"Als Volkswirtin hat man gelernt, dass Fortschritt mit Wirtschaftswachstum gleichzusetzen ist. Das war während meines Studiums vor 40 Jahren so und das ist heute immer noch so."
Professor Angelika Zahrnt ist Ehrenvorsitzende des BUND und Mitherausgeberin des Buches Postwachstumsgesellschaft, in dem es um neue Konzepte für die Zukunft geht. Der alte Fortschrittsbegriff muss neu gedacht werden, sagt sie. Die Wirtschaft darf nicht länger auf Kosten von Umwelt und Klima wachsen. Aber:
"Die Dynamik in der Wirtschaft soll ja weiter bestehen. Sie soll genutzt werden, um solche Unternehmen, die soziale Verantwortung übernehmen, die ökologisch verträglich wirtschaften, um solche Unternehmen voranzubringen. Und solche Unternehmen, die sich um Umwelt und Soziales nicht kümmern, wie zum Beispiel die Textilläden, die Billigstprodukte in Bangladesch herstellen ohne Rücksicht auf die Näherinnen, dass die weniger Absatz haben beziehungsweise vom Markt verschwinden."
Professor Angelika Zahrnt ist Ehrenvorsitzende des BUND und Mitherausgeberin des Buches Postwachstumsgesellschaft, in dem es um neue Konzepte für die Zukunft geht. Der alte Fortschrittsbegriff muss neu gedacht werden, sagt sie. Die Wirtschaft darf nicht länger auf Kosten von Umwelt und Klima wachsen. Aber:
"Die Dynamik in der Wirtschaft soll ja weiter bestehen. Sie soll genutzt werden, um solche Unternehmen, die soziale Verantwortung übernehmen, die ökologisch verträglich wirtschaften, um solche Unternehmen voranzubringen. Und solche Unternehmen, die sich um Umwelt und Soziales nicht kümmern, wie zum Beispiel die Textilläden, die Billigstprodukte in Bangladesch herstellen ohne Rücksicht auf die Näherinnen, dass die weniger Absatz haben beziehungsweise vom Markt verschwinden."
Reichtum neu definieren
In diesem Sinne, so Angelika Zahrnt, könne Fortschritt nicht mehr schneller, weiter, höher bedeuten. Sondern besser. Man müsse Reichtum neu definieren. Reichtum an sozialen Beziehungen, an Wissen anstelle von Reichtum an Gütern.
"Also all diese Dinge, die weniger mit Materiellem besetzt sind, könnten Elemente eines neuen Reichtums und eines neuen Fortschrittsbegriff sein. Zeit zu haben, mich um andere zu kümmern. Dann könnte das ein vielfältigerer Begriff von Wohlstand sein. Und den zu steigern, wäre dann Fortschritt."
Noch, so die Volkswirtin, sei die Politik allerdings weit davon entfernt, das tradierte Wachstumsprimat aufzugeben.
"Die Bundeskanzlerin Merkel hat ja gesagt, ohne Wachstum ist alles Nichts. Und in ihrer Regierungserklärung von vor vier Jahren, da kam das Wort Wachstum 57 Mal vor und das Wort Nachhaltigkeit einmal."
In manchen gesellschaftlichen Kreisen macht man sich allerdings schon länger Gedanken darum, wie Fortschritt im 21. Jahrhundert definiert werden soll, weiß Daniel Opper. Der Projektleiter bei der Zeit-Stiftung ist zuständig für das Zukunftscamp. Im Gespräch mit jungen Leuten hört er oft:
"Dass es nicht einfach weiter so gehen könnte, dass vielleicht die Auswahl zwischen 25 Sorten Zahnpasta, die wir jetzt im Supermarkt finden oder das iPad 5 statt 4, das kann nicht alleine Fortschritt bedeuten."
Fortschritt an sich, so Daniel Opper, sei durchaus etwas Positives.
"Weil, ich glaube, jeder Mensch ist neugierig und Zivilisation braucht auch eine gewisse Neugierde und einen Aufbruch. Die Frage ist, wohin brechen wir auf, wie verhandeln wir das."
Es gehe also nicht um Stagnation, sondern um fortschrittliche Umorganisation. Statt immer mehr besitzen zu wollen, intelligenter mit dem Vorhandenen umzugehen.
"Indem wir viel mehr tauschen und nicht mehr jeder eine Bohrmaschine besitzt, die man nur einmal im Jahr braucht. Also wie können wir neue intelligente Wege des Austauschs finden, um von dem reinen Wirtschaftswachstum wegzukommen. Aber unser Leben gleichzeitig besser zu machen."
"Also all diese Dinge, die weniger mit Materiellem besetzt sind, könnten Elemente eines neuen Reichtums und eines neuen Fortschrittsbegriff sein. Zeit zu haben, mich um andere zu kümmern. Dann könnte das ein vielfältigerer Begriff von Wohlstand sein. Und den zu steigern, wäre dann Fortschritt."
Noch, so die Volkswirtin, sei die Politik allerdings weit davon entfernt, das tradierte Wachstumsprimat aufzugeben.
"Die Bundeskanzlerin Merkel hat ja gesagt, ohne Wachstum ist alles Nichts. Und in ihrer Regierungserklärung von vor vier Jahren, da kam das Wort Wachstum 57 Mal vor und das Wort Nachhaltigkeit einmal."
In manchen gesellschaftlichen Kreisen macht man sich allerdings schon länger Gedanken darum, wie Fortschritt im 21. Jahrhundert definiert werden soll, weiß Daniel Opper. Der Projektleiter bei der Zeit-Stiftung ist zuständig für das Zukunftscamp. Im Gespräch mit jungen Leuten hört er oft:
"Dass es nicht einfach weiter so gehen könnte, dass vielleicht die Auswahl zwischen 25 Sorten Zahnpasta, die wir jetzt im Supermarkt finden oder das iPad 5 statt 4, das kann nicht alleine Fortschritt bedeuten."
Fortschritt an sich, so Daniel Opper, sei durchaus etwas Positives.
"Weil, ich glaube, jeder Mensch ist neugierig und Zivilisation braucht auch eine gewisse Neugierde und einen Aufbruch. Die Frage ist, wohin brechen wir auf, wie verhandeln wir das."
Es gehe also nicht um Stagnation, sondern um fortschrittliche Umorganisation. Statt immer mehr besitzen zu wollen, intelligenter mit dem Vorhandenen umzugehen.
"Indem wir viel mehr tauschen und nicht mehr jeder eine Bohrmaschine besitzt, die man nur einmal im Jahr braucht. Also wie können wir neue intelligente Wege des Austauschs finden, um von dem reinen Wirtschaftswachstum wegzukommen. Aber unser Leben gleichzeitig besser zu machen."
Fortschritt als irdisches Glück
Der wachstumsorientierte Fortschrittsbegriff der Industriellen Revolution war im 19. Jahrhundert rundweg positiv. Produktivität versprach ein besseres Leben für viele. Und das bereits im Diesseits, sagt der Politikwissenschaftler Dr. Wolfgang Kraushaar vom Hamburger Institut für Sozialforschung.
"Fortschritt hieß, einen weltlichen Zuwachs zu bekommen an Gütern, ein besseres Leben im weltlichen Dasein zu gewinnen. Und damit etwas qualitativ anderes als das, was die Religion und die Kirchen einem versprochen hatten."
Schon seit den 1970er-Jahren weiß man, dass quantitativer Fortschritt nicht mehr in die Zeit passt, dass ein Mehr an Konsumgütern nicht zufriedener macht, dass Wachstum zerstört. Und auch der wissenschaftliche Fortschritt hat seine Unschuld schon lange verloren. Wolfgang Kraushaar:
"Dadurch, dass spätesten seitdem die Atomphysiker es möglich gemacht haben, Atomwaffen zu entwickeln und zu produzieren, man deutlich gemacht hat, dass die Fähigkeit besteht, unter der Maßgabe des wissenschaftlichen Fortschritts, die Gattung Mensch auszulöschen."
Technische Erfindungen werden immer komplexer, die Folgerisiken sind nicht abzuschätzen. Auch das Internet, als grenzenloses Kommunikationsmedium gefeiert, zeigt spätestens seit den Enthüllungen des Edward Snowdon sein zweites, hässliches Gesicht. Aber, so der Grünen-Politiker und Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, Ralf Fücks:
"Mich stört ein bisschen an dieser Postwachstumsdebatte, dass sie nur eine Nabelschau der wohlhabenden europäischen Mittelklasse ist. Der akademisch gebildeten Mittelklasse. Die Realität für die große Mehrheit der Weltbevölkerung sieht ganz anders aus."
"Fortschritt hieß, einen weltlichen Zuwachs zu bekommen an Gütern, ein besseres Leben im weltlichen Dasein zu gewinnen. Und damit etwas qualitativ anderes als das, was die Religion und die Kirchen einem versprochen hatten."
Schon seit den 1970er-Jahren weiß man, dass quantitativer Fortschritt nicht mehr in die Zeit passt, dass ein Mehr an Konsumgütern nicht zufriedener macht, dass Wachstum zerstört. Und auch der wissenschaftliche Fortschritt hat seine Unschuld schon lange verloren. Wolfgang Kraushaar:
"Dadurch, dass spätesten seitdem die Atomphysiker es möglich gemacht haben, Atomwaffen zu entwickeln und zu produzieren, man deutlich gemacht hat, dass die Fähigkeit besteht, unter der Maßgabe des wissenschaftlichen Fortschritts, die Gattung Mensch auszulöschen."
Technische Erfindungen werden immer komplexer, die Folgerisiken sind nicht abzuschätzen. Auch das Internet, als grenzenloses Kommunikationsmedium gefeiert, zeigt spätestens seit den Enthüllungen des Edward Snowdon sein zweites, hässliches Gesicht. Aber, so der Grünen-Politiker und Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, Ralf Fücks:
"Mich stört ein bisschen an dieser Postwachstumsdebatte, dass sie nur eine Nabelschau der wohlhabenden europäischen Mittelklasse ist. Der akademisch gebildeten Mittelklasse. Die Realität für die große Mehrheit der Weltbevölkerung sieht ganz anders aus."
Eine Chance auf Wohlstand und Bildung
Asien, Lateinamerika und Afrika befänden sich erst an der Schwelle des Übergangs von der Agrar- zur Industriegesellschaft. Die Weltwirtschaft werde sich in den nächsten 20 Jahren verdoppeln. Und Wachstum sei für die Menschen in vielen Teilen der Welt die Chance zu Wohlstand und Bildung zu kommen.
"Wir müssen künftig wirtschaftliches Wachstum nicht als Raubbau an der Natur organisieren, sondern als Koproduktion mit der Natur. Auf der Basis von Sonnenenergie und nachwachsenden Rohstoffen und Kreislaufwirtschaft."
Es gebe in vielen Ländern inzwischen Wachstumsmodelle, die sich an ökologischen Kriterien orientierten, konstatiert Ralf Fücks.
"Das heißt, es beginnt auch schon in den Schwellenländern ein Prozess des Umdenkens. China investiert massiv in Wind- und Solarenergie. Die Zulassungsvorschriften für Autos in den Städten werden schärfer."
"Wir müssen künftig wirtschaftliches Wachstum nicht als Raubbau an der Natur organisieren, sondern als Koproduktion mit der Natur. Auf der Basis von Sonnenenergie und nachwachsenden Rohstoffen und Kreislaufwirtschaft."
Es gebe in vielen Ländern inzwischen Wachstumsmodelle, die sich an ökologischen Kriterien orientierten, konstatiert Ralf Fücks.
"Das heißt, es beginnt auch schon in den Schwellenländern ein Prozess des Umdenkens. China investiert massiv in Wind- und Solarenergie. Die Zulassungsvorschriften für Autos in den Städten werden schärfer."
Der Fortschritt ist flexibel
Ralf Fücks ist Optimist. Perspektivisch seien eine kritische Öffentlichkeit, freie Medien und unabhängige NGOs Garanten für mehr qualitatives Wachstum.
"Wenn wir zurückkucken, seit den 70er-Jahren haben wir doch enorme Fortschritte schon in der Bundesrepublik erzielt. Damals Waldsterben, ein Riesenthema. Heute wachsen die Wälder wieder in Europa. Unsere Flüsse waren Kloaken. Jetzt schwimmen wieder Lachse im Rhein."
Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt, schnellere Pferde, sagte Henry Ford, nachdem er seine Autos entwickelt hatte. Für den Philosophen und Technikforscher Dr. Sandro Gaycken von der Freien Universität Berlin ein Satz, der heute einen ganz neuen Sinn bekommt.
"Der Fortschritt ist ja sehr flexibel. Man kann also durchaus alternative Technikmodelle und auch Umgangsweisen, die dann gar nichts mit Technik zu tun haben, finden, die sich dann als äquivalent rausstellen oder manchmal sogar höherwertig. Von daher wären schnellere Pferde vielleicht auch in Ordnung gewesen."
"Wenn wir zurückkucken, seit den 70er-Jahren haben wir doch enorme Fortschritte schon in der Bundesrepublik erzielt. Damals Waldsterben, ein Riesenthema. Heute wachsen die Wälder wieder in Europa. Unsere Flüsse waren Kloaken. Jetzt schwimmen wieder Lachse im Rhein."
Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt, schnellere Pferde, sagte Henry Ford, nachdem er seine Autos entwickelt hatte. Für den Philosophen und Technikforscher Dr. Sandro Gaycken von der Freien Universität Berlin ein Satz, der heute einen ganz neuen Sinn bekommt.
"Der Fortschritt ist ja sehr flexibel. Man kann also durchaus alternative Technikmodelle und auch Umgangsweisen, die dann gar nichts mit Technik zu tun haben, finden, die sich dann als äquivalent rausstellen oder manchmal sogar höherwertig. Von daher wären schnellere Pferde vielleicht auch in Ordnung gewesen."