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Fortsetzung des Dauerzwists

Josef Ackermann will sein Haus bestellt übergeben, wenn er im Mai als Chef der Deutschen Bank abtritt. Doch mit einem Dauerkonflikt müssen sich möglicherweise auch noch seine Nachfolger herumschlagen: Der Streit mit den Kirch-Erben geht offenbar weiter.

Von Michael Watzke | 27.02.2012
    Vor rund zwei Wochen traf der mächtigste Mann der deutschen Bankbranche die Witwe des einst mächtigsten Mannes der Medienbranche. Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank, verhandelte mit Ruth Kirch, der Miterbin des Nachlasses von Leo Kirch, über eine der höchsten Vergleichszahlungen der deutschen Wirtschaftsgeschichte.

    Über dieses Gespräch gibt es zwei Versionen. Die eine: Josef Ackermann habe am Ende der Verhandlung per Handschlag mit Ruth Kirch besiegelt, dass die Deutsche Bank 812 Millionen Euro an die Erben von Leo Kirch zahlt, wenn die zuständigen Deutsche-Bank-Gremien zustimmen, also Vorstand und Aufsichtrat.

    Die andere Version besagt: Josef Ackermann habe in dem Gespräch mit Ruth Kirch lediglich zur Kenntnis genommen, dass man sich auf 812 Millionen Euro einigen könne. Der Handschlag wäre in diesem Fall nur eine Abschiedsgeste gewesen.

    Egal welche Version stimmt, eines scheint unstrittig: der Vorstand der Deutschen Bank will den Vergleich mit Kirch in dieser Form nicht annehmen. Vor allem nicht in dieser Höhe. 812 Millionen Euro – das wäre nicht nur das teuerste Fernsehinterview aller Zeiten, mit dem Ex-Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer vor zehn Jahren den Untergang des Kirch-Imperiums besiegelt haben soll.

    812 Millionen Euro wären auch rund 40 Millionen Euro mehr, als Guido Kotschy vorgeschlagen hatte, der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht München, der den Zivilprozess zwischen Deutscher Bank und Kirch leitet. Der Deutsche-Bank-Vorstand, Aufsichtsrat und Aktionäre, so heißt es, seien strikt gegen einen so hohen Vergleich. Die Süddeutsche Zeitung zitiert einen Insider der Bank, wonach im Vorstand ewig lange gestritten worden sein soll. Am Ende soll Vorstand Josef Ackermann, der die Deutsche Bank nach seinem Abgang besenrein hinterlassen will, keine Mehrheit bekommen haben.

    Leo Kirch hätte seine wahre Freude gehabt an diesem Vergleichs-Poker. Er verstarb im vergangenen Jahr, nachdem er noch einmal vor Gericht erschienen war. Im Rollstuhl, mit kaum hörbarer Stimme. Und seinen Vorwurf wiederholt hatte: Rolf Breuer, sein früherer Kreditpartner von der Deutschen Bank, habe das Kirch-Medienimperium per Fernsehinterview sturmreif geschossen. Deshalb verlange er, Kirch, rund 3,6 Milliarden Euro Schadenersatz.

    Die entscheidende Rolle bei den jetzigen Vergleichsgesprächen spielt das Oberlandesgericht München. Und zwar in zweifacher Hinsicht. Erstens, weil die Deutsche Bank fürchten muss, dass Richter Guido Kotschy im Zivilprozess pro Kirch und gegen die Deutsche Bank entscheidet. Der Befangenheitsantrag, den die Deutsche Bank gegen den Richter gestellt hat, liegt nun schon seit Monaten ohne Entscheidung auf Eis. Wenn das Gericht unter Kotschy weiterverhandelt, könnte es am Ende teurer für die Deutschbanker werden als 812 Millionen Euro.

    Andererseits hat eben dieses Oberlandesgericht München in einem anderen Verfahren um die Kirch-Gruppe ein Gutachten bei den Wirtschaftsprüfern von PriceWaterHouseCoopers in Auftrag gegeben. Und dieses Gutachten soll zum Schluss kommen, dass Kirchs einstige Dachgesellschaft Taurus Holding mit 1,7 Milliarden Euro überschuldet gewesen sein soll. Und zwar schon bevor Rolf Breuer sein ominöses Interview gab.

    Für die Deutsche Bank liegt also Wohl und Wehe beim Oberlandesgericht München. Die Vertreter der Kirch Gruppe drohen jedenfalls massiv. Ein Herunterhandeln der 812 Millionen Euro, so zitiert die Süddeutsche Zeitung einen Teilnehmer der Vergleichs-Verhandlungen, werde man bei Kirchs nie und nimmer akzeptieren. Mit jedem Tag werde es für die Deutsche Bank teurer, nicht billiger.