Freitag, 29. März 2024

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Forum für Journalismuskritik
"Das Recht braucht die Öffentlichkeit"

Eine Stunde lang ging es beim "Forum für Journalismuskritik" um das komplexe Verhältnis von Recht und Öffentlichkeit. Die Gäste auf dem Podium diskutierten dabei nicht nur über Themen wie die Flüchtlingskrise. Es ging auch um die nicht immer einfache Beziehung zwischen Juristen und Journalisten.

14.06.2019
Diskussionsrunde beim 5. Kölner Forum für Journalismuskritik mit Thomas Fischer, Stefan Müller-Römer, Gudula Geuther, Renate Jaeger und Sandra Schulz.
Diskussionsrunde "Alles was Recht ist - Verfassung, Paragraphen und Journalismus" (David Ertl)
Die Diskussion können Sie hier im Ganzen hören: Alles, was Recht ist - Recht, Verfassung, Justiz und die Medien

Im ersten Teil der Diskussion stand die Frage im Mittelpunkt, wie sich Recht und Öffentlichkeit zueinander verhalten. Thomas Fischer - ehemaliger Vorsitzender Richter des 2. Strafsenats am Bundesgerichtshof - etwa sagte, eine Diskussion über Wahrheit und Gerechtigkeit sei von großer Bedeutung.
Das Recht brauche die Öffentlichkeit. Schließlich sei es ja selbst auch eine öffentliche Angelegenheit und keinesfalls ein leerer Raum. Allerdings funktionierten beide Seiten, also Medien und Justiz, ganz unterschiedlich, und so würden auf beiden Seiten auch immer wieder Fehler gemacht.
Thomas Fischer beim 5. Kölner Forum für Journalismuskritik
Thomas Fischer, ehemaliger Vorsitzender Richter des 2. Strafsenats am Bundesgerichtshof (Deutschlandradio / David Ertl)
"Da gilt man leicht als Wichtigtuer"
Aus Sicht der ehemaligen Verfassungsrichterin Renate Jaeger war die Personalauswahl etwa an hohen Gerichten kaum darauf ausgerichtet, Menschen zu suchen, die das Öffentliche zu schätzen wüssten. Thomas Fischer ergänzte, die Richter kämen aus der Tradition des Beamtenrichtertums. Dort habe lange gegolten, dass jeder, der die Nase aus dem Fenster strecke, auch leicht als Wichtigtuer gelte.
Sandra Schulz, Juristin und Redakteurin beim Deutschlandfunk, stellte in diesem Zusammenhang die Frage in den Raum, was eigentlich geschehe, wenn ein Youtuber nach Karlsruhe zum Bundesverfassungsgericht ziehe und dort filmen wolle. Damit bezog sie sich auch auf den Youtuber Rezo, dessen CDU-kritisches Video vor der Europawahl millionenfach geklickt wurde und eine bundesweite Diskussion auslöste.
Sandra Schulz beim 5. Kölner Forum für Journalismuskritik
Sandra Schulz, Redakteurin und Moderatorin beim Deutschlandfunk (David Ertl)
Der Medien- und Urheberrechtsanwalt Stefan Müller-Römer sagte, er rate seinen Mandant*innen eher zu Zurückhaltung. So habe ihm die Erfahrung gezeigt, dass etwa große Zeitungen medienrechtlich gut aufgestellt seien und sich von einem Anwaltsschreiben nicht aus der Fassung bringen ließen. Müller-Römer beobachtet eine Tendenz: So sagten zwar alle, es solle viel berichtet werden, aber eben nur das, was den Beteiligten auch gefalle. Das sei nicht zuletzt bei Fußballvereinen so, die inzwischen eigene Kommunikationskanäle entwickelten. Müller-Römer ist der aktuelle Präsident des 1. FC Köln.
Der "behauptete Rechtsbruch"
Im zweiten Teil der Diskussion ging es um die Frage, wie sich Recht denn zutreffend vermitteln lasse. Sandra Schulz etwa erinnerte an die Flüchtlingskrise von 2015 und verglich sie mit dem Skandal um Diesel und Feinstaub. Im ersten Fall sei es um einen "behaupteten Rechtsbruch" gegangen. Dieser sei der Bundesregierung vorgehalten worden und habe dazu geführt, deren Politik zu beeinflussen.
Wenn man dagegen die Gerichtsurteile zum Feinstaub ansehe, dann hätten diese gezeigt, dass der Rechtsbruch Praxis sei – und niemand rege sich wirklich auf. Wenn aber doch, dann nur mit der Konsequenz, dass manche überlegten, ob man der Deutschen Umwelthilfe (als federführender Klägerin) die Gemeinnützigkeit entziehen sollte.
Renate Jaeger betonte, es habe sehr lange gedauert, bis in der Flüchtlingsthematik zum Beispiel angemessen öffentlich erläutert worden sei, welche unterschiedlichen Arten von Migration es gebe. Denn es mache doch mit allen Konsequenzen zum Beispiel einen Unterschied, ob jemand Asylbewerber sei oder als Flüchtling nach der Genfer Konvention anerkannt werde. Das habe damals einfach gefehlt.
Thomas Fischer beklagte, in dieser Thematik seien Journalisten auch oft ohne die nötige Sachkenntnis an die Problematik gegangen – dafür aber mit einer Haltung. Das aber habe viel Potenzial für Konflikte mit sich gebracht. Sandra Schulz hielt dem entgegen, dass doch heute an vielen wichtigen Positionen in den Medien auch Juristinnen säßen. Sie nannte als Beispiele Claus Kleber und Melanie Amann.