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Frankfurter Oper
Nachdenken über das Alter beim "Rosenkavalier"

Hugo von Hofmannsthals Komödie "Der Rosenkavalier" mit der Musik von Richard Strauss wurde nach der Uraufführung 1911 in Dresden schnell zum Erfolgsstück. Und auch die Frankfurter Neuinszenierung von Claus Gunth unter der Leitung von Generalmusikdirektor Sebastian Weigle berührte und begeisterte das Premierenpublikum.

Von Martin Grunenberg | 25.05.2015
    In der Musik ist die Ekstase einer Liebesnacht zu hören, die die Feldmarschallin mit dem blutjungen Octavian verbracht hat. In Frankfurt blickt man zuerst auf eine Trauergesellschaft: Wie aufgebahrt liegt da eine Frau auf dem Boden, dahinter alte Menschen in Schwarz. Doch die Zeit läuft rückwärts: Während die Trauergesellschaft nach hinten durch eine Tür verschwindet, wird die Tote plötzlich wieder lebendig. Es ist die Feldmarschallin, die nun in seligen Erinnerungen an die vergangene Nacht schwelgt.
    Allgegenwärtiger Tod
    "Die Zeit, die ist ein sonderbar Ding" – das ist mit der Reflexion der Feldmarschallin über das Werden und Vergehen sprichwörtlich geworden. Doch in der Inszenierung von Claus Guth sinniert die Dame nicht nur übers Älterwerden, sie ist krank und der Tod ist allgegenwärtig.
    Immer wieder brechen am Anfang der Oper plötzlich Menschen tot zusammen – Visionen einer Frau, die weiß, dass ihr selbst nicht mehr viel Zeit bleibt.
    Und so ist der Schauplatz dieses Rosenkavaliers kein Rokoko-Palais, in dem man auf Menschen mit gepuderten Perücken trifft. Nein, wir befinden uns in einem Sanatorium an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert: Räume mit hohen Fenstern, die Wände sind bis Kopfhöhe mit dunklem Holz verkleidet. Also haben die Feldmarschallin und Octavian die Liebesnacht nicht im fürstlichen Schlafzimmer, sondern im Schlafsaal mit aufgereihten Betten verbracht. Dorthin wird die Marschallin ganz am Ende zurückkehren und sich zum Sterben hinlegen – der Rosenkavalier auf dem Zauberberg.
    Dort erlebt man die Geschichte vom polternden Baron Ochs auf Lerchenau, dem die zarte Sophie herzlich egal ist, solange er nur wirtschaftlich von dieser Ehe profitiert. Um den Schein zu wahren, engagiert er Octavian, der als Bote eine silberne Rose zum Zeichen der Liebe überbringt.
    Doch diesem ungehobelten Kerl kann der Jüngling das Mädchen nicht überlassen, er hat sich selbst in Sophie verliebt und ersinnt eine Intrige, mit der er die Verbindung des Baron Ochs mit dem jungen Mädchen unmöglich macht. Dieser dritte Akt spielt dann im Keller des Sanatoriums: Auch hier begegnet man wieder überall dem Tod, neben Wäschewagen werden auch Krankenbetten mit Verstorbenen durch die Flure gefahren. In einem abgelegenen Raum will sich der Baron endlich mit dem Dienstmädchen vergnügen, doch die ist kein anderer als Octavian selbst. Und der hat die Sittenpolizei und Herrn von Faninal hierher bestellt, außerdem eine Frau mit stattlicher Kinderschar, die alle nach ihrem Papa rufen. Der Ochs ist düpiert und muss abziehen, aber auch die Feldmarschallin hat ihren Octavian an eine Jüngere verloren.
    Claus Guths Inszenierung hat ihre heiteren Momente, aber letztlich präsentiert er eine sehr melancholische Komödie, die weit tiefer schürft, als es die Liebeleien einer höfischen Gesellschaft vermuten lassen. Es ist ein gut durchdachtes Konzept, das vor allem auch im Zusammenspiel mit der Musik bestens funktioniert.
    Musikalischer Hochgenuss
    Und die Musik, die ist in Frankfurt ein ganz großer Genuss. Sebastian Weigle hat sich als Strauss-Dirigent einen Namen gemacht und lässt auch hier wieder dessen Musik in all ihren Farben glänzen: Von dick parfümierten Walzern bis zu ätherisch zarten Klängen zeigt sich das Frankfurter Opernorchester in Bestform. Dazu kann man hier mal wieder ein exquisites Sängerensemble erleben: Allen voran Amanda Majeski, die leichenblass durch das Sanatorium wandelt, aber bis zuletzt ihren Sopran immer wieder wunderschön aufblühen lässt. Der isländische Bass Bjarni Thor Kristinsson gibt dem Baron Ochs stimmlich und körperlich eine beeindruckende Statur.
    Der junge Octavian hat er bei Strauss seinen Stimmbruch noch vor sich. Die Mezzosopranistin Paula Murrihy
    'Mörre-hi, verkörpert den Jüngling sehr überzeugend, und sie harmoniert wunderbar mit dem Sopran von Christiane Karg, deren Sophie unter der Wucht des Barons, fast zu zerbrechen scheint.
    Es ist ein Rosenkavalier, der das Premierenpublikum berührt und begeistert hat.