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Forschung nutzbar machen

Wissenschaftler an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen haben oft ein beachtliches Know-How - sie können es aber nicht für eine Firmengründung nutzen, weil ihnen betriebswirtschaftliche Kenntnisse fehlen. In Schleswig-Holstein bietet der Lehrstuhl für Gründungs- und Innovationsmanagement der Uni Kiel in jedem Sommer ein Intensiv-Training für Wissenschaftler mit einer Gründungsidee an - in einem mehrtägigen Kurs in der "Entrepreneurs' Innovation Summer School" (EISS). Gestern hat wieder ein Kurs begonnen.

Von Matthias Günther | 10.07.2008
    Gründer-Typen werden gesucht. Nur wer auch das Zeug dazu hat, eine eigene Firma aufzubauen, bekommt die Chance, die Sommerschule von Prof. Achim Walter zu besuchen:

    "Wir schauen zunächst mal, was ist das für ein Typ, ist das jemand, der auch eine gewisse Begeisterung in sich trägt für das was er macht, hat er die Qualität eines Champions. Also das heißt, dass er sich auch gegen Widerstand und gegen alle Vorurteile, die ihm entgegenschlagen, sich praktisch durchsetzt."

    Und eine andere Hürde haben die Teilnehmer des Kurses auch schon genommen: Ihre Ideen wurden von den Betriebswirtschaftlern des Teams von Prof. Walter nach einer Vorab-Prüfung zumindest schon einmal als "möglicherweise Erfolg versprechend" eingestuft. Endgültige Klarheit soll nun die Arbeit in der Sommerschule bringen. Neue Anwendungsmöglichkeiten des Internets, verbesserte elektronenmikroskopische Darstellungen oder die Herstellung von Nahrungsergänzungsmitteln aus Grünkohl gegen Augenkrankheiten – das sind einige Ideen, die die Teilnehmer in diesem Jahr mitgebracht haben. Ihre Erwartungen an den Kurs sind hoch:

    "Ich selber bin Wissenschaftler, ich habe aber relativ wenig Erfahrungen im Bereich Marketing. Unser Produkt ist eben jetzt fertig, und jetzt soll dieses Produkt eben verkauft werden, und hier gibt es eben die Möglichkeit, bestimmte Erkenntnisse über Marketing, Vertrieb, aber auch über Finanzen zu lernen."

    "Wir sind an dem Punkt, dass wir wachsen wollen, und möglichst schnell groß werden wollen, und wir erwarten uns von dieser Sommerschule, dass wir Unterstützung bekommen, und wir erhoffen uns davon, dass da auch langfristige Allianzen draus entstehen und eine langfristige Unterstützung."

    Die Gründungsideen werden in der Sommerschule gemeinsam untersucht und diskutiert. Wichtige Vorarbeiten dafür sind am Lehrstuhl für Gründungs- und Innovationsmanagement der Universität Kiel schon geleistet worden, erklärt Prof. Walter:

    "Wir haben schon Studenten der Betriebswirtschaft darauf trainiert, die bereiten sich auf die Gründer vor, die werden dann sozusagen als Coach den Wissenschaftlern dazu gegeben, so dass sie also gemeinsam im Team sich überlegen, wie aus der Technologie möglicherweise ein Geschäft werden könnte."

    Gelegentlich stellt sich dann aber heraus, dass das Problem noch gar nicht relevant ist, für das ein Wissenschaftler eine Lösung gefunden hat:

    "Wir haben also manchmal sehr exotische Projekte, die sehr spannend sind, von der Technologie auch wirklich ganz ausgezeichnet sich zeigen, und auch sehr viel Know-How drin steckt, aber manchmal ist es einfach so: die Technologie hat noch keinen Markt. Und der Markt ist möglicherweise auch nicht groß genug, um diese Technologie zu einem reifen Produkt zu finanzieren. Dann müssen wir einfach sagen: wir müssen warten."

    Und manchmal müssen die Betriebswirte einem gründungswilligen Wissenschaftler auch erklären, dass seine Idee so neu auch wieder nicht ist:

    "Das wird häufig auch mal übersehen, weil man, wenn man an der Uni arbeitet, dann nicht immer auch sieht, was draußen so passiert."

    Prof. Walter sieht in den Wissenschaftlern an den Hochschulen und in den Forschungseinrichtungen ein großes Potenzial, das er für die Gründung neuer Unternehmen nutzbar machen will. Aber nicht jedem Wissenschaftler empfiehlt er diesen Weg:

    "Wenn von zehn Wissenschaftlern einer dabei ist, der das wirklich will, ist das gut. Es kann also nicht darum gehen, dass wir allen das nahe legen und allen das empfehlen, sondern es geht darum, jene abzuholen, die es wollen. Mit denen können wir es machen, und um die herum versuchen wir was zu bauen, was letztlich zu Arbeitsplätzen am Ende führt – zu Steuereinnahmen."

    Prof. Walter schätzt, dass etwa jede dritte Idee, mit denen sich die Sommerschule befasst, entweder direkt zu einer Firmengründung führt oder aber zumindest zu einem Projekt, für das es Fördermittel zur weiteren Entwicklung gibt. Helga Andree hat vor drei Jahren den ersten Kurs der Sommerschule besucht. Sie hatte mit zwei Kollegen von der Kieler Uni die Idee, die genauen Bestandteile von Gülle oder Klärschlamm mit einem Infrarot-Spektrometer zu messen – damit der Betrieb von Biogas- oder Kläranlagen optimiert werden kann. Der Kurs hat sie damals letztlich in der Gründungsidee bestärkt, sagt sie:

    "Das hat uns dazu gebracht, das alles noch mal grundlegend zu hinterfragen, ob man nicht vielleicht selber der eigenen Idee aufsitzt oder ob das wirklich tragfähig ist. Aber eigentlich ist es bei der Idee geblieben. Die ist nur verfeinert worden."

    Die Firma von Helga Andree besteht jetzt seit zwei Jahren. Sie hat heute vier feste und drei freie Mitarbeiter und will 2010 erstmals schwarze Zahlen schreiben.