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Fotojournalismus
TV-Doku über den "Bang Bang Club"

Bevor in Südafrika vor 20 Jahren die ersten freien Wahlen stattfanden, war das Land von Unruhen geprägt. Mitten im Geschehen: Vier Fotojournalisten, die für die südafrikanische Zeitung "Star" arbeiteten. Nun zeigt Arte eine Doku über jene Gruppe, die als der "Bang Bang Club" bekannt wurde.

Von Susanne Luerweg | 23.04.2014
    Eine alte Spiegelreflexkamera vom Typ Praktica MTL 5 hängt an einem Band vor einem Bauch.
    Wie wichtig sind Fotos für die Wahrheitsfindung? (picture alliance / ZB - Peter Endig)
    Eine Menschenmenge, bewaffnet mit Stöcken und Speeren, läuft wütend durch die Straßen. Wir schreiben das Jahr 1994 und in Südafrika herrscht Bürgerkrieg. Die Anhänger des ANC von Nelson Mandela kämpfen gegen die Anhänger der Inkharta-Partei. Vier weiße Fotografen, allesamt Anfang 20, machen es sich zur Aufgabe, die Auseinandersetzungen zu dokumentieren. Ken Osterbroek, Kevin Carter, Greg Marinovich und Joao Silva waren bald unter dem Label "Bang Bang Club" weltbekannt.
    "Sie waren ein besonderer Club. Männer, die sich vor nichts fürchteten, ihre Baseballkappen mit dem Schirm nach hinten trugen. Warum sie der Bang Bang Club genannt wurden? Keine Ahnung. Aber es war ein guter Spitzname. Es traf den Nagel auf den Kopf."
    Peter Sullivan, ehemaliger Chefredakteur der liberalen südafrikanischen Zeitung "Star" kommt in der Dokumentation genauso zu Wort wie andere Weggefährten der vier Kriegsfotografen. Aber es sind vor allem die Bilder, die den Zuschauer ins Mark treffen. Nicht die filmischen Archivaufnahmen. Nein, die Fotos. Denn Marc Wiese lässt sie gnadenlos lange stehen. Mehrere Sekunden lang. Die Fotos zeigen Menschen mit brennenden Reifen um ihren Hals. Menschen, denen Arme und Beine fehlen. Menschen, die von oben bis unten bluten und deren Torso von einem wütenden Mob über die Straße gezerrt wird. Joao Silva vom Bang Bang Club, dessen Mitglieder extrem furchtlos waren und immer die Gefahr suchten.
    "Wir alle sahen, wie Menschen vor unseren Augen getötet wurden. Mit Macheten zerhackt. Wir sahen viele Leichen. Wir fotografierten ohne zu verstehen, was wirklich passiert war."
    "Einmal mischte ich mich ein, wollte wissen, was passiert war. Einer der Täter sagte: Er ist ein Spion. Ich denke, ich habe moralisch korrekt gehandelt, auch als Journalist. Aber ich war hilflos."
    Zwei Mitglieder des "Clubs" starben
    Greg Marinovich blickt fast verzweifelt in die Kamera, als er auf seine Fotos von damals blickt und sich erinnert. Marinovich und Silva sind die beiden Überlebenden des legendären Bang Bang Clubs. Ken Oestergaard und Kevin Carter sind bereits tot. Kevins Exfreundin Lydia Johnson erinnert sich.
    "Ken starb durch eine Kugel und Kevin wurde durch seine Arbeit getötet."
    Ken Oesterbroek wurde am 18. April 1994 erschossen. Die Umstände seines Todes wurden nie ganz geklärt. Er war mit anderen vor Ort, als Soldaten einen Aufstand im Township niederkämpfen wollten. Kevin Carter gab an dem Tag ein Interview, weil er den Pulitzer-Preis für das beste Foto gewonnen hatte. Das Foto zeigt ein kleines Mädchen im Sudan, das versucht, sich aufzurichten. Direkt hinter dem Kind steht ein Geier.
    "Das Bild, das ihn so berühmt gemacht hat, war gleichzeitig auch sein Untergang. Das Bild provozierte so viele Fragen."
    "Es mag für manche Leute schwierig zu verstehen sein, aber als Fotojournalist ist mein erster Instinkt, Fotos zu machen."
    Wie weit darf man für das perfekte Foto gehen?
    Kevin Carter ist schon von Drogen gezeichnet, als er versucht, sich für sein legendäres Bild zu rechtfertigen. Immer wieder wurde ihm vorgeworfen, er habe das Elend des Mädchens ausgenutzt statt ihm zu helfen. Die Arte-Dokumentation zeigt die Suche der Fotografen nach dem perfekten Bild, den Impuls immer abzudrücken, egal, was auch passiert. Ähnlich wie die Kinodokumentation "War Photographer" über den ebenfalls weltberühmten Kriegsfotografen James Nachtweih gibt auch dieser Film tiefe Einblicke in eine Reportergesellschaft, die für ein Bild immer mitten ins Kriegsgeschehen vordringt. Und wirft elementare Fragen auf: Wie weit darf man für das perfekte Foto gehen? Wie wichtig sind die Bilder für die Wahrheitsfindung? Wer zeigt das Elend der Welt, wenn nicht die Menschen mit der Kamera?
    Joao Silva geht immer noch weit. 2010 hat er bei einem Einsatz in Afghanistan beide Unterschenkel verloren. Dennoch hält er der Welt weiterhin den Spiegel vor.
    "Ich weiß nicht mehr, wer von uns es gesagt hat: Ein nicht fotografierter Toter ist ein vergessener Toter."