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Frankfurter Buchmesse
Junge Literatur aus Flandern und den Niederlanden

Auf der Frankfurter Buchmesse sind in diesem Jahr Flandern und die Niederlande Ehrengast. Dadurch erscheint noch mehr Literatur aus den Niederlanden in deutscher Sprache. Zudem sind die dortigen Verlage agile Vertreter der Autoren, Übersetzungsrechte ins Ausland zu veräußern. Schließlich ist ihr Buchmarkt relativ klein - aber vielfältig.

Von Holger Heimann |
    Bücherstapel
    Literatur aus den Niederlanden von Wytske Versteeg, Thomas Heerma van Voss, Joost de Vries und Peter Terrin. (imago stock&people)
    In Amsterdam laufen sie sich beständig über den Weg – Schriftsteller, Verleger, Kritiker. Die großartige Stadt ist das unbestrittene Zentrum einer sehr lebendigen niederländischen Literatur- und Verlagsszene. Zwar soll man in den Cafés früher – vor dem Touristenboom – ungestörter gewesen sein, aber beliebte Treffpunkte des lockeren Austauschs sind sie noch immer. Und auch die vielen kleinen und mittelgroßen Literaturverlage befinden sich nahezu alle nah beieinander im Zentrum der Stadt, viele in grandiosen alten Bürgerhäusern entlang der Grachten. Etablierte und im deutschen Sprachraum viel gelesene Autorinnen und Autoren, wie Harry Mulisch, Cees Nooteboom, Margriet de Moor und Connie Palmen, starteten von hier aus ihren literarischen Triumphzug. Nun wollen ihnen jüngere nachfolgen – mit Büchern, die vielfach zum ersten Mal auf Deutsch zu entdecken sind. Dabei ist der Strom an interessanter Literatur, die Anspruch und Unterhaltung miteinander verbindet, ohnehin seit Jahren nicht abgerissen. Der Verleger Christoph Buchwald, der zusammen mit seiner Frau den renommierten kleinen Cossee Verlag in der Amsterdamer Kerkstraat leitet, erklärt das auch mit exzellenten Rahmenbedingungen.
    "Zum einen haben die Niederländer und die Flamen eine sehr großzügige Autorenförderung. Manche leben ausschließlich davon. Dieses Fördersystem hat dazu beigetragen, dass Autoren überhaupt in der Lage sind, Bücher zu schreiben und zu publizieren. Hinzu kommt, dass – verglichen mit der Größe des Landes – vor allem in den Niederlanden sehr viele Verlage arbeiten. Das hat sehr viel beigetragen zur Lebendigkeit dieser Literatur, zur Vielfalt."
    Wytske Versteeg erzählt von der Zerbrechlichkeit der Menschen
    Die junge Schriftstellerin Wytske Versteeg, die mit großem Rucksack auf dem schmalen Rücken durch das Amsterdamer Zentrum führt, musste sich gar nicht erst auf die Suche machen. Sie wurde entdeckt – als sie bei einem der zahlreichen literarischen Wettbewerbe auftrat und gewann. Die heute 33-Jährige wirkte von Beginn an nicht wie eine unbedarfte Anfängerin. Sie wusste, wovon sie erzählen wollte – von der Zerbrechlichkeit der Menschen nämlich – und vor allem – wie. Sie hatte lange geprobt.
    "Ich habe während meines Studiums immer geschrieben, hatte aber das Gefühl, ich habe noch nicht die Erfahrung, um einen Roman zu schreiben. Ich war einfach als Mensch noch nicht fähig dazu, das war mein Gefühl. Ich bin sehr froh, dass ich damit gewartet habe. Ich denke, das war eine gute Entscheidung."
    Debütiert aber hat Wytske Versteeg genau genommen mit einem Sachbuch – einer Studie über Obdachlosigkeit. Das Thema hatte sie schon während ihres Politikwissenschaftsstudiums beschäftigt. Heute arbeitet sie noch immer an der Uni, doch längst ist das literarische Schreiben zur Hauptsache geworden. In ihrem ersten ins Deutsche übersetzten Roman "Boy" erzählt sie von einer Frau, die über den Selbstmord ihres adoptierten Sohnes nicht hinwegkommt:
    "Die angespülte Leiche meines Sohnes ist von einem zufällig vorbeikommenden Spaziergänger und dessen Hund entdeckt worden. Manchmal versuche ich, mir vorzustellen, wie sich das genau abgespielt hat, ob es eine Frau war, die ihn gefunden hat, und was das für ein Hund war. Wie sie dort beide gestanden haben und im Sand eingesunken sind. Ich stelle mir eine kleine dicke Frau vor, mit grauen Haaren und einem Dufflecoat, denn es war kalt am Meer. In meiner Vorstellung ist ihr Hund nicht so ein Kläffer, der mit dem Knochen abhaut, sondern ein Schäferhund oder so. Ein treues Tier, das neben Boy stehengeblieben ist."
    Die wütende und verbitterte Ich-Erzählerin kann sich und der Welt nicht verzeihen und sucht verzweifelt nach Schuldigen. Denn so viel steht fest: Der Junge, schon durch seine dunkle Hautfarbe als anders markiert, wurde in den Selbstmord getrieben. Wytske Versteeg zeichnet in ihrem klug komponierten und psychologisch genau gearbeiteten Roman das überzeugende Bild einer immer einsamer werdenden Frau. Und sie stellt die Frage, ob ein Land wie die Niederlande offen für Menschen ist, die anders sind. Welches Maß an Abweichung ist in einer Schulklasse erlaubt?
    "Es war merkwürdig, als ich das Buch schon geschrieben hatte, es war schon im Laden, gab es in der Zeitung eine Geschichte über einen Jungen, der ganz ähnlich war wie Boy. Er hatte auch andere Kleider als seine Mitschüler, und er wurde auch gemobbt. Er hat sich dann auch umgebracht. Ich denke, dass Mobbing immer ein aktuelles Thema ist. Die Niederländer denken immer, wir sind so tolerant und alles ist hier möglich. So ist es sehr schwierig, über Rassismus zu sprechen, dass eine Diskussion entsteht, wie gehen wir miteinander um, wie ist diese Gesellschaft?"
    Kleiner niederländischer Buchmarkt und Übersetzungsrechte fürs Ausland
    Ihr Roman wurde nicht nur ins Deutsche, sondern auch ins Dänische und Türkische übertragen. Buchausgaben in England und Italien werden gerade vorbereitet. Das breite Interesse hat natürlich in erster Linie mit der Qualität des Buches zu tun. Aber es gibt noch andere Gründe. Niederländische Verlage sind sehr agile Vertreter ihrer Autoren, wenn es darum geht, Übersetzungsrechte ins Ausland zu veräußern. Denn sie selbst sind darauf angewiesen, einen guten Teil Ihres Geldes mit Lizenzgeschäften zu erwirtschaften. Der niederländischsprachige Buchmarkt ist einfach zu klein, als dass sich allein mit den Verkäufen an Leser in Flandern und den Niederlanden ausreichend verdienen ließe. Hinzu kommt, dass Übersetzungen ausländischen Verlagen besonders schmackhaft gemacht werden. Noch einmal der Verleger Christoph Buchwald.
    "Deutschland ist das Land mit den meisten niederländischsprachigen Übersetzungen weltweit. Das hat mit der Nachbarschaft zu tun, aber auch mit der Förderung von Übersetzungen durch die Niederländer und die Flamen. Wenn ein deutscher Verlag das Recht an einem niederländischsprachigen Buch kauft, egal ob aus den Niederlanden oder Flandern, kann man bis zu 80 Prozent der Übersetzungskosten bekommen. Das ist eine enorme Hilfe."
    Davon profitiert, hat auch Thomas Hermaa van Voss. Dem jungen, 26-jährigen Amsterdamer gelang jetzt mit seinem zweiten Roman, "Stern geht", der Sprung nach Deutschland. Sein Buch erscheint beim Frankfurter Schöffling Verlag. Der Schriftsteller, der seinen Lebensunterhalt vor allem als Kulturjournalist verdient, ist allein deshalb schon überglücklich.
    "Man hat mir gesagt, dass Deutschland das Tor zur restlichen Welt ist. Es gibt jetzt diese Übersetzung. Dass deshalb nun auch Menschen in Deutschland mein Buch lesen können – ich mag keine großen Worte – aber das ist schon ein kleiner Traum, der wahr wird. Ich bin ziemlich hoffnungsvoll und fühle mich durchaus geschmeichelt."
    Doch bis zu seinem Auftritt in Frankfurt dauert es noch etwas. Vorerst steht Thomas Heerma van Voss vor einem kleinen Gemälde im Amsterdamer Rijksmuseum. Das Bild "The drawing lessons" des niederländischen Malers Abraham van Strij aus dem späten 18. Jahrhundert zeigt einen Schüler beim Zeichenunterricht – in seinem Rücken der gestrenge Lehrer, der über den Kopf seines Zöglings hinweg auf das Blatt schaut. Thomas Heerma van Voss versteht das Bild als eine vorweggenommene Illustration seines Romanstoffes. Er interpretiert es auf seine Art.
    "Es wirkt beinah so, als würde der Sohn zwischen den Armen des Vaters stranguliert. Mich beeindruckt das Gemälde – auch wegen der Parallelen zu meinem Roman. Wenn ich das Bild anschaue, dann sehe ich Stern, der auf Dinge zeigt und darauf hinweist, wie sie getan werden sollten."
    Thomas Heerma van Voss schickt seine Hauptfigur in den Vorruhestand
    Hugo Stern, das ist die eigenwillige Hauptfigur im Roman von Thomas Heerma van Voss. Jahrzehntelang hat er als Lehrer gearbeitet. Der Beruf prägte sein gesamtes Leben, der Unterricht gab ihm Halt und Struktur – bis zu dem Tag, an dem sich plötzlich alles veränderte.
    "'So', sagte der Direktor, sobald sie in seinem Büro waren. 'Wie geht’s? Läuft in der Klasse alles rund?'
    Stern nickte, antwortete aber nicht. Angespannt blickte er in das junge, joviale Gesicht ihm gegenüber.
    'Hugo, lass mich ehrlich sein. Das hier wird ein Gespräch, das wir nicht gerne führen. Aber als Schulleiter habe ich eine gewisse Verantwortung. Also würde ich sagen, setz dich mal.'
    Stern nahm Platz. Auf dem Schreibtisch vor sich sah er einen Stapel ungeöffneter Post liegen: mehr Karten und Kuverts, als er selbst in Monaten bekommen hatte.
    'Schau, als Schule müssen wir gewisse Entscheidungen treffen. Wir müssen tun, was uns auf lange Sicht am besten erscheint.' Der Direktor sprach immerzu von 'wir', wenn er ganz klar 'ich' meinte, doch ansonsten ging so ziemlich alles an Stern vorbei. Eigentlich drang nur ein einziges Wort zu ihm durch. Vorruhestand.'"
    Stern ist ein Kontrollfreak. Sämtliche Informationen über seine Schüler hat er in 34 Ordnern abgeheftet. Sein Problem ist, dass sich das Leben nicht katalogisieren und so einfach handhabbar machen lässt. Nachdem er seinen Platz im Klassenzimmer verloren hat, entgleitet ihm auch die Kontrolle über seinen familiären Alltag. Seine Frau wird ihm fremd, der Sohn geht zunehmend eigene Wege. Durch seine frappierende Unfähigkeit zur Anpassung gerät Stern immer mehr ins Abseits. Thomas Heerma van Voss hat mit diesem eigenwilligen Mann das Porträt eines Sonderlings entworfen, der für den Autor jedoch mitten aus der Wirklichkeit Amsterdams entstammt.
    "Ich bin auch in Amsterdam zur Schule gegangen, ganz in der Nähe von diesem Museum. Vor fünf Jahren habe ich noch einmal meine Grundschule besucht und alles war genau so wie zu meiner Zeit. Nicht nur die Steine, die Farben, sondern auch die Leute. Derselbe Lehrer, der mir das Schreiben beigebracht hatte, unterrichtete jetzt auf exakt die gleiche Weise andere Kinder. In seinem Klassenzimmer war die Zeit stehen geblieben. Er konnte reden wie früher, dieselben Witze machen."
    Vermutlich gibt es kaum einen anderen niederländischen Schriftsteller, der genauer verfolgt, was seine Kollegen produzieren als Joost de Vries. Es ist schlichtweg sein Job, denn er ist Literaturchef des renommierten Wochenmagazins "De Groene Amsterdammer". Neben der Arbeit als Kritiker schreibt der agile, selbstbewusste 33-Jährige selbst Romane. Sein nicht ganz unbescheidener Anspruch: Sie sollen ausdrücklich anders sein, als die meisten Bücher, die er rezensieren muss.
    "Es gibt so viele sehr traurige, feierliche, ernste Charaktere in der Literatur. Ich mag Figuren, die lustig und albern sind. Das ist meine Prämisse, wenn ich beginne, ein Buch zu schreiben, es soll lustig sein. Ich meine nicht, dass Literatur billige Unterhaltung darstellen sollte. Sie sollte Stoff zum Nachdenken liefern, aber auf vergnügliche Weise."
    Überdrehte Gesellschaftssatire von Joost de Vries
    Spaßig ist sein Roman "Die Republik" allemal. Die überdrehte Gesellschaftssatire versammelt eine extravagante Schar von Wissenschaftlern, deren Spezialgebiet Hitlerstudien sind. Sex und Intrigen, luxuriöse Hotels und schummrige Hinterzimmer, gewandte Reden und schmutzige Witze – Jost de Vries mixt das alles zu einer großen, wilden, abseitigen Groteske. Er jongliert dabei mit allerlei Zitaten aus Filmen, Popmusik, Literatur und Philosophie – und bleibt trotzdem souveräner Regisseur seiner Story.
    Zweieinhalb Jahre hat er an dem Roman gearbeitet, es sei die lustigste Zeit seines Lebens gewesen. Das Buch wurde ein veritabler Erfolg: 18.000 Exemplare konnte der Verlag absetzen. Das mag nicht ganz und gar überwältigend klingen, doch in den Niederlanden leben lediglich 16 Millionen Menschen, Flandern hat sechs Millionen Einwohner. Die Zahl potenzieller Leser ist mithin eher klein. Wenn ein Verlag von einem literarischen Titel 2.000 Exemplare verkauft, kann er zufrieden sein. Immerhin, das Interesse an Büchern scheint trotz der Konkurrenz durch die neuen digitalen Medien kaum zurückzugehen. Während etablierte Autoren ihr Stammpublikum, das mit ihnen älter geworden ist, längst sicher haben, werden die jüngeren Schriftsteller häufig eher von Altersgenossen gelesen. Sie alle profitieren von einer außergewöhnlichen Leseförderung. Christoph Buchwald gerät regelrecht ins Schwärmen.
    "Es gibt die niederländische Buchwoche im März jedes Jahr, die ein großes nationales Ereignis ist – mit einem Bücherball und einer Buchwoche, wo es das Buchwochengeschenk gibt. Das heißt, ein Autor bekommt den Auftrag, speziell für die Buchwoche einen Text zu schreiben von etwa 100 Seiten – und bekommt dafür ein stattliches Honorar. Wenn Sie für 12,50 Euro ein Buch in der Buchhandlung kaufen, bekommen Sie den Buchwochen-Titel gratis dazu."
    Die international ziemlich einzigartige Buchwoche verbindet die Niederlande und Flandern. Doch in vielerlei Hinsicht überwiegt ansonsten das Trennende zwischen den beiden Regionen. In Flandern werden vor allem flämische Autoren gelesen, in den Niederlanden hingegen hauptsächlich niederländische Schriftsteller. Die beiden ungleichen Nachbarn halten Abstand.
    Peter Terrins Bücher sind erst jetzt auf Deutsch erschienen
    Nah bei der traumhaft schönen flämischen Universitätsstadt Gent lebt der Schriftsteller Peter Terrin. Er ist zwar Flame, aber sein Verlag kommt aus Amsterdam. Das ist für nahezu alle bekannteren flämischen Autoren so: Wer etwas auf sich hält und Erfolg haben will, der wird in den Niederlanden verlegt. Peter Terrin, Jahrgang 1968, sieht auch deshalb für sich selbst keinerlei Nachteile. Die Unterschiede zwischen den beiden benachbarten Regionen sind für ihn jedoch markant.
    "Es gibt immer noch eine Art Grenze zwischen Holland und Flandern, eine kulturelle und literarische Differenz. Einige meiner besten Freunde sind niederländische Autoren. Das ist nicht das Problem. Aber die Lesekultur ist eine andere. Holland hat es besser. Es gibt mehr individuelle Buchläden – auch in kleinen Orten. Hier, in Flandern dominieren die großen Ketten. Die Holländer sind Calvinisten, sie lesen die Bibel schon immer intensiver als die römischen Katholiken das getan haben. Vielleicht ist die Grenze zwischen Nord- und Südeuropa eine, die durch Belgien verläuft."
    Peter Terrin, der seine Manuskripte auf einer alten Schreibmaschine tippt, gehört längst zu den bekanntesten Autoren in Flandern. Seine bislang sieben Romane wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Auf Deutsch kann man ihn jedoch erst jetzt entdecken – mit einem ungewöhnlichen Buch. Terrin führt uns mit seinem Roman "Monte Carlo" in das Mekka des Rennsports nach Monaco an die französische Mittelmeerküste. Man schreibt das Jahr 1968. Doch von den politischen Verwerfungen jener Zeit ist nichts zu spüren:
    "Ich mag es, anders auf bestimmte Ereignisse zu blicken. Der Pariser Mai 1968 ist ein berühmtes Datum. Doch mir ging es darum, zu zeigen, was sich hinter der großen Historie abspielt. Auch in der Formel 1 hat sich während dieser Zeit sehr viel verändert. Der Rennsport wurde kommerzieller. Grundsätzlich habe ich den Ehrgeiz, dass jedes Buch, das ich schreibe, anders als das vorherige sein sollte. Sonst wäre das sinnlos für mich."
    Mit "Monte Carlo" begibt sich Peter Terrin in eine Welt, die man bislang eher nicht auf der literarischen Landkarte hatte. Im Mittelpunkt steht ein Formel-1-Mechaniker, der eine berühmte Schauspielerin vor einer Stichflamme schützt und dabei selbst schwere Verletzungen erleidet. Der Roman beginnt ein wenig effektheischend mit den grellen Bildern des Unfalls am Rand der Rennstrecke:
    "Das Feuer ist noch kein Feuer. Nicht wirklich. Aber der hochwertige Treibstoff, der aus dem Lotus leckt, ist schon keine Flüssigkeit mehr. Genau in diesem Augenblick geschieht es, eine rigorose Umwandlung findet statt, begleitet von einem Geräusch, das manche später als Bellen bezeichnen werden – ein Gemeinplatz – in Wirklichkeit aber die Stimme einer riesigen, nach Luft schnappenden Bestie. Noch kein Feuer, nur eine farblose, im grellen Sonnenlicht noch unsichtbare Hitzewolke an diesem außergewöhnlich warmen Frühlingstag in Monte Carlo."
    Mehr als ein Rennsport-Roman
    Doch Peter Terrin hat zum Glück dann doch mehr als einen Rennsport-Roman geschrieben. Er verfolgt vor allem das weitere Schicksal des Schwerverletzten. Dieser will nicht als Held gefeiert werden, aber ein wenig Dankbarkeit erhofft er sich doch. Als auch diese ausbleibt, zieht sich der körperlich und auch seelisch versehrte Mann mehr und mehr in sich selbst zurück.
    Die Nachfolger der großen niederländischsprachigen Autoren müssen den Vergleich mit den älteren nicht scheuen. Egal ob die jüngeren Schriftsteller die nahe Vergangenheit ins Bild rücken oder dicht an der Gegenwart entlang erzählen, den besten unter ihnen gelingt es, das weite Feld des Zwischenmenschlichen in ihren Romanen präzise zu vermessen.
    Vorgestellte Bücher:
    Wytske Versteeg: "Boy"
    Übersetzt von Christiane Burkhardt, Verlag Klaus Wagenbach, 240 Seiten, 10,90 Euro.
    Thomas Heerma van Voss: "Stern geht"
    Übersetzt von Ulrich Faure, Schöffling Verlag, 272 Seiten, 22 Euro.
    Joost de Vries: "Die Republik"
    Übersetzt von Martina den Hertog-Vogt, Heyne Verlag, 304 Seiten, 19,99 Euro.
    Peter Terrin: "Monte Carlo"
    Übersetzt von Christiane Kuby und Herbert Post, Berlin Verlag, 192 Seiten, 18 Euro.