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Forschungen in der Schweiz
Staatliches Prüflabel auch für Stoffmasken

Oft nicht dicht genug gewebt und viel zu durchlässig: Wirksamkeitstests von Einwegmasken und Stoffmasken sind alarmierend, sagt der Schweizer Aerosolforscher Ernest Weingartner. Er fordert daher einen einheitlichen Prüfstandard auch für Textilmasken - so wie es ihn bereits für medizinische Masken gibt.

Von Rebecca Hillauer |
Bunte Stoffmasken hängen an einer Leine
"Selbstgemachte Stoffmasken lassen 90 Prozent der feinen Partikel durch", sagt Forscher Ernest Weingartner (imago-images/Westend)
Mehr als einhundert Mund-Nase-Masken hat Ernest Weingartner von der Fachhochschule Nordwestschweiz seit Ausbruch der Corona-Pandemie schon auf ihre Wirksamkeit geprüft. Das Problem: Für medizinische Einwegmasken gibt es europaweite Standards, für textile Masken nicht. Um vor dem Corona-Virus wirksam zu schützen, muss eine Stoffmaske so dicht gewebt sein, dass sie auch sehr kleine Aerosole abhält. Ernest Weingartner: "Die selbst gemachten Stoffmasken, die lassen 90 Prozent der feinen Partikel durch. Sie brauchen spezielle Vliese, die die Filtrationswirkung machen. Einfach ein Tuch vors Gesicht ist keine Lösung. Das ist ein Sieb."
Stoffmasken müssen sehr fein gewebt sein
Auf der Homepage der Fachhochschule Nordwestschweiz heißt es: "Damit die Masken einen effektiven Schutz bieten, müssen sie sowohl mit Viren beladene Tröpfchen (typische Durchmesser größer 1 µm) als auch die Viren selbst (feine Aerosole mit Durchmesser kleiner 1 µm) zurückhalten."
Ein Mikrometer ist ein Tausendstel Millimeter. Stoffmasken müssen also sehr fein gewebt sein, zugleich aber so viel Luft durchlassen, dass man leicht atmen kann. Die Schweizer Covid-19 Expertengruppe hat Empfehlungen erarbeitet, die textile Masken erfüllen sollten. Ihre Kriterien sind teils strenger als die der Europäischen Union.
Das Prüf- und Zertifizierungsunternehmen Testex in Zürich hat mehr als 30 Masken nach den Schweizer Kriterien geprüft. Verkaufs- und Marketingleiter Marc Sidler: "Eine textile Maske macht ja erst Sinn, wenn sie mehrfach gewaschen und getragen werden kann. Deshalb wurde bei der Schweizer Empfehlung, aber auch bei der europäischen, der Richtwert mit mindestens fünfmal waschen bei mindestens 60 Grad, mit Pulver-Vollwaschmittel definiert. Wir prüfen also in unserem Institut bei mindestens diesen Werten. Aber wenn ein Hersteller sagt, meine Masken kannst du auch 20 oder 50 mal waschen, würden wir das auch prüfen."
Eigenes Prüflabel entwickelt
Zusammen mit der Schweizer Forschungsanstalt hat Testex ein eigenes Prüflabel entwickelt: "TESTEX Community Mask". "Community Maske" ist in der Schweiz der gängige Begriff für Alltagsmasken. Eine zertifizierte Maske soll mindestens 70 Prozent der Aerosole mit einem Durchmesser von 1 Mikrometer filtern. Durch einen Code auf der Umverpackung kann man die Herkunft der Maske zurückverfolgen.
Auf der Webseite von Testex sind die Webshops der Label-Inhaber verlinkt. Das Textillabor hat auch medizinische Einwegmasken geprüft. Zuletzt für eine Verbrauchersendung des Schweizer Rundfunks. Trotz der existierenden europäischen Prüfnorm für medizinische Einwegmasken bestanden von acht getesteten Masken nur vier. Der Aerosolforscher Ernest Weingartner ist der Ansicht, dass Stoffmasken durchaus Potential haben, zumal auch die medizinischen Einweg-Hygienemasken nicht 100-prozentig schützen.
"Es gibt Stoffmasken, die gut filtern. Und was auch cool ist an den Stoffmasken: Man kann sie so designen vom Schnitt her, dass sie gut auf dem Gesicht sitzen, dass sie dicht anliegen. Und damit weniger Lecks aufweisen, wie beispielsweise diese Hygienemasken. Dort hat man Lecks. Seitlich, oben. Und dort können gute Stoffmasken punkten, weil sie eben aufgrund ihres Schnitts besser anliegen."
Staatliche Prüfnorm auch für Stoffmasken
Kein Prüflabel, aber eine Empfehlung der Schweizer Forschungsanstalt hat die Schweizer Firma Unrepa. Ihre unter dem Namen "Livipro" vertriebene Stoffmaske soll bis zu 50 mal waschbar sein. Zudem ist sie in verschiedenen Größen bestellbar, so dass sie das Gesicht besser umschließen kann. Vergleichbare Eigenschaften soll auch eine der "Testex Community Masken" bieten. Für Ernest Weingartner sind dies alles Schritte in die richtige Richtung. Für den Aerosolforscher steht fest: Damit die Verbraucherinnen und Verbraucher einen verlässlichen Richtwert haben, muss es schnellstens eine staatliche Prüfnorm auch für Textilmasken geben.
"In der Schweiz gibt es einen Vorstoß. Wir erarbeiten eine neue Norm. Eine Schweizer Norm im Moment noch. Aber wir hoffen natürlich, dass die Nachbarländer aufspringen. So dass man dann eine neue europäische Norm hat, welche sicher stellt, dass Stoffmasken ihren Dienst tun."