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Forschungsevaluation und Hochschulfinanzierung

Logik: Eine Hochschule hat keinen guten Ruf. Sie bekommt in Zukunft weniger Geld vom Staat. Plötzlich bringt sie ein paar Nobelpreisträger hervor und das Geld fließt wieder in Strömen: So kann man das interpretieren, wenn man Forschungsevaluation und Hochschulfinanzierung miteinander verbindet.

14.03.2003
    Honecker: Dominic Orr, britischer Hochschulforscher an der Hochschulinformationsdienstgesellschaft in Hannover, Sie haben verglichen, wie in England, Irland, den Niederlanden und Niedersachsen Hochschulen finanziert werden. Bitte nicht zu detailliert, was sind die Hauptunterschiede? Wie unterscheiden sich diese Länder in der Evaluation von Hochschulen?

    Orr: Die Hauptunterschiede sind eigentlich dann die Konsequenzen der Evaluation. In Niedersachsen und in den Niederlanden gibt es keine direkte finanzielle Konsequenzen von Evaluationen. In Großbritannien und Irland gibt es das sehr wohl.

    Honecker: Was heißt das für uns? Was bringt uns dieses Ergebnis der Untersuchung?

    Orr: Als erstes Ergebnis kann man sagen, dass es überlegenswert wäre, in Deutschland auch in anderen Bundesländern Forschungsevaluationen einzuführen, so dass wir dann mehr über die Leistungen der Hochschulen in diesem Bereich wissen.

    Honecker: Was wird denn als gut bewertet, die Zahl der Publikationen, die Absolventen oder das Einwerben von Drittmitteln? Was sind das für Kriterien?

    Orr: Das sind gerade die Kriterien, die in meinen vier Beispielen nicht die große Rolle spielen. Man zählt in Großbritannien nicht die Zahl der Publikationen, sondern die Qualität der Publikationen wird ausgewertet. Alle Wissenschaftler müssen vier Publikationen einreichen, und deren Qualität wird von Gutachtergruppen bewertet. Man nimmt in allen Verfahren an, dass andere Wissenschaftler erst die Qualität erkennen können. Aber man kann vielleicht sagen, dass das am strukturiertesten in den Niederlanden gemacht wird. Da hat man drei Kriterien. Man versucht einen vergleichenden Maßstab zu setzen. Man guckt zum Beispiel, ob die Publikation nur national oder auch international von Qualität ist. Dann nimmt man auch die wissenschaftliche Relevanz als Maßstab. Hier guckt man, ob die Aktivität für den Fachbereich wichtig ist und ob sie nutzbringend für den wissenschaftlichen Transfer ist.

    Honecker: Der Trend ist Deutschland geht klar zu weniger staatlichen Mitteln. Welche Perspektiven haben die 330 Hochschulen, die es hier in Deutschland gibt?

    Orr: Am wichtigsten ist, dass die Hochschulen die Chance haben, sich zu zeigen, dass heißt ihre Leistungen auch extern zu präsentieren. Solche Verfahren wie die, die ich untersucht habe, geben den Hochschulen diese Chancen.

    Honecker: Das wäre jetzt die positive Interpretation. Die andere wäre zu sagen, nicht alle Hochschulen werden an diesem Markt bestehen können.

    Orr: Durch diese Verfahren kann man dann sehen, ob eine Hochschule forschungsstark ist oder nicht. Dann ist das auch eine Frage der Profilierung. Einige Hochschulen müssen vielleicht überlegen, ob sie teilweise diese Forschungsaktivität nicht als Schwerpunkt setzen.

    Honecker: Heißt das, dass die alte Formel von der Zusammengehörigkeit von Forschung und Lehre aufgekündigt wird?

    Orr: Ich finde diese Frage sehr spannend. Die wird zum Beispiel auch in Großbritannien heiß diskutiert, wo man sehen kann, dass Forschung und Lehre wirklich organisationstechnisch anders behandelt werden. Ich finde es sinnvoll, diese zwei Aktivitäten anders zu evaluieren, anders zu behandeln. Das heißt aber nicht, dass man diesen Grundsatz aufgibt, dass Forschung und Lehre sich gegenseitig befruchten.

    Honecker: Vielen Dank, Herr Orr.