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Fotovoltaik-Fliesen
Wenn die Straße zum Kraftwerk wird

Auf vielen Dächern gibt es heute Fotovoltaik-Anlagen. Künftig aber sollen sogar Straßen mit Solarzellen ausgestattet werden. Das ist das Ziel eines vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Forschungsprojektes, in dem robuste Solarzellen entwickelt werden, die sogar den Druck von Auto- und Lkw-Reifen aushalten.

Von Tim Schröder | 12.07.2016
    Der weltweit erste Solar-Fahrradweg, die "Solaroad", im Ortsteil Krommenie in den Niederlanden am 22. Oktober 2014.
    In den Niederlanden gibt es bereits einen Solar-Fahrradweg, die "Solaroad", im Ortsteil Krommenie der Gemeinde Zaanstadt. (imago / Bas Beentjes )
    Der Strom liegt auf der Straße. Das klingt verwegen, wenn man an Fotovoltaik-Anlagen auf Hausdächern denkt. Viel zu zerbrechlich wirken die Module. Der Ingenieur Donald Müller Judex von der bayerischen Firma Solmove aber hat eine kompakte Solarzelle entwickelt, die im Herbst erstmals auf die Straße kommen soll. Die Idee kam ihm vor einigen Jahren auf einer Radtour durch das Allgäu. Er war auf der Suche nach einem Hausdach, das er mieten wollte, um darauf eine Solaranlage zu installieren:
    "Ich habe aber keines gefunden, weil alle Dächer bereits bebaut waren. So bin ich drei Tage über leere, sonnenbeschienene Landstraßen gefahren und dachte mir am Ende: Hey, Platz ist hier eigentlich genug. Warum soll man nicht die Straßen nutzen, um Strom zu erzeugen."
    Das Potenzial dafür sei riesig, sagt er. Allein in Deutschland gebe es fast 1,5 Milliarden Quadratmeter versiegelter Flächen, auf denen man Solarstrom erzeugen könnte. Neben Straßen zählen dazu Parkplätze, Fuß- und Radwege. Ein normales Modul für das Dach wäre dafür allerdings nicht geeignet. Deshalb geht Donald Müller Judex einen anderen Weg:
    "Wir haben einen Teppich entwickelt, den man quasi auf die Straße ausrollen kann, ohne die Straße vorher verändern zu müssen. Was man kennt ist dieser Fliesenteppich, den man früher hatte. So kleine Fliesen auf so einer Art Nylonnetz draufgeklebt."
    Die Solarfliesen haben eine Breite von 85 Millimetern. Sie werden auf Textilgewebe geklebt und miteinander verdrahtet. Die Zwischenräume sind mit Kautschuk gefüllt, damit alles flexibel verbunden ist. In diesem Herbst wird Donald Müller Judex seinen ersten Solarteppich verlegen.
    "Es gibt einen Auftrag, vor dem Haus der Zukunft in Berlin Module zu verlegen, ein Demonstratorprojekt, wenn man das so ganz formal bezeichnen wollte."
    Fliesenteppich ist flexibler als Betonplatten in den Niederlanden
    Das Projekt soll zeigen, dass die Solarfliesen im Alltag funktionieren. Sie sind wie ein Sandwich aufgebaut. Zwischen zwei Glasschichten sitzt eine fest verklebte handelsübliche Fotovoltaikzelle mit einem Wirkungsgrad von 15 Prozent. Damit niemand auf dem Glas ausrutscht, hat die Oberfläche eine rautenförmige Noppenstruktur. Inzwischen hat Müller Judex auch Anfragen von Gemeinden enthalten, die sich für den Solarteppich interessieren.
    "So wollen wir zum Beispiel mit der Gemeinde Bad Hersfeld ein Stück auf dem sogenannten Radweg R1 mit der solaren Oberfläche belegen. Der Radweg R1 ist der Radweg der deutschen Einheit, der von Bonn nach Berlin geht und auch durch Bad Hersfeld."
    In den Niederlanden wurde bereits ein ähnlicher Radweg gebaut. Dieser besteht allerdings aus großen Betonplatten, in die die Solarzellen eingearbeitet wurden. Der Fliesenteppich ist deutlich flexibler. Als Straßenbelag eignet er sich aber noch nicht, weil die Belastungen extrem sind. Bei Bremsmanövern könnten sich die Schichten im Fliesenteppich voneinander lösen. Zudem muss die Glasoberfläche noch kratzfester werden. Donald Müller Judex hat sich deshalb mit anderen Experten zusammen getan.
    "So habe ich gesucht und gefunden, habe Fraunhofer-Institute gefunden und Universitäten, unter anderem auch das RWTH Aachen, das dafür bekannt ist, dass es in Sachen Straßenbau fortschrittlich ist."
    Auf die Transmission kommt es an
    In einem Verbundprojekt, das vom Bundeswirtschaftsministerium mit 200.000 Euro unterstützt wird, entwickeln die Partner jetzt unter anderem neue besonders kratzfeste Oberflächen. Sie versuchen, in die Glasnoppen Partikel aus Korund einzuarbeiten, einer extrem stabilen Aluminium-Oxid-Verbindung. Diese sollen verhindern, dass Autoreifen das Glas blank schleifen. Wie widerstandsfähig die neuen Oberflächen sind, untersuchen die Ingenieure um Lukas Renken vom Institut für Straßenwesen der RWTH mit einer speziellen Maschine.
    "Wir haben einen konventionellen Autoreifen, der rotiert und unterhalb dieses Reifens haben wir einen Probekörper von unserem Material, das wir gerne testen möchten. Wir können uns genau anzuschauen, wie verändert sich die Oberfläche. Und zwar zum einen, was die Rutschfestigkeit angeht, zum anderen, was die Durchlässigkeit, die Transmissionseigenschaft angeht."
    Und auf die Transmission kommt es an, sagt Lukas Renken. Zerkratzt das Glas, wird es milchig und weniger Licht gelangt hindurch. Die Stromausbeute ist geringer. Renken will die Solarfliesen künftig nicht nur auf Straßen, sondern auch auf Parkplätzen einsetzen. Nach Angaben des "Bundesverbandes Parken" gibt es in Deutschland allein an öffentlichen Straßen 2,6 Millionen Stellplätze. Hinzu kommen fast 5 Millionen Stellplätze vor Einkaufszentren, Sportplätzen oder auf Park-and-Ride-Flächen.
    Vor allem im Hinblick auf den Ausbau der Elektromobilität sei diese Lösung sinnvoll, sagt Renken:
    "Elektrofahrzeuge parken dann in ihren Parkbuchten und können in ihrer Parkzeit unmittelbar mit dem produzierten Strom aufgeladen werden."