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Fortpflanzung mit Hindernissen

Biologie. - Kakerlaken hat man normalerweise nicht gern in der Wohnung. Im nordenglischen Manchester können Forscher jedoch nicht genug von den Insekten bekommen. Sie untersuchen, welche Strategien Kakerlaken-Männchen und -Weibchen einsetzen, um sich fortzupflanzen.

17.06.2005
    Im Biozentrum der Universität Manchester zieht man Kakerlaken der Art Nauphotea cinerea in bananenkistengroßen Boxen. Bevor die weiblichen Tiere geschlechtsreif sind, werden sie von den Männchen getrennt. Denn nur dann können Patricia Moore und ihre Kollegen das Fortpflanzungsverhalten der Kakerlaken studieren. Die Weibchen stehen dabei vor einem Dilemma. Moore: "Die Weibchen müßten eigentlich ein attraktives Männchen wählen, das aber kann sie davon abhalten, sie erneut zu paaren. Also entscheiden sie sich für ein weniger attraktives, das ihren Reproduktionszyklus nicht manipuliert." Die Männchen übertragen bei der Begattung außer dem Sperma noch ein Sekret, das verhindert, dass das Weibchen später Spermien eines weiteren Männchens aufnehmen kann. Attraktive Männchen haben besonders viel von diesem Sekret und booten deshalb besonders oft Nebenbuhler aus. Andererseits entstammen aus einer Paarung mit einem attraktiven Männchen erfolgreiche Nachkommen. Das Weibchen hat also die Wahl zwischen gutem Sperma und häufigerer Begattung.

    Ein weiteres Problem ist, dass die Männchen nur über ein bestimmtes Spermakontingent verfügen. Moore: "Wenn sich Weibchen mit einem Männchen einlassen, das kein Sperma mehr hat, können sie sich danach nicht mehr mit einem anderen Männchen paaren, da ihre Eier aufgrund des Sekrets nicht mehr befruchtet werden." Deshalb müssen Weibchen die Männchen erkennen, die sich bereits mit einer Konkurrentin eingelassen haben. Dabei helfen sich die Geschlechtsgenossinnen untereinander, denn sie markieren die Männchen bei jeder Kopulation. Allerdings stehen die Weibchen unter Zeitdruck, denn ihre Eier sind nicht unbegrenzt fruchtbar. In ihren Experimenten isolierte Patricia Moore ein Weibchen für ein paar Tage und verhinderte damit, dass es sich zu Beginn seiner Fruchtbarkeit mit einem Männchen einlassen konnte. Die Enthaltsamkeit hatte Folgen. Moore: "Sie wurde weniger wählerisch, nahm sich weniger Zeit, Männchen auf deren Qualität zu prüfen, und ließ sich mit jedem Männchen ein, das ihr über den Weg lief." Eine biologische Uhr gibt es offenbar auch bei Kakerlakenfrauen.

    [Quelle: Michael Stang]