Der Kopf der von hinten gezeigten Frau ist leicht seitwärts geneigt, die Kurzhaar-Frisur signalisiert Emanzipation und Selbstbewusstsein.
Die 1909 geborene Marianne Breslauer, Tochter eines Architekten, hatte im Berliner Lette-Verein eine Fotografenlehre gemacht; dort erhielten Mädchen der niederen Stände eine Ausbildung, dort konnten sich aber auch höhere Töchter in den neuen Techniken unterweisen lassen. Das war 1927 durchaus ungewöhnlich, und auch der weitere Lebensweg der Künstlerin ist nicht gerade konventionell: sie geht nach Paris, trifft dort Man Ray, fotografiert aber eher dokumentarisch die Tristesse der Clochards an der Seine und das Wohlleben der Oberschicht bei den Pferderennen von Longchamp; sie arbeitet in Berlin für Illustrierte und Modemagazine, und als die Nazis an die Macht kommen, flieht sie in die Schweiz, wo sie Kunsthändlerin wird. Ganze zehn Jahre hat sie als Fotografin gearbeitet, diese aber haben es in sich: die Ausstellung zeigt eine Künstlerin, die sich – in der Tradition von Werkbund und Bauhaus – ganz dem "Neuen Sehen" verpflichtet fühlt, dem sachlichen, streng komponierten Bild jenseits der Sozialromantik, das aber trotzdem Außenseiter und das scheinbar Nebensächliche zum Thema macht.
Marianne Breslauers Stärke war die Porträt-Fotografie, und ihre Bilder von Künstlerkollegen und Freundinnen zeigen etwas vom Berliner Flair der 1920iger und Anfangs-Dreißiger-Jahre: kurz nach der Wirtschaftskrise gab es dort eine Schicht völlig unangepasster, sich androgyn stylender Mädchen, die die üblichen Rollenmuster in Frage stellten, die einfach arbeiten und sich selbst verwirklichen wollten. Breslauer fotografierte vor allem für den Ullstein-Verlag – und zwar sowohl Arbeitermädchen als auch Modistinnen, Akrobaten, Tänzerinnen, Zirkuskinder, Mannequins. Man spürt das Filmische des Blicks, der in Serien denkt, man ist überrascht über die erotische Freizügigkeit dieser Frauen am Badestrand, die selbstgewiss ihre schönen Körper zeigen – es gab, kurz vor den Nazis, auch eine andere, eine an den eigenen Bedürfnissen orientierte Leiblichkeit, sagt Kurator Martin Gasser:
"Tatsächlich ist es so: viele der Frauen, die in diesen Fotografien erscheinen, sind ihre Freundinnen, die sie entweder beobachtet bei der Arbeit oder mit ihnen bestimmte Dinge inszeniert, ihre Bildvorstellungen umsetzt; und das ist schon speziell: sie gehört zu diesen neuen Frauen, sie selbst ist eine dieser Frauen, die sich eine neue Identität suchen. Für sie als Fotografin, mit einem Beruf, der nun vermehrt für Frauen zugänglich ist ... ich denk, da passen Dinge zusammen."
Gleichzeitig hat Marianne Breslauer atmosphärisch starke Stadt-Aufnahmen geschaffen, oft in der Aufsicht, aus der Höhe gesehen: die von einem Baum dominierte Lützowbrücke in Berlin, Passanten vor der Galerie Lafayette und einer Metrostation in Paris, verlassene Stühle und Morgennebel in den Jardins du Luxembourg.
Sozialkritische Reportage wollte Breslauer nicht machen. Sie zeigte eher das selbstbewusste Gegenbild zur allgemeinen Misere: weibliche Angestellte, berufstätige Mütter, emanzipierte Ehefrauen. Noch in den Frontalporträts der lesbischen Schweizer Schriftstellerin Annemarie Schwarzenbach, mit der Breslauer 1933 Spanien bereiste, ist auf einfühlsame Weise jene Mischung aus Verlorenheit und trotziger Selbstbestimmtheit zu sehen, die der Porträtierten sehr nahekommt.
Gereist ist Marianne Breslauer viel: 1931 ist sie in Palästina, in Griechenland, in Ägypten. Mit ihrem späteren Ehemann, dem Kunsthändler Walter Feilchenfeld, emigriert sie in die Schweiz, bekommt Kinder – und hört einfach auf zu fotografieren. Das ist unbegreiflich und doch konsequent: Die Fotografie sei für sie Ausdruck von Lebensfreude gewesen, sagte sie. Dann hatte sie anderes vor, Kunsthandel, Familie. Das Künstlerdasein war für sie nur ein Zwischenstadium.
Die 1909 geborene Marianne Breslauer, Tochter eines Architekten, hatte im Berliner Lette-Verein eine Fotografenlehre gemacht; dort erhielten Mädchen der niederen Stände eine Ausbildung, dort konnten sich aber auch höhere Töchter in den neuen Techniken unterweisen lassen. Das war 1927 durchaus ungewöhnlich, und auch der weitere Lebensweg der Künstlerin ist nicht gerade konventionell: sie geht nach Paris, trifft dort Man Ray, fotografiert aber eher dokumentarisch die Tristesse der Clochards an der Seine und das Wohlleben der Oberschicht bei den Pferderennen von Longchamp; sie arbeitet in Berlin für Illustrierte und Modemagazine, und als die Nazis an die Macht kommen, flieht sie in die Schweiz, wo sie Kunsthändlerin wird. Ganze zehn Jahre hat sie als Fotografin gearbeitet, diese aber haben es in sich: die Ausstellung zeigt eine Künstlerin, die sich – in der Tradition von Werkbund und Bauhaus – ganz dem "Neuen Sehen" verpflichtet fühlt, dem sachlichen, streng komponierten Bild jenseits der Sozialromantik, das aber trotzdem Außenseiter und das scheinbar Nebensächliche zum Thema macht.
Marianne Breslauers Stärke war die Porträt-Fotografie, und ihre Bilder von Künstlerkollegen und Freundinnen zeigen etwas vom Berliner Flair der 1920iger und Anfangs-Dreißiger-Jahre: kurz nach der Wirtschaftskrise gab es dort eine Schicht völlig unangepasster, sich androgyn stylender Mädchen, die die üblichen Rollenmuster in Frage stellten, die einfach arbeiten und sich selbst verwirklichen wollten. Breslauer fotografierte vor allem für den Ullstein-Verlag – und zwar sowohl Arbeitermädchen als auch Modistinnen, Akrobaten, Tänzerinnen, Zirkuskinder, Mannequins. Man spürt das Filmische des Blicks, der in Serien denkt, man ist überrascht über die erotische Freizügigkeit dieser Frauen am Badestrand, die selbstgewiss ihre schönen Körper zeigen – es gab, kurz vor den Nazis, auch eine andere, eine an den eigenen Bedürfnissen orientierte Leiblichkeit, sagt Kurator Martin Gasser:
"Tatsächlich ist es so: viele der Frauen, die in diesen Fotografien erscheinen, sind ihre Freundinnen, die sie entweder beobachtet bei der Arbeit oder mit ihnen bestimmte Dinge inszeniert, ihre Bildvorstellungen umsetzt; und das ist schon speziell: sie gehört zu diesen neuen Frauen, sie selbst ist eine dieser Frauen, die sich eine neue Identität suchen. Für sie als Fotografin, mit einem Beruf, der nun vermehrt für Frauen zugänglich ist ... ich denk, da passen Dinge zusammen."
Gleichzeitig hat Marianne Breslauer atmosphärisch starke Stadt-Aufnahmen geschaffen, oft in der Aufsicht, aus der Höhe gesehen: die von einem Baum dominierte Lützowbrücke in Berlin, Passanten vor der Galerie Lafayette und einer Metrostation in Paris, verlassene Stühle und Morgennebel in den Jardins du Luxembourg.
Sozialkritische Reportage wollte Breslauer nicht machen. Sie zeigte eher das selbstbewusste Gegenbild zur allgemeinen Misere: weibliche Angestellte, berufstätige Mütter, emanzipierte Ehefrauen. Noch in den Frontalporträts der lesbischen Schweizer Schriftstellerin Annemarie Schwarzenbach, mit der Breslauer 1933 Spanien bereiste, ist auf einfühlsame Weise jene Mischung aus Verlorenheit und trotziger Selbstbestimmtheit zu sehen, die der Porträtierten sehr nahekommt.
Gereist ist Marianne Breslauer viel: 1931 ist sie in Palästina, in Griechenland, in Ägypten. Mit ihrem späteren Ehemann, dem Kunsthändler Walter Feilchenfeld, emigriert sie in die Schweiz, bekommt Kinder – und hört einfach auf zu fotografieren. Das ist unbegreiflich und doch konsequent: Die Fotografie sei für sie Ausdruck von Lebensfreude gewesen, sagte sie. Dann hatte sie anderes vor, Kunsthandel, Familie. Das Künstlerdasein war für sie nur ein Zwischenstadium.