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Frankreich
Ein Land im permanenten Ausnahmezustand

Nach den Terroranschlägen in Frankreich wurde im November 2015 der Ausnahmezustand verhängt - und nun zum fünften Mal verlängert. Kritiker sehen das als hilfloses Signal eines schwachen Staates. Doch die Regierung hält aus Angst vor islamistischem Terrorismus weiter daran fest.

Von Barbara Kostolnik | 07.01.2017
    Francois Hollande besucht im Juli 2016 Truppen der Anti-Terror-Einheit 'Sentinelle'.
    Francois Hollande besucht im Juli 2016 Truppen der Anti-Terror-Einheit 'Sentinelle'. (dpa/ picture alliance/ MAXPPP)
    Die französische Regierung ist fest davon überzeugt: der Ausnahmezustand ist wichtig, für Frankreichs Kampf gegen den islamistischen Terrorismus. Wieder und wieder präsentieren daher die Politiker gebetsmühlenartig Zahlen, die das belegen sollen:
    "Seit Anfang 2016, rechnete der Ex-Innen und jetzige Premier-Minister Bernard Cazeneuve im Dezember vor, konnten 17 Attentate vereitelt werden; und weil der Ausnahmezustand so wirksam ist, verlangen wir vom Parlament, dass er um sieben weitere Monate verlängert wird."
    Ausnahmezustand ist Normalzustand
    Gesagt, getan. Ohne großen Widerstand. Längst ist der Ausnahmezustand zum Normalzustand geworden. Ein Umstand, den auch Olivier Beaud, Rechtsprofessor in Paris, bedauert. Zumal er Folgendes feststellt:
    "Der Ausnahmezustand ist heute nicht mehr nötig. Die Regierung hat nämlich parallel dazu das Arsenal der Ermittlungsbehörden für ihren Kampf gegen den Terrorismus extrem aufgestockt, viele Gesetze erlassen, die zum Beispiel den Geheimdienst stärken; man hat nun meiner Meinung nach alle nötigen Instrumente zusammen, um den islamistischen Terrorismus zu bekämpfen, ohne dass es dafür noch einen Ausnahmezustand brauchen würde, er ist rein symbolisch."
    Auch der Djihadismus-Experte David Thomson glaubt nicht wirklich, dass der Ausnahmezustand und seine Maßnahmen potentielle Terroristen von ihren Taten abhalten:
    "Ich weiß, dass sich viele Djihadisten darüber lustig machen; nach den Attentaten hatte es ja besonders viele Hausdurchsuchungen gegeben, und da hieß es dann: wenn sie weiter so wild durch die Gegend suchen, finden sie am Ende noch einen echten Terroristen"
    Interessant ist, dass die allermeisten Franzosen den Ausnahmezustand hinnehmen, wie die Luftverschmutzung in Paris oder das schlechte Wetter: ist eben einfach nicht zu ändern. Und außerdem: irgendwie betrifft er ja immer die anderen, oder?
    "Was mich beunruhigt ist wirklich, dass die Menschen glauben, sie wären ja von diesen autoritären Maßnahmen nicht betroffen, und die bedrohte Freiheit der anderen interessiert sie nicht."
    Wenig Vertrauen in die Politik
    Für den Juristen Beaud ist der Ausnahmezustand im Prinzip ein hilfloses Signal eines schwachen und damit autoritären Staats – und er kann der Willkür Tür und Tor öffnen. Wie kommt man da wieder raus? Olivier Beaud hat wenig Hoffnung und noch weniger Vertrauen in die Politiker, die wieder und wieder für eine Verlängerung stimmen. Aus einem ganz einfachen Grund:
    "Die haben schreckliche Angst, dass es ein Attentat geben könnte, nachdem sie den Aufnahmezustand aufgehoben haben, dann könnte man sie nämlich dafür verantwortlich machen. Das lähmt sie buchstäblich, eine vernünftige Lösung zu finden."
    Tja, was hatte der damalige Innenminister Cazeneuve anlässlich der Fußball-Europameisterschaft noch gesagt?
    "La France doit rester la France." - Frankreich muss Frankreich bleiben. Nur: hat er damit wirklich ein Land im permanenten Ausnahmezustand gemeint?