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Forschungsfreiheit kontra Tierschutz:

Forschungspolitik. - Es ist so etwas wie ein Showdown mit Ansage, was sich derzeit an der Universität Bremen abspielt. Die Bremer Politik will nach elf Jahren die Arbeit der Hirnforscher dort beenden. Jedenfalls den Forschungszweig, für den Versuche mit Makakenäffchen nötig sind. Die zuständige Gesundheitsbehörde genehmigt von November an keine weiteren Versuche. Die Entscheidung kam für die Forscher nicht überraschend und sie wollen den Kampf aufnehmen.

Von Folkert Lenz | 16.10.2008
    Forschungsfreiheit kontra Tierschutz! Die Arbeit des Kognitionswissenschaftlers Andreas Kreiter vom Bremer Institut für Hirnforschung könnte ein erstes Opfer des Konflikts werden. Ende November müsse er seine Labore schließen. Das hat ihm das Gesundheitsressort jetzt mitgeteilt, das in Bremen für den Tierschutz zuständig ist. Die dürre Begründung: Die Versuche seien ethisch nicht vertretbar.
    An der Universität Bremen hat man die Entscheidung verärgert aufgenommen.
    Rektor Wilfried Müller spricht von einem Eingriff in das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit:

    "Es muss zu einer ethischen Abwägung kommen zwischen der Wirkung des jeweiligen Forschungsdesigns und den möglichen Belastungen für die Tiere. Diese Abwägung zwischen der Bedeutung für die Grundlagenforschung und der Bedeutung für den medizinischen Fortschritt und den Belastungen der Makaken ist nicht vorgenommen worden."

    Das sei ein rechtlicher Fehler sagt Müller, der sich auf das fünfseitige Ablehnungspapier der Behörde beruft. Die Universität will nun Widerspruch einlegen und die Forschungsfreiheit notfalls bis vor das Verfassungsgericht durchklagen. Seit elf Jahren untersucht der Zoophysiologe Andreas Kreiter schon die Funktion von Makakengehirnen am Bremer Zentrum für Kognitionswissenschaften. Die Versuche mit den Äffchen laufen hier ähnlich wie anderswo ab: Die trainierten Tiere sitzen meist vor einem Monitor und müssen in bestimmten Situationen Reaktionen zeigen. Der Kopf ist dabei fixiert, denn die Affen dürfen nicht zappeln. Kreiter und seine Kollegen haben 17 von den 24 Versuchstieren zuvor eine Zugangsröhre zum Gehirn in den Schädel zementiert. Mittels einer Sonde könne man so die Hirnströme in ausgewählten Bereichen messen, so Kreiter:

    "Die Elektroden werden mit verschiedenen Methoden dort eingebracht. Sie können entweder dauerhaft implantiert sein oder sie können täglich eingefahren werden über eine kleine Kammer, die auf dem Schädel aufsitzt. Da ist ein Deckelchen, darunter herrschen sterile Bedingungen."

    Eine Qual für die Makaken sei das, kritisieren die Versuchsgegner. Das Gehirn sei berührungs- und schmerzunempfindlich, kontern die Forscher. Die Bremer Kognitionswissenschaftler wollen die neuronalen Mechanismen der Wahrnehmung, des Denkens und Handelns aufklären. Zum Beispiel um alten Menschen zu helfen, die unter Erkrankungen des zentralen Nervensystems leiden, etwa Demenzkranken oder Parkinson-Patienten. So stellt der neue Versuchsantrag von Kreiter auch nicht nur auf Grundlagenforschung ab. Therapien für Epileptiker: ein weiteres Ziel. Kreiter:

    "Dort besteht das Problem, dass man – bevor man den epileptischen Fokus, von dem die epileptischen Anfälle ausgehen – entfernen kann, sehr genau nachschauen muss, wo dieser Fokus eigentlich ist. Das geht bisher mit drahtgebundenen Systemen, aber nicht sehr befriedigend. Und wir haben hier ein Projekt laufen, das darauf abzielt, das mit drahtlosen Systemen zu realisieren."

    Vor drei Jahren ist die Bremer Hirnforschung zum politischen Spielball geworden. Die Bremische Bürgerschaft, der Landtag, hat mit den Stimmen fast aller Parteien beschlossen, das zu beenden, was im Nachbarland Niedersachsen – am Deutschen Primatenzentrum Göttingen – kein Problem darstellt. In ihrem Ablehnungsbescheid erwähnt das Gesundheitsressort sogar, dass die Bremer Tierschutzkommission empfohlen habe, die Versuche Kreiters mit einigen Auflagen weiter zu genehmigen. Die Behörde lehnt eine Verlängerung trotzdem ab. Dabei habe diese gar kein Recht, eine ethische Bewertung der Versuche vorzunehmen, sagt die Universitätsleitung. Die Entscheidung – allen anders lautenden gutachterlichen Stellungnahmen zum Trotz – sorge für Irritationen in der Forschergemeinde und beschädige die Reputation der Universität, meint Professor Reinhard Fischer:

    "Es wird sicherlich sehr bald auch weltweit wahrgenommen. Momentan haben wir die Situation in Deutschland: Da wird das sehr wohl und sehr eng verfolgt. Sie müssen ja auch sehen: das Bundesministerium stellt Millionen nach sorgfältiger Prüfung zur Verfügung. Die Humboldt-Stiftung vergibt einen Preis von einer Million Euro in die Arbeitsgruppe von Herrn Kreiter – nach sorgfältiger Prüfung. Und das muss sehr verwunderlich auf die Institutionen wirken."

    Die Deutsche Forschungsgemeinschaft sorgt sich nun um die im Grundgesetz verbriefte Freiheit von Forschung und Wissenschaft. DFG-Präsident Matthias Kleiner ermahnt die zuständige Behörde, ihre Entscheidung allein auf Grundlage geltenden Rechts zu treffen. Kleiner wolle in der kommenden Woche auch direkten Kontakt mit der Bremer Landesregierung aufnehmen, heißt es aus Bonn.