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Frankfurt
Politik streitet über Konsequenzen des Diesel-Fahrverbots

Nach dem Urteil zu Diesel-Fahrverboten in Frankfurt gibt es Streit in der Bundesregierung. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) fordert ihren Kabinettskollegen Andreas Scheuer (CSU) auf, endlich die Hardware-Nachrüstung voran zu treiben. Doch der Verkehrsminister lehnt das ab.

Von Mathias von Lieben | 06.09.2018
    Hamburg: Ein Fahrverbotsschild für Fahrzeuge mit Diesel-Motor bis Euro5 steht an der Max-Brauer-Allee (Aufnahme mit Drohne).
    Fahrverbot für Diesel-Fahrzeuge (Daniel Bockwoldt/dpa)
    Nun also auch Frankfurt. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat entschieden: Die Stadt muss ein Dieselfahrverbot zur Verbesserung der Luftqualität einführen. Priska Hinz, hessische Umweltministerin von den Grünen, ließ ihrem Ärger darüber im Hessischen Rundfunk freien Lauf:
    "Die Automobilindustrie hat nicht nur uns beschissen, sondern auch die Verbraucherinnen und Verbraucher. Damit waren die Grenzwerte und die Luftreinhaltepläne obsolet und alle Maßnahmen, die ja eingeleitet waren".
    Hinz äußerte auch Kritik an der Bundesregierung:
    "Ich finde es empörend, dass die Bundesregierung nicht bereit ist die Hardwarenachrüstung möglich zu machen."
    Frankfurt wird eine Signalwirkung haben
    Zum Urteil: Von Februar 2019 an dürfen Diesel-Fahrzeuge der Abgasnorm Euro 4 und älter nicht mehr in die Stadt fahren. Für Euro-5-Diesel soll ein Fahrverbot ab September 2019 gelten. Erstmalig bei Urteilen über Fahrverbote kommt hinzu: Sie gelten ab Februar 2019 auch für Benziner der Norm Euro 1 und 2. In Frankfurt wurden im vergangenen Jahr auf mehr als 100 Straßen die Grenzwerte überschritten. Da der Erlass und die Fortschreibung des Luftreinhalteplans Ländersache ist, hatte die Deutsche Umwelthilfe gegen das Land Hessen geklagt. Deren Geschäftsführer Jürgen Resch bezeichnete das Urteil im Hessischen Rundfunk als wichtiges Signal:
    "Ich bin mir eigentlich sicher, dass die Signalwirkung von Frankfurt mit der größten Umweltzone auch ein Ruck in der Bundesregierung geben muss. Die Kanzlerin muss jetzt im September ihre angekündigte Entscheidung so treffen, dass die Millionen betroffenen Dieselfahrer Hilfe erhalten und nicht wie seit drei Jahren für die Profitinteressen einiger weniger Konzerne einsetzt."
    Uneins bei der Hardware-Nachrüstung
    Die Frage nach technischen Nachrüstungen an Dieselfahrzeugen treibt die Bundesregierung seit Langem um. Bis Ende September hat Bundeskanzlerin Angela Merkel eine endgültige Entscheidung angekündigt – und stets auf unterschiedliche Haltungen in der Bundesregierung verwiesen. Bundesumweltministerin Svenja Schulze, SPD, dringt auf Hardware-Nachrüstungen, Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, CSU, ist dagegen. Svenja Schulze nutzt das neue Urteil nun, um den Druck auf ihren Kollegen zu erhöhen.
    Hardware-Nachrüstungen seien die einzige Möglichkeit weitere Fahrverbote zu vermeiden, sagte sie der Deutschen Presse Agentur. Das sei technisch und finanziell möglich – und zwar auf Kosten der Autobauer. Die Antwort kam prompt: Über einen Sprecher ließ Andreas Scheuer wissen, dass er bei seinem Nein zu Hardware-Nachrüstungen bei älteren Autos bleibe. Schulze solle die Milliarden-Kosten für umweltpolitisch fragwürdige Projekte aus ihrem eigenen Haushalt bereitstellen und das Geld – Zitat - aus ihrem Dienstzimmer rausschmeißen.
    Der Ton im Kabinett wird also rauer und der öffentliche Druck auf die Bundesregierung immer größer - auch von Seiten der Opposition. Andreas Scheuer werde zum Fahrverbotsminister, sagte Oliver Luksic, der verkehrspolitische Sprecher der FDP im Bundestag, der dpa. Jetzt helfe nur noch eine schnelle technische Nachrüstung von Euro-5-Fahrzeugen auf Kosten der Hersteller, fordert hingegen der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Oliver Krischer:
    "Scheuer und die Bundesregierung verweigern das immer noch. Ich habe kein Verständnis für eine Bundesregierung, die das immer noch versucht auszusitzen."
    Angesichts des neuen Fahrverbotes hat der Chef der Verbraucherzentrale Bundesverband, Klaus Müller, Soforthilfen für betroffene Diesel-Fahrer gefordert. In Frankfurt sollen bis 2020 erste Erfolge hinsichtlich der Schadstoffbelastung erkennbar sein. Die Städte Stuttgart und Aachen wurden bereits gerichtlich zu Fahrverboten verpflichtet. Hamburg führte sie als erste Großstadt freiwillig ein, nachdem das Bundesverwaltungsgericht im Februar den Weg für Dieselfahrverbote in Städten freigemacht hatte.