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Frankreich
Diskussion um Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke

Kurz nach seinem Amtsantritt vor zwei Jahren versprach Frankreichs Präsident François Hollande, den Anteil der Kernkraft an der Energieversorgung stark zu senken. Ein Atomausstieg ist aber nicht in Sicht. Im Gegenteil: Der staatlich dominierte Kraftwerksbetreiber EDF will die Laufzeiten nun verlängern - Umweltschützer sind empört.

Von Suzanne Krause | 26.02.2014
    40 Jahre Laufzeit – das war die Vorgabe, als Frankreich vor Jahrzehnten massiv auf Atomkraftwerke setzte: Zwischen 1977 und 1987 gingen Schlag auf Schlag insgesamt 80 Prozent des heutigen Atomparks ans Netz. In drei Jahren erreichen somit die ersten Meiler das Ende ihrer ursprünglich geplanten Laufzeit. Wie es dann weitergehen soll, weiß noch niemand so recht. Der Betreiber des Atomparks, der staatlich dominierte Stromkonzern EDF will die Laufzeit der Meiler nachträglich verlängern lassen.
    Generalüberholung heißt das bereits 2009 intern vorgestellte Programm, das die Meiler für weitere 20 Jahre Betriebszeit fit machen soll. Die Atomaufsichtsbehörde ASN hält allerdings offenbar wenig von den Plänen: Sie ließen zu viele Fragen zur Anlagensicherheit offen. Außerdem seien die Alterungsprozesse von Atommeilern noch zu wenig erforscht, urteilte die Behörde im vergangenen Sommer in einer offiziellen Stellungnahme. Vor einem Monat legte Behördenchef Pierre-Franck Chevet nach:
    "Mit 40 Jahren Laufzeit ist ein Atommeiler schon ziemlich betagt. Derzeit diskutieren wir mit EDF über Alterungsprobleme beim Material. Die Reaktorgebäude beispielsweise lassen sich ebenso wenig austauschen wie auch die Reaktorbecken."
    Technisch sind die Reaktorbecken dafür konzipiert, eine bestimmte kumulierte Strahlenbelastung auszuhalten. Die grob gerechnet innerhalb von 40Jahren Betriebszeit anfällt. Hinzu kommt: Seit dem GAU in der japanischen Atomanlage von Fukushima, vor knapp drei Jahren, haben die europäischen Atomsicherheitsbehörden die Sicherheitsanforderungen drastisch aufgestockt. Pierre-Franck Chevet:
    "Sollte die Betriebszeit alter Anlagen verlängert werden, schauen wir natürlich darauf, sie sicherheitstechnisch an die Standards der neuen, dritten Reaktorgeneration anzugleichen."
    Höhere Sicherheitsstandards gefordert
    Sollte sich die Behörde mit ihrer Forderung nach höheren Sicherheitsstandards durchsetzen, wäre das Thema Laufzeitverlängerung womöglich bald vom Tisch, glaubt Yves Marignac, Leiter von WISE Paris, einer unabhängigen Experteneinrichtung zu Energiefragen. Er hat den EDF-Plan zur Generalüberholung im Auftrag der französischen Sektion der Umweltorganisation Greenpeace unter die Lupe genommen. Gestern wurde sein 169-Seiten-Bericht veröffentlicht.
    "Wenn man, wie von der Atomaufsichtsbehörde ASN verlangt, bei der Laufzeitverlängerung dieselben Sicherheitsstandards wie bei der neuen Reaktorgeneration vom Typ EPR anlegt, dann bedeutet das kolossale Aufstockarbeiten. Es wird lange Jahre dauern, technisch sichere Lösungen zu finden und nochmals lange Jahre, sie industriell umzusetzen."
    Laut Marignac koste die entsprechende Nachrüstung pro Meiler locker vier Milliarden Euro – viermal mehr als der - hochverschuldete - Atomparkbetreiber EDF bislang angab. Rentabel lassen sich die alten Meiler wohl nur weiter betreiben, wenn die Sicherheitsvorschriften nicht erhöht oder gar abgesenkt werden. Letzteres jedoch biete keine Garantie, dass die Anlagen 20 weitere Jahre sicher laufen könnten, stellt Marignac klar.
    Noch wird das Thema Laufzeitverlängerung des Atomparks in Frankreich nur hinter verschlossenen Türen diskutiert. Sébastien Blavier, bei Greenpeace Frankreich zuständig für Atomthemen, möchte dies mithilfe des Berichts ändern.
    "Der Bericht zeigt auf, welche sicherheitstechnischen und industriellen Risiken mit einer eventuellen Laufzeitverlängerung des französischen Atomparks verbunden sind. Angesichts dessen empfehlen wir, im künftigen Energiegesetz festzuschreiben: Nach maximal 40 Jahren sollen die hiesigen Atommeiler vom Netz. Und bis 2030 sollen 45 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien kommen. Dies schafft politische Klarheit für Industrie und Investoren."