Samstag, 27. April 2024

Forum neuer Musik 2023: Musikpolitische Entwürfe in der frühen DDR
Vision vom neuen Menschen

Anfang der 1950er Jahre wagte man sich in der jungen DDR an soziokulturelle Experimente. Unter dem Motto „Die Kunst dem Volke“ sollte Kultur für alle gestaltbar und zugänglich machen. Avancierte Versuche wurden von restriktiver Kulturpolitik bald erstickt.

Von Gisela Nauck | 28.11.2023
Paul Dessau in langem Mantel spricht mit zwei Grubenarbeitern in Arbeitskluft mit Helm und Schutzbrille.
Paul Dessau mit Arbeitern des Reparaturwerks des VEB Braunkohlekombinat Espenhain / Sachsen. (Evelyn Richter © Akademie der Künste, Berlin, Paul-Dessau-Archiv Nr. 2766. Mit freundlicher Genehmigung von © Peter Richter)
„Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt …“ – wie kaum ein anderer Vers spiegelte Johannes R. Bechers Auftragsgedicht, das in Hanns Eislers DDR-Nationalhymne einging, den Wunsch nach grundsätzlichem Neuanfang.
Im Osten Deutschlands begann eine tief greifende wirtschaftlich-politische Umgestaltung. Die Künste waren darin integriert – sie hatten "den neuen Menschen" mitzugestalten.

Anfangs eine vielversprechende Option

Unter dem Motto „Die Kunst dem Volke“ sollte den Werktätigen die Welt der Künste zugänglich werden. In kurzer Zeit entstanden in Städten und Dörfern Kulturhäuser, hunderte Orchester wurden gegründet, Chöre und Laienensembles aufgebaut. Kultur sollte nicht mehr marktorientiert funktionieren, sondern für alle gestaltbar und zugänglich sein.

Ideen im Korsett

Geprägt von innerer Emigration, Zuchthaus und Exil englischer, amerikanischer oder russischer Art, engagierten sich Komponisten und Musiker verschiedenster Handschrift für den Aufbau einer sozialistischen Musikkultur. Zugleich aber waren sie von Anfang an mit einer restriktiven Kulturpolitik konfrontiert, die politisch-ästhetische Grenzen setzte.
Autorin Gisela Nauck beleuchtet die künstlerische Diversität im Bereich der Musik. Sie skizziert Anfänge einer sozialistischen Avantgarde, die an der Doktrin vom „sozialistischen Realismus“ scheiterte und dennoch maßgebende Spuren gelegt hat.