Afrika
"Forschung allein reicht nicht" - Madagaskars Primatologenschlagen Alarm: Fast alle Lemurenarten gelten trotz Fortschritten als gefährdet

Auf Madagaskar warnen Forscher vor einem drastischen Rückgang der Lemuren. Nach Angaben der Internationalen Primatologischen Gesellschaft gelten über 96 Prozent aller Arten in dem Inselstaat vor der Südostküste Afrikas als gefährdet.

    Ein Indri hält sich an einem Baum fest.
    "Lemuren sind nationale Schätze und eine Quelle des Stolzes in Madagaskar." (picture alliance / Zoonar / Artush Foto)
    Lemuren sind eng mit Affen verwandt und kommen nur auf Madagaskar vor. Sie sind durch große Augen, dichtes Fell und eine hohe Artenvielfalt gekennzeichnet.
    Der Präsident der Gesellschaft, Jonah Ratsimbazafy, sagte dem Online-Magazin Mongobay, Forschung allein reiche nicht aus. Zu oft diskutierten Forscher untereinander darüber, wie Dinge getan werden sollten, ohne direkt betroffene Entscheidungsträger oder lokale Gemeinschaften einzubeziehen. Jäger, Dörfler, Tourismusagenturen - alle sollten Teil des Naturschutzes sein. "Wir neigen zu der Annahme, dass der Weg der Forscher immer der beste ist. Aber das ist nicht unbedingt richtig."

    Auch heimische Forscher und Ortskräfte als Co-Autoren von Studien benennen

    Er kritisierte auch ein starkes Ungleichgewicht speziell in der Primatologie, aber auch allgemein in der Forschung. Ausländische Forscher schrieben sich zum Beispiel die Entdeckung neuer Arten zu, während heimische Wissenschaftler oder Ortskräfte oft nur als Helfer oder Datensammler betrachtet würden. Ratsimbazafy, selbst Madagasse, forderte mehr Anerkennung für sie und regte an, sie als Co-Autoren von Studien zu benennen.
    Zudem beklagte der IPS-Präsident, selbst wenn vor Ort geforscht werde, würden aufgrund der begrenzten Infrastruktur Madagaskars häufig Proben zur Analyse ins Ausland geschickt. "Wir sind für unsere Artenvielfalt bekannt, aber unsere genetischen Ressourcen verlassen das Land immer wieder." Das sei auch rechtlich nicht okay.

    Jagd auf Lemuren, Zerstörung des Regenwalds auf Madagaskar

    Gründe für die Bedrohung der Lemuren sind die anhaltende Jagd auf die Tiere und der Verlust ihres Lebensraums. Von 2001 bis 2024 gingen laut Ratsimbazafy mehr als 7 von fast 19 Millionen Hektar Regenwald dauerhaft verloren.
    Ein weiteres Problem ist ihm zufolge die mangelnde Kontinuität staatlicher Politik: Mit jedem Regierungswechsel wollten die neuen Verantwortlichen etwas Eigenes einbringen und weigerten sich zugleich, das fortzusetzen, was bereits funktioniere.

    Durchaus Erfolge beim Naturschutz auf Madagaskar

    Auf Madagaskar gibt es durchaus Bemühungen zur Rettung der natürlichen Ressourcen. Die UNESCO strich im Juli Madagaskars Regenwälder der Atsinanana von der Gefährdungsliste. Wiederaufforstung, weniger Abholzung und Wilderei sowie die Einbindung der Bevölkerung wurden als Schlüssel zum Erfolg angeführt.
    Die Naturschutzinfrastruktur wachse, betonte auch Ratsimbazafy. In 60 Jahren habe die Zahl der Organisationen, Feldstationen, Forschungslabors, Zeitschriften für Primaten, Verbände und Mitgliedschaften zugenommen. Der IPS-Präsident verwies auf das Online-Portal zu Madagaskars Lemuren. Es sei ein benutzerfreundliches Werkzeug, um die Kluft zwischen Forschern, Naturschützern, Pädagogen und Feldpraktikern zu schließen. Es sei sogar für Touristen zugänglich und funktioniere auf Mobiltelefonen. Jeder könne sich so leicht mit dem Naturschutz beschäftigen. Zudem verwies Ratsimbazafy auf das Weltlemurenfest, das jedes Jahr am letzten Freitag im Oktober stattfindet und für die Probleme sensibilisieren will. Einige Leute gäben sich wirklich Mühe im Land. Lemuren seien nationale Schätze und eine Quelle des Stolzes in Madagaskar.
    Diese Nachricht wurde am 09.09.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.