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Forschung und Lehre im Fach Medizin "unterdurchschnittlich"

Die Universität Witten-Herdecke war schon immer anders: Eine Privatuni, die nicht nur eine fachliche Elite herausbilden wollte, sondern einen sozial engagierten, ganzheitlich gebildeten Menschen. Besonders stolz ist die Privatuni seit jeher auf ihre ganzheitliche Medizinerausbildung - doch genau die gerät jetzt massiv unter Beschuss.

Von Sandra Pfister | 15.07.2005
    Der Wissenschaftsrat hat in Berlin heute ein vernichtendes Urteil über die Medizinerausbildung an der Privatuniversität gefällt. In Forschung und Ausbildung gebe es erhebliche Mängel. Der Wissenschaftsrat geht laut dpa-Meldungen so weit, dass er die Hochschule und das Land Nordrhein-Westfalen auffordert, ab sofort keine Neueinschreibungen mehr vorzunehmen. Im Klartext heißt es: Der Wissenschaftsrat empfiehlt, den humanmedizinischen Studiengang in Witten-Herdecke komplett zu reformieren oder aber ganz einzustellen.

    Der Vorsitzende des Wissenschaftsrates, der Mediziner Karl Max Einhäupl, begründet das so:

    " Der Akkreditierungsausschuss muss Mindeststandards abfragen, die für die Akkreditierung der Einrichtung als Universität maßgebend sind. Die Forschungsleistung der Universität Witten-Herdecke im Fach Medizin ist so weit unterdurchschnittlich, verglichen mit anderen Einrichtungen der Bundesrepublik, dass sozusagen das wesentliche Element einer Universität - nämlich ihre Lehre aus der Forschung abzuleiten - nicht gegeben erscheint.

    Das Zweite ist, dass die UWH ja gerade darauf gesetzt hat, eine besonders gute Lehre zu machen. Wenn man das zumindest an den Indikatoren, die uns zur Verfügung stehen, also sozusagen die Einordnung in den Prüfungsleistungen, die ja bundesweit vergleichbar sind, betrachten, dann können wir feststellen, dass sie da auch nicht überdurchschnittlich ist, sondern in manchen Jahrgängen sogar unterdurchschnittlich gewesen ist. Mit anderen Worten: Weder Lehre, noch Forschung erfüllen die Kriterien, die für die Akkreditierung als Universität erforderlich wären. "

    Für die Universität Witten-Herdecke könnte diese Kritik sogar Existenz bedrohend sein, denn immerhin ist fast die Hälfte ihrer Studenten in der Medizin eingeschrieben.

    Die Uni will die Vorwürfe so nicht stehen lassen. Ihr Sprecher Olaf Kaltenborn räumte ein, dass es auch Mängel gebe:

    " Wir haben uns aus gutem Grund vor über 20 Jahren entschieden, in der Medizinerausbildung einen anderen Weg zu beschreiten als andere Hochschulen, nämlich einen Praxis-näheren, Patienten-näheren Weg. Dieses Modell hat sich in W-H in den letzten 20 Jahren bewährt, ist vielfach auch von staatlichen Hochschulen kopiert worden und unsere Absolventen zeichnen sich ja in der Tat auch durch hohe Fachkompetenz und durch sehr gute und interessante Berufswege aus. Insofern ist da die Kritik des Wissenschaftsrates für uns an manchen Stellen nicht ganz nachvollziehbar. Nachvollziehbar ist sie aber in der Tat, was unsere Forschungsleistungen angeht. In der Tat haben wir da noch Nachholbedarf. Wir werden das Gutachten des Wissenschaftsrates sehr gut prüfen und dann auch versuchen, in die Tat umzusetzen, was da an Empfehlungen gekommen ist. "

    Dass der Wissenschaftsrat auch bei den Prüfungsergebnissen ein unterdurchschnittliches Abschneiden feststellt, kann Olaf Kaltenborn aber nicht nachvollziehen:

    " Wir haben uns die Tabellen noch einmal angeschaut und sind zu einem anderen Urteil gekommen, als der Wissenschaftsrat. Unsere Prüfungsleistungen im Zweiten Staatsexamen liegen über dem Bundesdurchschnitt. Das lässt sich durch ein ganz einfaches Rechenexempel beweisen. In bestimmten Jahrgangskohorten hatten wir im Ersten Staatsexamen von insgesamt elf Durchgängen sieben Durchgänge mit null Durchfallquoten. Das heißt, in W-H wird auch nach staatlichen Kriterien ein Studium auf einem sehr hohen Niveau betrieben. "