Sonntag, 12. Mai 2024

Forum neuer Musik 2023: Musik von Eisler, Wolpe, Trunk, Pfitzner und Strauss
Tanz auf dem Vulkan

Auch in der Welt des Klavierlieds formierten sich Gegner und Sympathisanten des Nationalsozialismus. Das Liederprogramm, das Studierende aus Hannover und Mannheim gemeinsam für das Forum erarbeitet haben, wirft verstörende Blicke auf die vermeintlich „goldenen“ 1920er Jahre.

Am Mikrofon: Hanno Ehrler | 26.11.2023
Blick auf eine historische Vinyl-Platte, aus der ein großes Stück herausgebrochen ist.
Das neue Medium Radio und die Schallplatte waren in den 30er- und 40er-Jahren sehr beliebt. (Unsplash / Michaels Reise um die Erde)
Rein ästhetisch betrachtet, präsentierte sich die Musik der 1920er Jahre in Deutschland in ziemlicher Vielfalt. Vertreter der Spätromantik, Avantgardisten, Neoklassizisten, Sympathisanten des Jazz und andere waren seinerzeit auf dem Spielfeld aktiv.
Nicht zwingend aber entsprachen die künstlerischen Vorlieben den verschiedenen politischen Lagern – so stellte es sich im Zuge der Recherchen und unter musikwissenschaftlicher Begleitung durch Prof. Stefan Weiss in Hannover heraus.

Spurensuche nach heute Vergessenem

In der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover nahm man die Anfrage des Kölner Forums neuer Musik für ein explosives Liedprogramm ernst. Die Studierenden lernten im Zuge dessen auch Grundlegendes in Sachen Recherche und Programmdramaturgie.
Gruppenfoto der Beteiligten im Kammermusiksaal von Deutschlandfunk in Köln.
Die Gruppe der Studierenden der Musikhochschulen Hannover und Mannheim mit ihren Lied-Professoren Jan Philip Schulze und Axel Bauni am Aufnahmetag im Deutschlandfunk Kammermusiksaal. (T. Kujawinski / Deutschlandradio)
Entscheidend war die Erfahrung, sich nicht nur bei ohnehin bekannten Namen und Werken zu bedienen, sondern auch bei heute Vergessenen auf Spurensuche zu gehen.

Studioarbeit und zwei Konzerte

Studierende der Liedklassen von Prof. Jan-Philip Schulze (Hannover) und Prof. Axel Bauni (Mannheim) fuhren schließlich zu einem Tag Studioarbeit in den Deutschlandfunk Kammermusiksaal in Köln. Im Gepäck Noten und einiges Wissen nicht nur über kompositorische Handschriften, sondern über politische Verhaltensstrategien von Künstlern angesichts einer heraufziehenden Diktatur.
Eine junge Frau steht in Alltagskleidung hinter Mikrophonen und singt, während sie von einer Pianistin an einem Flügel, der im Vordergrund spielt, begleitet wird.
Johanna Götz singt Walter Giesekings Chanson „Dame von besserer Qualität“. Am Klavier: Hyunjung Lee. (T. Kujawinski / Deutschlandradio)
Am 28. November präsentieren sie ihr Programm live beim XI. Liederfest in der Musikhochschule Hannover, am 30. November wird es in Mannheim aufgeführt.
Vorläufige Titelauswahl:
Eine Menschengruppe steht im Gespräch vertieft in einem Raum, in dem auch ein großes Mischpult steht.
Eine Menschengruppe steht im Gespräch vertieft in einem Raum, in dem auch ein großes Mischpult steht.
Kurt Weill: Berlin im Licht
Hans Pfitzner: Der Weckruf op. 40/6
Hannah Elisabeth Meyer, Sopran
Suryeon Noh, Klavier

Paul Hindemith: Es ist etwas im Menschen
Stefan Wolpe: Hitler
Anja Mittermüller, Mezzosopran
Yuri Ota, Klavier

Boris Blacher: Fünf Sinnsprüche Omars des Zeltmachers op. 3
Hanns Eisler: Lied vom SA Mann
Johannes Worms, Bariton
Yiwen Chen, Klavier

Hanns Eisler: Als ich Dich meinem Leib trug
Walter Gieseking: Die Dame von besserer Qualität
Johanna Götz, Mezzosopran
Hyunjung Lee, Klavier

Richard Strauss: Das Bächlein  op.88,1  
Richard Trunk: Brautwerbung op. 63,4  
Marta Hadzimanov, Sopran
Jeremias Hilschmann, Klavier 

Paul Graener: Galgenbruders Lied an Sophie, die Henkersmaid
Paul Dessau: Kaffeholer raus (Ein ernstes Soldatenlied)
Ljubomir Milanovic, Bariton
Taiji Koga, Klavier