertreten waren. Auch bei den
    inneruniversitären Berufungsverfahren sei es oft kaum möglich, den gesetzlich vorgeschriebenen Frauenanteil in den Kommissionen zu erreichen, wurde auf der Tagung deutlich.

    Doch neben dem Druck aus der DFG oder des Wissenschaftsministerium sind es auch
    ganz andere, geradezu geheimnisvolle Mechanismen, die letztendlich zu einem höheren Frauenanteil in der Professorenschaft führen können.

    Im letzten halben Jahr habe sie zum ersten Mal in ihrer Amtszeit als Rektorin der Uni Münster genauso viel Frauen wie Männer berufen können, berichte Ursula Nelles. Auch ohne dass sie besonderen Druck gemacht habe, hätten wohl ihre männlichen Kollegen verstanden, was sie wollte, so die Wissenschaftsmanagerin. Auch das sah Ursula Nelles als Beweis ihres Merksatzes: "Nur Frauen in Führungspositionen führen zu Frauen in Führungspositionen." Die Top-Managerin des Wissenschaftsbetriebs ermuntert die Frauen, nach den Sternen zu greifen:

    "Nicht jeder der in den Weltraum will, schafft es - und wird vielleicht in Anführungszeichen nur ein guter Jet-Pilot. Aber jemand, der Jetpilot werden will und es gar nicht erst versucht, der scheitert."