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Frank-Stella-Ausstellung
Ohne jede Illusion

Renovierungsarbeiten ist es zu verdanken, dass im Baseler Museum für Gegenwartskunst derzeit lange nicht gezeigte Werke von Frank Stella zu sehen sind. Während die Zeichnungen des Amerikaners den Eindruck erwecken, er gehöre einer Sekte an, vermitteln die Gemälde einen Eindruck von Freiheit und Lässigkeit.

Von Christian Gampert | 14.05.2015
    Frank Stellas Werk "Lake City" im Baseler Museum für Gegenwartskunst, daneben ein Kameramann.
    Frank Stellas Werk "Lake City" im Baseler Museum für Gegenwartskunst. (dpa/picture alliance/Georgios Kefalas)
    Was ist das nun: Bildverweigerung? Minimalismus? Analytische Malerei? Die Frühphase des amerikanischen Künstlers Frank Stella ist eine Art Nullpunkt der Gegenwartskunst: In scharfer Abgrenzung zur aufgewühlten, emotionalen Gestik des Abstrakten Expressionismus formulierte Stella 1958 sein Programm: "what you see is what you see". Und man sieht auf diesen Bildern nicht gerade viel: nur unschöne, fahle Farbe auf Leinwand, anfangs noch pastos, dann eher mechanisch aufgetragen. Farbbahnen, etwa so dick wie die Seiten der Keilrahmen. Diese Streifenbilder sind aber nur sehr entfernt mit der amerikanischen Flagge verwandt (wie bei Jasper Johns), man soll ja nichts assoziieren. Stellas Bilder haben keine Botschaft, keinen Gegenstand, sie sind nur da, als Bild-Ding, Bild-Gegenstand.
    Andererseits wählt Stella mit Bedacht suggestive Bildtitel, die sich meist auf Orte beziehen: Ein grüngelbes Querformat ist nach einem Park benannt, ein Werk mit hellroten Streifen und einer Art Farbfenster heißt "West Broadway", ein tiefschwarzes Rechteck mit schmutzigen Weiß-Mustern nennt sich "Morro Castle" nach einem untergegangenen Schiff. Das verführt zum Denken, das aber gleichzeitig verpönt ist - sagt Kuratorin Anita Haldemann.
    "Außergewöhnlich war, dass Stella eigentlich zur ersten Generation gehörte, die auf den Abstrakten Expressionismus bereits zurückschauen konnte. Diese Maler wie Pollock und de Kooning, die haben alle figürlich begonnen, die mussten über die Wiederaufnahme von Kubismus und Surrealismus das Figürliche überwinden. Er setzte gleich bei der Abstraktion an, von Anfang an, und ich glaube, deshalb konnte er auch so schnell so radikal werden."
    Die Basler Ausstellung führt nun vor, wie Stella sich über verschiedene Serien fortentwickelte: Nach den schwarzen Bildern kamen Werke, deren Keilrahmen U- oder T- oder V-förmig zugeschnitten waren und sich so den im Bild vorhandenen Farblinien anpassten. Diese "shaped canvasses" haben schon einen Zug ins Objekthafte, und gemalt wird mit Acryl und Metallpuder. Um 1964 kommt die Pop-Art ins Spiel: Riesige grellbunte Farbbahnen werden ineinander geflochten. Allerdings wirkt das wie mit dem Zirkel gezogen, immer im Elfenbeinturm der Geometrie ausgedacht.
    Ein buntes großes Gemälde an einer weißen Wand in einem Museum, davor Holzstühle.
    Frank Stellas Werk "Damascus Gate. Variation I" (dpa/picture alliance/Bernd SettnikGeorgios Kefalas)
    Dann der entscheidende Schritt ins Dreidimensionale: Die Farblinien kragen nun reliefartig aus, in den Raum hinein, wie Erker oder Balkone. Später werden diese skulpturalen Arbeiten immer barocker werden, in die Moderne übersetzte Ornamentik, geometrisierte bunte Wundertüten, ein Jahrmarkt der Farben und Formen. Allerdings kommt dieses reife Werk, für das Stella eigentlich bekannt ist, in der Ausstellung nicht mehr vor, der Fokus liegt auf der Frühphase. Und leider, leider haben die Basler nicht gerade viel dazugeliehen, sondern schöpfen vor allem aus eigenen Beständen.
    Wunderschön zu einem Raumeindruck gruppiert
    Rein organisatorisch ist das sinnvoll, denn das Basler Kunstmuseum wird renoviert, gegenüber entsteht ein neuer Ausstellungs-Flügel, und so hat man die Glanzlichter der Sammlung nach Madrid verliehen, zeigt die Holbeins und Cranachs im "Museum der Kulturen", hängt die Moderne von Cézanne bis Richter ins "Museum für Gegenwartskunst" und holt lang nicht Gezeigtes aus dem Depot - zum Beispiel die Großformate von Frank Stella. Und vor allem: seine Zeichnungen.
    "Stella hat sie "working drawings" genannt, also Arbeitszeichnungen. Er betonte die Funktion dieser Blätter, es waren wirklich Zeichnungen, die im Atelier herumlagen, Blätter, auf denen er seine Ideen festhielt."
    Die Zeichnungen zeigen einen von Geometrie und Nüchternheit quasi besessenen Künstler, und wenn man die über 300 Blätter abschreitet, hat man den Eindruck: da gehört einer einer Sekte an. Erst die Gemälde vermitteln - in den vorgegebenen Mustern - so ein Grundgefühl von Lässigkeit, ja sogar Freiheit. Und sie sind in Basel wunderschön zu einem Raumeindruck gruppiert.