Heinlein: Der israelische Abzug aus dem Gazastreifen - international wurde das Ende der Besatzung im Sommer als ein wichtiger Schritt für den Frieden in Nahost gefeiert. Doch für die Millionen Palästinenser in dem dicht besiedelten Gebiet änderte sich nur wenig. Zwar verschwanden die Siedler und Soldaten, doch der Gazastreifen blieb isoliert und wirtschaftlich ohne Perspektive. Die Israelis behielten die Kontrolle über die Grenzen und seit Wochen wurde deshalb zäh verhandelt über eine Grenzöffnung, zunächst ohne Ergebnis, nun der Durchbruch nach Vermittlung durch US-Außenministerin Rice. Der Grenzübergang Rafah zu Ägypten wird Ende November geöffnet. Es gibt künftig einen Transitverkehr zum Westjordanland und auch der Bau eines Seehafens in Gaza ist geplant. Ein großer Schritt nach vorn, so Außenministerin Rice, über den wir jetzt reden wollen mit dem Fatah-Chef in Gaza, Abdallah Frangi. Er ist gleichzeitig palästinensischer Generaldelegierter in Deutschland. Guten Morgen, Herr Frangi, das Ende der Isolation, was bedeutet diese Grenzöffnung für die Menschen im Gazastreifen?
Frangi: Das bedeutet sehr viel. Die Menschen brauchen jetzt das Gefühl, dass sie frei sind und dass sie einfach ein- und ausreisen vom Gazastreifen, ohne dass sie immer wieder gestoppt oder daran gehindert sind durch die israelischen Maßnahmen. Es ist großer Schritt, und es ist auch der Frau Rice, der Außenministerin aus den USA, gelungen, die Israelis davon zu überzeugen. Das ist ein notwendiger Schritt für die Palästinenser und ein notwendiger Schritt für die Fortsetzung der Gespräche zwischen Israelis und Palästinensern, denn ohne diesen Schritt werden wir keine wirtschaftliche Entwicklung hier in Gaza haben, werden wir auch keine richtige Ruhe im Gazastreifen, denn bis dahin jetzt sind wir wie in einem großen Gefängnis, bis dahin haben wir keine Möglichkeit, ein- und ausreisen zu können.
Heinlein: Wirtschaftlicher Aufschwung ist notwendig, sagen Sie. Auch die Grenze nach Israel soll für Waren und Personen durchlässiger werden. Ist diese stärkere wirtschaftliche Zusammenarbeit im Israel auch die Voraussetzung für eine politische Klimaverbesserung in Richtung Frieden?
Frangi: Mit Sicherheit. Wir haben das auch erlebt 1994, 1995, 1996, als der Herr Rabin der Ministerpräsident Israels war. Wir haben auch sehr gute Zusammenarbeit, wir haben auch davon profitiert wie die Israelis auch. Ich glaube, jetzt ist es auch für die Palästinenser eine notwendige Maßnahme, denn wir haben über 70 Prozent Arbeitslose in Palästina und im Gazastreifen vor allem, und ohne dass die Wirtschaft jetzt richtig läuft, werden wir weiterhin die Belastung haben, dass die Menschen hier keine Perspektive für die Zukunft haben, und deswegen ist die Öffnung jetzt nach Ägypten, die Öffnung zur Außenwelt eine notwendige Maßnahme.
Heinlein: Ist diese Grenzöffnung auch ein Prestigeerfolg für Ministerpräsident Abbas, stärkt dies sein Ansehen in der Bevölkerung?
Frangi: Mit Sicherheit. Präsident Abbas sammelt jetzt Pluspunkte immer wieder, obwohl die Lage sehr schwierig ist, und daher kann man sagen, das ist für ihn und für seine Politik ein Pluspunkt.
Heinlein: Ist es auch ein Pluspunkt für Ihre Fatah wird es die Hamas im Januar bei den Parlamentswahlen nun schwieriger haben?
Frangi: Ich meine, wir haben es schwer gehabt, weil wir die ganze Zeit darunter gelitten haben als Bewegung, die die Regierung inne hat, und als Bewegung, die nicht in der Lage war, in den letzten fünf Jahren die wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben, die nicht in der Lage war, diese Konfrontation zu beenden. Aber ich glaube, der Rückzug jetzt der Israelis vom Gazastreifen und die Tatsachse, dass wir jetzt über den Grenzpunkt zwischen uns und Ägypten verfügen können, kann man sagen, ist ein Pluspunkt für Abbas, für die Regierung, aber auch für die Partei, die bis jetzt die Regierung stellt.
Heinlein: Langer Streitpunkt bei den Verhandlungen war ja die israelische Mitkontrolle der Grenzen. Nun ist Israel in einer Form der Videoüberwachung nur noch beteiligt an der Grenzüberwachung. Ist das für Sie eine Verletzung der palästinensischen Souveränität des Gazastreifens?
Frangi: Ich meine, das müssen wir vorläufig hinnehmen, aber ich hoffe, dass dieser Zustand beendet wird, und das kann beendet werden, wenn wir als Nachbarn miteinander so einfach verhandeln und als Nachbarn uns gegenseitig akzeptieren. Wenn die Israelis uns als Partner akzeptieren in diesem Prozess, dann sind die Chancen für einen zukünftigen Frieden in dieser Region viel größer, denn die Palästinenser brauchen auch das Gefühl, dass sie selbständig sind, dass sie einfach Partner sind für die Israelis und nicht, dass sie immer einer gewisse Bevormundung von den Israelis und einer gewissen Kontrolle unterliegen.
Heinlein: Können Sie denn garantieren, dass der Schmuggel von Waffen und Sprengstoff wirksam verhindert werden kann aus Ägypten in den Gazastreifen? Das ist ja die große israelische Sorge.
Frangi: Ich meine, das verstehe ich auch, aber auf der anderen Seite haben wir mit den Ägyptern vereinbart, dass wir hier eine sehr gute Zusammenarbeit machen werden. Wir haben das auch bewiesen in den letzten Tagen und Monaten. Der Schmuggel ist nicht mehr so intensiv wie früher, und ich glaube, wir sind einig mit den Ägyptern, aber auch durch die Unterstützung der Europäer, die sind jetzt auch eingeschaltet, die jetzt auch eine gewisse Aufgabe an der Grenze zwischen uns und Ägypten haben, die werden auch eine gewisse Garantie für die Israelis geben können.
Heinlein: Rechnen Sie damit, dass Israel diese Grenzöffnung auch benutzt in Zukunft als Druckmittel auf Sie, auf die palästinensische Führung, sollte es erneut Terroranschläge geben?
Frangi: Sie benützen das oft, ob jetzt Terroranschläge vorhanden sind oder nicht. Ich meine, sie haben das nicht mit uns so verhandelt als gleichberechtigter Partner, und das ist eben das Traurige. Wir vermissen die Politik von Rabin damals, und wir vermissen die Politik von der Regierung damals, die die Palästinenser als Partner, und damals haben wir auch mit Sicherheit den Israelis bewiesen, dass wir auch fähig sind zum Frieden mit den Israelis. Wir haben bewiesen, dass wir auch bereit sind, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Das Misstrauen zwischen uns ist sehr groß, und das Misstrauen zwischen uns und der jetzigen Regierung ist sehr groß geworden.
Heinlein: Misstrauen Sie auch den Versprechungen, ein Seehafen soll gebaut werden und der zerstörte Flughafen soll wiederaufgebaut werden? Das haben Sie ja schon alles mal erlebt. Trauen Sie jetzt diesen Versprechungen diesmal?
Frangi: Wir arbeiten daran. Wir versuchen, so weit zu kommen. Wir rechnen mit der Unterstützung der Weltgemeinschaft, mit den Europäern, mit den USA, aber wir haben diese Versprechen, wissen Sie, mehr als sechs, sieben Jahre jetzt inzwischen, und ich glaube, dass wir inzwischen gelernt haben, ein bisschen mehr Geduld zu haben als die anderen.
Heinlein: Vielen Dank für das Gespräch.
Frangi: Das bedeutet sehr viel. Die Menschen brauchen jetzt das Gefühl, dass sie frei sind und dass sie einfach ein- und ausreisen vom Gazastreifen, ohne dass sie immer wieder gestoppt oder daran gehindert sind durch die israelischen Maßnahmen. Es ist großer Schritt, und es ist auch der Frau Rice, der Außenministerin aus den USA, gelungen, die Israelis davon zu überzeugen. Das ist ein notwendiger Schritt für die Palästinenser und ein notwendiger Schritt für die Fortsetzung der Gespräche zwischen Israelis und Palästinensern, denn ohne diesen Schritt werden wir keine wirtschaftliche Entwicklung hier in Gaza haben, werden wir auch keine richtige Ruhe im Gazastreifen, denn bis dahin jetzt sind wir wie in einem großen Gefängnis, bis dahin haben wir keine Möglichkeit, ein- und ausreisen zu können.
Heinlein: Wirtschaftlicher Aufschwung ist notwendig, sagen Sie. Auch die Grenze nach Israel soll für Waren und Personen durchlässiger werden. Ist diese stärkere wirtschaftliche Zusammenarbeit im Israel auch die Voraussetzung für eine politische Klimaverbesserung in Richtung Frieden?
Frangi: Mit Sicherheit. Wir haben das auch erlebt 1994, 1995, 1996, als der Herr Rabin der Ministerpräsident Israels war. Wir haben auch sehr gute Zusammenarbeit, wir haben auch davon profitiert wie die Israelis auch. Ich glaube, jetzt ist es auch für die Palästinenser eine notwendige Maßnahme, denn wir haben über 70 Prozent Arbeitslose in Palästina und im Gazastreifen vor allem, und ohne dass die Wirtschaft jetzt richtig läuft, werden wir weiterhin die Belastung haben, dass die Menschen hier keine Perspektive für die Zukunft haben, und deswegen ist die Öffnung jetzt nach Ägypten, die Öffnung zur Außenwelt eine notwendige Maßnahme.
Heinlein: Ist diese Grenzöffnung auch ein Prestigeerfolg für Ministerpräsident Abbas, stärkt dies sein Ansehen in der Bevölkerung?
Frangi: Mit Sicherheit. Präsident Abbas sammelt jetzt Pluspunkte immer wieder, obwohl die Lage sehr schwierig ist, und daher kann man sagen, das ist für ihn und für seine Politik ein Pluspunkt.
Heinlein: Ist es auch ein Pluspunkt für Ihre Fatah wird es die Hamas im Januar bei den Parlamentswahlen nun schwieriger haben?
Frangi: Ich meine, wir haben es schwer gehabt, weil wir die ganze Zeit darunter gelitten haben als Bewegung, die die Regierung inne hat, und als Bewegung, die nicht in der Lage war, in den letzten fünf Jahren die wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben, die nicht in der Lage war, diese Konfrontation zu beenden. Aber ich glaube, der Rückzug jetzt der Israelis vom Gazastreifen und die Tatsachse, dass wir jetzt über den Grenzpunkt zwischen uns und Ägypten verfügen können, kann man sagen, ist ein Pluspunkt für Abbas, für die Regierung, aber auch für die Partei, die bis jetzt die Regierung stellt.
Heinlein: Langer Streitpunkt bei den Verhandlungen war ja die israelische Mitkontrolle der Grenzen. Nun ist Israel in einer Form der Videoüberwachung nur noch beteiligt an der Grenzüberwachung. Ist das für Sie eine Verletzung der palästinensischen Souveränität des Gazastreifens?
Frangi: Ich meine, das müssen wir vorläufig hinnehmen, aber ich hoffe, dass dieser Zustand beendet wird, und das kann beendet werden, wenn wir als Nachbarn miteinander so einfach verhandeln und als Nachbarn uns gegenseitig akzeptieren. Wenn die Israelis uns als Partner akzeptieren in diesem Prozess, dann sind die Chancen für einen zukünftigen Frieden in dieser Region viel größer, denn die Palästinenser brauchen auch das Gefühl, dass sie selbständig sind, dass sie einfach Partner sind für die Israelis und nicht, dass sie immer einer gewisse Bevormundung von den Israelis und einer gewissen Kontrolle unterliegen.
Heinlein: Können Sie denn garantieren, dass der Schmuggel von Waffen und Sprengstoff wirksam verhindert werden kann aus Ägypten in den Gazastreifen? Das ist ja die große israelische Sorge.
Frangi: Ich meine, das verstehe ich auch, aber auf der anderen Seite haben wir mit den Ägyptern vereinbart, dass wir hier eine sehr gute Zusammenarbeit machen werden. Wir haben das auch bewiesen in den letzten Tagen und Monaten. Der Schmuggel ist nicht mehr so intensiv wie früher, und ich glaube, wir sind einig mit den Ägyptern, aber auch durch die Unterstützung der Europäer, die sind jetzt auch eingeschaltet, die jetzt auch eine gewisse Aufgabe an der Grenze zwischen uns und Ägypten haben, die werden auch eine gewisse Garantie für die Israelis geben können.
Heinlein: Rechnen Sie damit, dass Israel diese Grenzöffnung auch benutzt in Zukunft als Druckmittel auf Sie, auf die palästinensische Führung, sollte es erneut Terroranschläge geben?
Frangi: Sie benützen das oft, ob jetzt Terroranschläge vorhanden sind oder nicht. Ich meine, sie haben das nicht mit uns so verhandelt als gleichberechtigter Partner, und das ist eben das Traurige. Wir vermissen die Politik von Rabin damals, und wir vermissen die Politik von der Regierung damals, die die Palästinenser als Partner, und damals haben wir auch mit Sicherheit den Israelis bewiesen, dass wir auch fähig sind zum Frieden mit den Israelis. Wir haben bewiesen, dass wir auch bereit sind, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Das Misstrauen zwischen uns ist sehr groß, und das Misstrauen zwischen uns und der jetzigen Regierung ist sehr groß geworden.
Heinlein: Misstrauen Sie auch den Versprechungen, ein Seehafen soll gebaut werden und der zerstörte Flughafen soll wiederaufgebaut werden? Das haben Sie ja schon alles mal erlebt. Trauen Sie jetzt diesen Versprechungen diesmal?
Frangi: Wir arbeiten daran. Wir versuchen, so weit zu kommen. Wir rechnen mit der Unterstützung der Weltgemeinschaft, mit den Europäern, mit den USA, aber wir haben diese Versprechen, wissen Sie, mehr als sechs, sieben Jahre jetzt inzwischen, und ich glaube, dass wir inzwischen gelernt haben, ein bisschen mehr Geduld zu haben als die anderen.
Heinlein: Vielen Dank für das Gespräch.