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Frankreich
Der Notstand soll in die Verfassung

Unter dem Eindruck der Anschläge in Paris hat die französische Regierung eine Reform auf den Weg gebracht, um den Ausnahmezustand in der Verfassung zu verankern. Das soll in Zeiten des Terrors rasches Handeln ermöglichen. Trotz Widerstands aus den eigenen Reihen soll zudem verurteilten Terroristen die Staatsangehörigkeit entzogen werden dürfen.

Von Ursula Welter | 23.12.2015
    Der französische Premierminister Manuel Valls auf einer Pressekonferenz zur geplanten Verfassungsreform.
    Der französische Premierminister Manuel Valls auf einer Pressekonferenz zur geplanten Verfassungsreform. (AFP / Eric Feferberg)
    2015 war das Jahr der Attentate in Frankreich: "Attentate zeigen, wie schwer die Terrorgefahr auf unserem Land lastet", leitete Premierminister Manuel Valls nach der Kabinettssitzung seine Erklärungen ein. Effektiv und richtig sei es gewesen, den nationalen Notstand noch in der Nacht des 13. Novembers auszurufen, ihn dann, am 20. November, um drei Monate zu verlängern, mit der breiten Mehrheit des Parlaments.
    Seither können Polizei und Behörden unter anderem Hausarrest verhängen, Durchsuchungen ohne richterlichen Beschluss vornehmen, Internetseiten sperren, als radikal eingestufte Vereinigungen auflösen. Per Gesetz vom 20. November waren also die alten Notstandsgesetze aus dem Jahr 1955 der neuen Gefahrenlage bereits teilweise angepasst worden. Jetzt soll das Regelwerk für den Krisenfall in der französischen Verfassung verankert werden.
    Es gehe nicht um einen dauerhaften Ausnahmezustand
    "Es entspricht einer fundamentalen Garantie, wenn eine Ausnahmeregelung vor der höchsten Instanz standhalten muss, das heißt dem Verfassungsrat." Mit der Verankerung in der Verfassung gehe es nicht um einen "dauerhaften Ausnahmezustand", unterstrich Manuel Valls. Der nationale Notstand ende in einigen Monaten, noch sei es allerdings verfrüht zu sagen, ob er verlängert werde und wenn ja, für wie lange. Das liege im Ermessen des Parlaments und richte sich nach der Gefahrenlage.
    "Verfassung - das heißt aber auch Freiheiten verteidigen. Mit der Eingrenzung des Inkrafttretens und mit der Verankerung der Verlängerungsregeln in der Verfassung halten wir die Notstandsregeln definitiv aus Parteieninteressen heraus." Sobald der Notstand aufgehoben werde, sicherte der Regierungschef zu, würden alle Maßnahmen und derzeit geltenden Befugnisse für Polizei und Behörden zeitgleich auch wieder außer Kraft gesetzt.
    Entzug der Staatsbürgerschaft umstritten
    Das Kabinett traf einen weiteren Beschluss, der allerdings für Streit sorgt. Vor dem Kongress in Versailles hatte Staatspräsident Hollande direkt nach den November-Attentaten eine Forderung der Konservativen und der extremen Rechten aufgegriffen: Aberkennung der Staatsbürgerschaft für verurteilte Terroristen mit doppelter Staatsbürgerschaft - auch dann, wenn sie in Frankreich geboren wurden. Bislang ist der Entzug eines der Pässe nur möglich bei Franzosen, die dies durch Familienzugehörigkeit sind.
    "Diese Entscheidung ist von hoher Symbolik", unterstrich Manuel Valls, der allerdings in Erklärungsnot kam. Denn gestern noch hatte die Justizministerin das in Frankreich geltende staatsbürgerliche "Bodenrecht" verteidigt und gesagt, Franzosen, die dies von Geburt an seien, werde der Pass im Falle einer Verurteilung nicht entzogen. Das sei nicht geplant, stehe nicht im Text. Aber Christiane Taubira sollte sich irren und musste sich heute die Frage gefallen lassen, ob sie weiterhin Justizministerin Frankreichs bleiben könne:
    "Das erste Wort hat der Staatspräsident. Er hat sich vor dem Kongress in Versailles geäußert. Das letzte Wort hat der Staatspräsident, er hat sich heute früh im Kabinett geäußert", versuchte sich Christiane Taubira aus der Affäre zu ziehen, und Manuel Valls meinte: "Das Wort des Präsidenten zählt, zumal in dieser Lage."
    Der linke Flügel der sozialistischen Partei, zu dem die Justizministerin zählt, kritisiert diesen Beschluss allerdings, und die Opposition hat leichtes Spiel, weil sie Vielstimmigkeit in der Regierung beobachtet.