Samstag, 20. April 2024

Forum für Journalismuskritik
Zu viel Glaube, zu wenig Kritik?

Journalisten berichten über Religionen, Religionsgemeinschaften machen auch selbst Programm. Es gebe zu viel Nähe zwischen Kirchen und Medien, kritisierte die Mehrheit des Podiums. Die große Gruppe der Laizisten komme zu wenig vor.

Ingrid Matthäus-Maier, Lale Akgün, Michael Schmid-Salomon und Klaus Pfeffer im Gespräch mit Christiane Florin | 05.07.2019
Diskussionsrunde beim 5. Kölner Forum für Journalismuskritik.
Diskussionsrunde “Um Gottes Willen? Religion und Weltanschauung in den Medien“. (David Ertl)
Ingrid Matthäus-Maier, Vertreterin der Humanisten und Laizisten im WDR-Rundfunkrat: "Mich regt auf, dass eine Vereinnahmung der ganzen Sendertätigkeit stattfindet, als seien wir ein rein christliches Land. Dass mittlerweile fast 50 Prozent der Einwohner nicht Mitglied einer Kirche sind, ich nenne das säkular, wird nicht zur Kenntnis genommen. Ich habe gezählt: 1703 Verkündungssendungen gibt es im WDR pro Jahr, beim Deutschlandfunk gab es in den vergangenen drei Monaten 16 Gottesdienste à 54 Minuten, zum Glück gab es noch die Nachrichten.
Ingrid Matthäus-Maier beim 5. Kölner Forum für Journalismuskritik.
Ingrid Matthäus-Maier, Mitglied des WDR-Rundfunkrates. (David Ertl)
Wir sind keine rein christliche Gesellschaft mehr. Wir sind eine säkulare, eine christliche, eine muslimische. Und diese Unterschiede kommen zu wenig zum Vorschein. Die Trennung von Kirche und Staat, die wir seit der Weimarer Verfassung haben - "Es gibt keine Staatskirche" - wird sehr oft durchbrochen. Ich bin nicht dafür, dass Religion aus der gesellschaftlichen Wahrnehmung verschwindet, aber diese Zahl an Verkündigungssendungen war vielleicht mal angemessen in den Fünfziger Jahren, aber heute ist das nicht mehr angemessen. Und wir Laizisten müssen jede Veränderung hart erkämpfen."
Lale Akgün, Buchautorin, Psychologin und ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete: In den Medien sind die orthodoxen, konservativen Muslime die Platzhirsche. Sie haben von den Kirchen gelernt, wie man sich zum Ansprechpartner der Medien und der Politik machen kann und sie wenden das Spiel eins zu eins an.
Lale Akgün beim 5. Kölner Forum für Journalismuskritik.
Die frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün. (David Ertl)
Bei den Talkshows im Fernsehen werden diejenigen eingeladen, die besonders exotisch aussehen: am besten eine Frau im Hijab und ein Mann, der sich als Imam bezeichnet und im Nachthemd auftritt, damit man sieht, wie fromm er ist. Das ist eine verheerende Entwicklung. In der Bevölkerung entsteht ein Bild, als würden alle Muslime dem orthodoxen Islam angehören. Das macht Angst, das ist ein verzerrtes Bild und das wiederum befeuert rechte Parteien, die dann daraus ihre Munition beziehen."
Michael Schmidt-Salomon, Philosoph und Vorstand der Giordano-Bruno-Stiftung:
"Journalisten und Journalistinnen ignorieren die Trennung von Kirche und Staat sträflichst. Das hat damit zu tun, dass sie oft nicht unabhängig berichten können. Der Journalist Uli Schauen hat in diesem Zusammenhang mal von einem kirchlich-medialen Komplex gesprochen. Es gibt viele mit Doppelfunktionen, also Kirchenfunktion und Funktion in Medien oder Politik. Unter dem Druck der ökonomischen Verhältnisse werden Nachrichten der katholischen Nachrichtenagentur KNA und dem evangelischen Pressedienst epd eins zu ein übernommen, ohne gegenzurecherchieren.
Michael Schmidt-Salomon beim 5. Kölner Forum für Journalismuskritik.
Michael Schmidt-Salomon, Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung. (David Ertl)
Es gibt Sendungen, da merkt kein Zuschauer oder Zuhörer, dass die auch kirchlich gelenkt sind. Ich meine hier nicht die Verkündigungssendungen, ich meine journalistische Sendungen. Ich finde es dramatisch, dass die Unabhängigkeit des Journalismus nicht gewahrt wird, dass man gerade im Bereich der Religion und Weltanschauungen nicht die Wahrheit knallhart präsentieren kann. Das gilt auch für Islamkritik. Schauen Sie sich den Film "Nuhr nicht senden" auf unserer Homepage an, diese Religions- und Islamkritik von Dieter Nuhr wollte kein öffentlich-rechtlicher Sender haben. Fragen der Weltanschauung und der Religion können nicht ähnlich kritisch beleuchtet werden wie andere Fragen des öffentlichen Lebens."
Klaus Pfeffer, Generalvikar des Bistums Essen: "Kürzlich saß ich in einem innerkirchlichen Gremium, da ging großes Gejammer und Klagen los über Journalisten und Medien. Es werde beim Thema katholische Kirche nur skandalisiert oder allenfalls eine folkloristische Darstellung gebracht. Ich sehe das aufgrund meiner journalistischen Herkunft - ich habe beim "Süderländer Volksfreund" volontiert - anders. Ich erlebe Journalisten, die extrem kritisch über uns berichten und Kontrolle wahrnehmen. Das begrüße ich, weil es meiner Kirche gut tut. Ich erlebe auch Journalisten, die schon vorher für sich klar haben, was sie berichten wollen und welche Antworten ich geben soll.
Klaus Pfeffer beim 5. Kölner Forum für Journalismuskritik.
Klaus Pfeffer, Generalvikar des Bistums Essen. (David Ertl)
Ich kann diese extreme Aufassung nicht teilen, als würden wir in einem Land leben, in dem die Medien uns Kirchen bedienen. Ich sehe es auch nicht so wie viele meiner kirchlichen Kollegen, die sich von Medienvertretern verfolgt fühlen. Wir sind nicht mehr das christliche Land wie in den 50er Jahren, das muss sich auch niederschlagen. Aber deswegen die Religion aus der öffentlichen Wahrnehmung hinauszutreiben, halte ich nicht für angemessen."
Die Sendung ist eine gekürzte Fassung der Diskussion "Um Gottes Willen? Religion und Weltanschauung in den Medien", die im Rahmen des 5. Forums für Journalismuskritik am 14. Juni 2019 im DLF Köln stattfand.