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Forschung gegen Schimmel und Schädlinge

Vor 75 Jahren sahen sich die Obstbauern im Alten Land in ihrer Existenz gefährdet: Schimmelpilze und Apfelblattsauger bedrohten die Apfelernte und ein harter Winter hatte viele Kirschbäume zerstört. Statt aufzugeben, schlossen sich die Bauern im Obstbauversuchsring zusammen, um gemeinsam nach Lösungen für ihre Probleme zu suchen - einige Jahre später unterstützt von der Obstbauversuchsanstalt der Landwirtschaftskammer Hannover. Beide Institutionen sitzen heute unter einem Dach in Jork, mitten zwischen den Obstplantagen.

Von Thomas Mösch |
    Schimmelpilze und das Wetter machen immer noch Ärger. In diesem Sommer hat Dauerregen ein Großteil der Kirschernte vernichtet. Karl-Heinz Tiemann, Leiter des Obstbau-Versuchs- und Beratungszentrums, zeigt auf eine Stahlrohrkonstruktion, die die gut zwei Meter hohen Kirschbäume des Versuchsfeldes überragt:

    Während wir in den letzten 15 Jahren fast alles eingenetzt haben gegen Vogelfraß, kommt jetzt diese Einzeltungsmöglichkeit. Das sind Stellagen, die zeitlebens über der Anlage stehen und wo man dann wie Dächer in verschiedener Form - wir haben hier versuchsmäßig drei verschiedenartige Anlagen - muss man dann Planen drüberziehen, die dann wie ein Dach oder Zelt über der Kirsche stehen und sie gegen diese Niederschläge schützt.

    Ziel der Experten ist es, den günstigsten Regenschutz zu entwickeln. Vor allem aber testet die Obstbauversuchsanstalt Obstsorten auf ihre Eignung für den Anbau im Alten Land. Der feuchte Marschenboden, die Nähe zur Elbe und das maritime Klima stellen besondere Anforderungen.
    Heutzutage dominiert der Apfel die insgesamt 10.000 Hektar Obstanbaufläche. Die wichtigsten Sorten sind Elstar und Jonagold, erklärt Karl-Heinz Tiemann:

    Heute muss eine Sorte erstmal reich tragen. Sie muss gut schmecken. Sie muss großfrüchtig sein. Sie muss einen Fruchtdurchmesser von sieben Zentimetern haben. Es heißt immer 70 Millimeter plus, sonst kann man damit in der Handelsklasse 1 in den Läden damit fertig werden. Dann muss sie lagerstabil sein.

    Die früher so beliebten Cox Orange und Ingrid Marie genügen diesen Kriterien nicht mehr. Und der Handel verlange immer wieder nach neuen Sorten, erklärt Tiemann, der die Obstbauforschung und -beratung bereits seit 30 Jahren leitet. Unter seiner Führung haben die Altländer Bauern vor 15 Jahren begonnen, den integrierten Anbau zu propagieren:

    Das ist eine umwelt- und produktschonende Anbauweise, die angesiedelt ist zwischen dem alten konventionellen Anbau und dem modernen, neueren Öko-Anbau. Im Gegensatz zum Ökoanbau wirtschaften wir noch mit in Deutschland zugelassenen Pflanzenschutzmitteln. Wir versuchen, sehr umweltschonend mit den Dingen umzugehen, nützlingsschonend und so weiter.

    Tiemann gibt zu, dass auch der konventionell arbeitende Landwirt heute deutlich weniger Chemie einsetze als früher. Der integrierte Anbau sei ein Vorreiter gewesen und beachte nach wie vor einige zusätzliche Kriterien.

    Trotzdem müssen sich die Obstbauern zwischen Hamburg und Stade immer wieder gegen Vorwürfe wehren, sie würden zu viel und sogar illegale Pflanzenschutzmittel einsetzen. Bundesumweltminister Jürgen Trittin hat den zuständigen Überwachungsbehörden in Hannover erst im Juni vorgeworfen, nicht genau genug hinzugucken.

    Die Landesregierung und auch die Obstbauern selbst betonen dagegen, dass die Kontrolleure jedes Jahr weniger Verstöße aufspüren würden. Karl-Heinz Tiemann:

    Fest steht aber auch, dass es sicherlich auch unter unseren Obstbauern im Einzelfall schwarze Schafe gibt, die sich vielleicht nicht minutiös an Auflagen halten wollen, können, möchten usw. Die schützen wir auch von unserem Hause nicht, auch nicht von der Verbandspolitik. Wogegen wir uns allerdings wehren, ist die Tatsache, dass, wenn mal so ein Wert in die Öffentlichkeit gerät, dass damit die gesamte Obstbauerngruppe diskriminiert wird und das ganze Gebiet und dann Zeitungsüberschriften erscheinen wie 'Krebserregende Mittel werden im Alten Land eingesetzt'.

    In den Äpfeln selbst jedenfalls konnte das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz auch im letzten Jahr keine zu hohen Pestizid-Rückstände entdecken. Allerdings wiesen zwei Drittel der Proben aus dem Alten Land Spuren von drei und mehr verschiedenen Chemikalien auf - ein deutlich höherer Anteil als bei den untersuchten Import-Äpfeln.