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Forza und zurück, Italia

Italien demonstriert - regelmäßig. Gegen einen gewissen Herrn Berlusconi, sein Privatleben, sein politisches Agieren. In der Opposition erlaubt sich nur einer Kritik: Gianfranco Fini, Parlamentspräsident, rechtsnationale Führungsfigur, und politisch verbündet mit dem Regierungschef.

Von Kirstin Hausen |
    Dunkelblauer Anzug, hellblaues Hemd, randlose Brille – Gianfranco Fini wirkt stets wie aus dem Ei gepellt. Er kleidet sich dezent. Ab und zu trägt er eine gestreifte Krawatte, das ist alles. Die lauten Töne hat der ehemalige Chef der post-faschistischen Partei MSI längst hinter sich gelassen. Die Rolle des Parlamentspräsidenten füllt er perfekt aus, er ist staatsmännisch geworden. Nur ab und zu schießt er von hinten auf den Regierungschef. Auch das eher leise.

    "Das ist nicht mit der italienischen Verfassung vereinbar" sagte er, als Silvio Berlusconi vom Parlament mehr Effizienz verlangte und anregte, über Gesetze künftig nur noch die Fraktionsführer abstimmen zu lassen und nicht jeden einzelnen Abgeordneten. Ein feines Lächeln umspielte dabei das Gesicht von Gianfranco Fini. So als freute es ihn, dass sich Berlusconi mit seiner Antipathie gegenüber demokratischen Prozessen selbst ins Aus manövrierte. Allerdings wie so oft ohne Konsequenzen.
    Die Konflikte zwischen Berlusconi und Fini häufen sich. Der Öffentlichkeit werden sie regelmäßig als Missverständnisse verkauft, denn gut fürs Image ist der Streit unter Verbündeten nicht. Das weiß Silvio Berlusconi, der diese Rolle lieber der Opposition zuweist und sie als "heillos zerstritten" darstellt. Die wirklichen Probleme bleiben unterdessen liegen. So lässt die Regierung die Finger von den strukturellen Problemen wie der Kostenexplosion im Gesundheitswesen oder den lückenhaften Sozialsystemen. Langfristige Perspektiven interessieren weniger als aktuelle Meinungsumfragen. Und die bescheren Silvio Berlusconi immer noch eine breite Zustimmung in der Bevölkerung. Der Soziologe Roberto Biorcio erklärt das so:

    "In Krisensituationen, die rasches Handeln verlangen, aber auch allgemein in einer Gesellschaft wie der italienischen, die man 'Risiko-Gesellschaft' nennen könnte, weil sie dem Einzelnen weniger Sicherheit, weniger Schutz bietet als früher, kommt schnell die Sehnsucht nach einer starken Figur und einem starken Staat auf. Nach jemandem, der im Notfall weiß, was zu tun ist."

    Im Grunde könnte sich auch Gianfranco Fini als Befürworter eines starken Staates profilieren und Berlusconi Konkurrenz machen, aber er scheint in seiner eigenen Partei weitgehend isoliert zu sein. Ehemals treue Parteisoldaten wie der amtierende Außenminister Ignazio La Russa und Maurizio Gasparri, Fraktionsführer der Regierungspartei "Volk der Freiheit" im Senat, sind bekennende "Berluscones", also Unterstützer des Regierungschefs. Zu den Skandalen, in die sich der Ministerpräsident verstrickt hat, sagen sie nichts. Oder höchstens ein Wort: "Verleumdung". Mit diesen Parteikollegen kann Gianfranco Fini nicht am Stuhl von Berlusconi sägen. Da sind die Forderungen nach einer "neuen politischen Mitte", wie sie Pier Ferdinando Casini aufstellt, schon vielversprechender. Der Chef der konservativen Minipartei UDC sitzt seit zwei Jahren auf der Oppositionsbank, weil er sein Bündnis mit Berlusconi löste. Die UDC ist damit die einzig wirklich konservativer Kraft in der Opposition. Aber sie ist klein. Die größte Oppositionspartei ist die Demokratische Partei, die sich als links definiert.

    "Die Demokratische Partei macht als Sammelbecken für verschiedene politische Kulturen keine eindeutig linke Politik mehr", diagnostiziert Roberto Biorcio von der Mailänder Universität "Bicocca". Damit mache sie aber auch keine eindeutige Oppositionspolitik, findet die Gewerkschafterin Ketty Caraffa.

    "Das Problem ist ihre verzweifelte Suche nach der Mitte. Natürlich verunsichert sie so all diejenigen, die bis vor zwei Jahren links gewählt haben."