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Forschung gegen menschliches Versagen

Technik. - "Menschliches Versagen" heißt oft die Erklärung, wenn kein eindeutigerer Grund gefunden werden kann. Schuld daran können mangelnde Konzentration, schlechte Ausbildung oder auch eine falsch konzipierte Mensch-Maschine-Schnittstelle sein.

Von Mirko Smiljanic |
    Berlin, Zentrum für Mensch-Maschine-Systeme der Technischen Universität Berlin.

    "Wir gehen jetzt in das Blick-Bewegungs-Labor des ZMMS, also Zentrum für Mensch-Maschine-Systeme."

    Dirk Schulze-Kissing, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im ZMMS führt uns durch Gänge und über Treppen bis fast unters Dach. Ein unscheinbarer Raum: sechs Computer verteilt auf zwei Tischen, nur hinten links steht eine Art Helm mit zwei kleinen Kameras. Hier untersuchen die Berliner Forscher, wie die Risikoschnittstelle Mensch-Maschine aussehen sollte. Im Mittelpunkt steht zunächst einmal der Mensch und seine Möglichkeiten Informationen zu verarbeiten – Fachleute sprechen von der Kognition.

    "Dabei handelt es sich um das Denken des Menschen, Probleme lösen, aber auch die emotionale Verarbeitung von Affekten, das zählt auch zur Kognition,... "

    ...also die Frage, wie ein Fluglotse etwa Stress mit seiner Ehefrau verarbeitet und welchen Einfluss dieser Stress auf seine Arbeit im Tower hat. Eine entscheidende Forderung bezüglich der kognitiven Verarbeitung von Informationen ist dabei:

    "Der Operateur muss sich anhand der Information, die auf ihn einströmt, die er sich auch aktiv suchen kann, eine Vorstellung des technischen Systems mit dem er arbeitet, aufbauen."

    Das klingt banal, ist es aber nicht: Ein Techniker, der in einem ruhigen Raum mit vier Knöpfen und einer Computeroberfläche ein ganzes Walzwerk steuert, macht sich keine Vorstellung vom Gesamtsystem "Walzwerk" – ihm fehlen die notwendigen Informationen. Die könnten ihm aber rückgekoppelt werden.

    "Also dass man Vibrationen simuliert, wenn in der Anlage etwas vibriert, dass man Geräusche vielleicht sogar Gerüche simuliert, die die Anlage in dem Fall produzieren würde. "

    Mittlerweile hat Dirk Schulze-Kissing den Rechner für Blickbewegungs-Anlage hochgefahren. Ein Proband setzt sich den Helm mit zwei Kameras auf: eine filmt das visuelle Feld des Probanden, die zweite – eine Infrarotkamera – verfolgt seine Blicke in dem visuellen Feld.

    "Wenn ein Operateur mit einem Prozessleitsystem arbeitet, wenn wir ihn diese Blickbewegungs-Anlage tragen lassen, können wir feststellen, wo guckt er wann hin, welche Informationen sucht er sich, wann sind welche Informationen wichtig ist und in welchen Situationen."

    Interessant sind auch die Ergebnisse zum Zeitgefühl der Probanden: Bei vielen Mensch-Maschine-Schnittstellen müssen die Operateure auf bestimmte Ereignisse warten. Wenn das Ereignis nicht eintritt, müssten sie selbst eine Aktion einleiten. Dabei stellten die Berliner Forscher fest, dass Frauen sehr viel schneller einen Prozess abbrechen würden als Männer. Eine erste Erklärung war für Dirk Schulze-Kissing: Frauen sind insgesamt vorsichtiger,...

    " Ich habe dann aber nachher festgestellt, weil wir noch reine Zeitschätzungen erhoben haben, dass Frauen tatsächlich auch kürzere Zeitdauern produzieren,..."

    ...was nichts weniger bedeutet: für Frauen läuft Zeit schneller ab! Jenseits aller Detailprobleme bei Mensch-Maschine-Schnittstellen, arbeiten Wissenschaftler auch schon an Zukunftsvisionen. Etwa, dass die Maschine selbstständig den Zustand des Menschen erkennt und ihr eigenes "Verhalten" darauf abstimmt.

    "Man misst zum Beispiel das Lidschlussverhalten des Menschen und versucht darüber, zu erfassen, in welchem Wachheitszustand sich der Mensch befindet. Wenn man das zuverlässig messen könnte, wäre das natürlich eine Information, die man der Maschine geben könnte und die Maschine wäre dann darüber informiert, dass sie bei der Darstellung der Informationen sich zurücknehmen muss oder sich auf die wesentlichen Informationen konzentrieren sollte."

    Das ist Zukunftsmusik, die aber in wenigen Jahren schon gespielt wird – sagen Fachleute! Dann auf jeden Fall auf der Industrie-Messe in Hannover.