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Frankfurter Start-Up
Deutsche Börse kauft Devisenhandelsplattform 360T

Die Deutsche Börse AG hat die größte Firmenübernahme seit Jahren bekannt geben: Der Dax-Konzern übernimmt eine Devisenhandelsplattform für 725 Millionen Euro.

Von Michael Braun |
    Börsen braucht man im Devisenhandel nicht. Wer in Amerika eine Maschine kauft und Dollar zum Bezahlen braucht, ruft seine Bank an und fragt nach dem Preis des Dollars. Und ein Unternehmen, das nach Amerika exportiert und Dollar eingenommen hat, diese aber in Euro tauschen will, macht das genauso. Devisenhandel sei weitgehend ein außerbörsliches Geschäft, sagt Ulrich Leuchtmann, Devisenstratege bei der Commerzbank. Er weiß auch, warum:
    "Es gibt einen ganz einfachen Grund. Es gibt sehr viele Aktien, aber es gibt nicht sehr viele Währungen, die ständig gehandelt werden. Der Devisenhandel konzentriert sich im Wesentlichen auf zehn, zwölf große Währungen. Das heißt, der Devisenmarkt ist eh liquide. Deshalb ist das Zusammenfassen von Käufern und Verkäufern an einem zentralen Ort wie an der Börse nicht nötig."
    Die Hausbank anzurufen und den zugerufenen Kurs zu akzeptieren, hat natürlich mit Marktüberblick nichts zu tun. Dieses Defizit haben Handelsplattformen aufgegriffen. Hier findet man auf einen Blick die aktuellen Kurse vieler Banken. Das hat Handelsplattformen attraktiver werden lassen:
    "Solche Plattformen werden schon immer attraktiver. Und man sieht schon, dass ein immer größerer Teil des Handels nicht direkt zwischen Kunde und Bank geht, sondern mit dieser Plattform zwischengeschaltet funktioniert, weil die Kunden dadurch halt größere Markttransparenz bekommen. Gerade deutsche Unternehmen mit sehr viel Außenhandel haben natürlich viel an Devisen zu tun. Und für sie ist solch eine Plattform schon interessant, weil sie nicht zehn Banken anrufen müssen, sondern es gleich auf einer Plattform sehen, wie zehn Banken beispielsweise Euro/Dollar quotieren und sich dann den günstigsten sehr einfach aussuchen können."
    Die Handelsplattformen agieren nicht als Zwischenhändler, eher wie ein Informationssystem. Banken zahlen Gebühren dafür, dass sie ihre Kurse dort veröffentlichen, Kunden zahlen für die Kursinformation. So ist die Plattform 360T groß geworden – und teuer. Aus einer Gründung ehemaliger Investmentbanker aus dem Jahr 2000 ist ein Unternehmen geworden, für das die Deutsche Börse AG 725 Millionen Euro gezahlt hat. Da 360T Ertragszahlen nicht veröffentlicht, können Analysten nicht sagen, ob die 725 Millionen Euro teuer oder angemessen sind. Strategisch, so Stefan Bongardt von Independent Research, mache der Kauf für die Deutsche Börse wohl Sinn:
    "Zuletzt ist das traditionelle Geschäft, sprich der Aktienhandel, schon unter Druck gekommen. Vor allem durch außerbörsliche Plattformen, die dann quasi von den Erlösen auch einen gewissen Teil abgezwackt haben. Das heißt, die Deutsche Börse muss jetzt auch sehen, wo sie quasi neues Wachstum oder eine neue Wachstumsgeschichte entwickeln kann. Und da bietet sich halt der Devisenhandel an."
    Denn der stellt mit einem Umsatz von fünf Billionen Dollar täglich den größten Finanzmarkt. Und 360T hatte seinen Umsatz voriges Jahr von 62 auf 70 Milliarden Euro gesteigert und auch zuvor zweistellige Wachstumsraten gezeigt. Freilich hatte die Deutsche Börse mit ihren Übernahmen bisher wenig Glück. Der letzte große Kauf war 2007 die Übernahme der amerikanischen Optionsbörse International Securities Exchange (ISE). Der Kaufpreis von 2,8 Milliarden Dollar musste stark abgeschrieben werden. Der geplante Zusammenschluss mit der New York Stock Exchange scheiterte 2012 am Wettbewerbsrecht. Nun, unter dem neuen Vorstandschef Carsten Kengeter, einem ehemaligen Banker von Goldman Sachs und UBS, geht das Unternehmen Übernahmen offenbar neu an.