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Frankreich
Hohe Erwartungen an "Merkel Drei"

Der erste Auslandsbesuch einer deutschen Regierung geht traditionell nach Frankreich. Dort hofft die Staatsführung auf eine neue deutsche Politik bei den Themen Soziales, Wirtschaft und Verteidigung. Die Wunschliste des Élysée-Palastes ist lang.

Von Ursula Welter | 17.12.2013
    Als gestern in Deutschland die neue Ministerriege von allen Seiten betrachtet und bewertet wurde, da stand François Hollande vor zwei Särgen im Hof des Invalidendoms in Paris. Die jungen Soldaten waren in Zentralafrika gefallen. Wenige Stunden nach Beginn des französischen Militäreinsatzes. Frankreichs Staatspräsident stand allein vor den Särgen, als der Mann, der das Oberkommando hat, der den Einsatzbefehl gibt.
    "Gestorben für Frankreich - Gestorben auch für Europa", hatte vor wenigen Tagen ein Abgeordneter im Parlament gesagt und, wie der Staatspräsident auch, mehr Hilfe aus Europa für die Feuerwehreinsätze der französischen Armee gefordert. Einen europäischen "Verteidigungsfonds" hat Staatspräsident Hollande ins Spiel gebracht, aus Berlin sei dafür Unterstützung gekommen, noch bevor der Wunsch ausformuliert gewesen sei, heißt es in Paris.
    Das Thema kommt auf den Tisch des EU-Gipfels am Donnerstag und morgen Abend wird das vorbereitet - zwischen François Hollande auf der einen und den frisch gebackenen deutschen Koalitionären auf der anderen Seite. Denn, so will es die deutsch-französische Tradition, der erste Auslandsbesuch geht ins Nachbarland. Mit Angela Merkel und ihrem Außenminister Frank-Walter Steinmeier fährt dann die "Große Koalition" im Hof des Elysée Palastes vor.
    "Ja, ich denke in der deutschen Politik wird sich einiges ändern, es wird einen Richtungswechsel geben", freut sich der Parteichef der Sozialisten, Harlem Desir. "Denken Sie vor allem an den Mindestlohn, das ist gut für die deutschen Arbeitnehmer, aber das ist vor allem gut gegen Sozialdumping in Europa."
    Aber, wendet die Moderatorin im Fernsehen ein, ändert sich da wirklich so viel in der deutschen Europapolitik, schließlich bleibt doch Wolfgang Schäuble Finanzminister? Der Mann, der in Frankreich als strenger Haushaltswächter gilt:
    "Ja, aber die neue Arbeitsministerin, die ist von der SPD", verteidigt der Sozialist die neue Regierung in Berlin. "Und der Wirtschaftsminister wird Sigmar Gabriel sein, also es wird eine neue Politik geben."
    Eine andere Politik, die, das ist sich Harlem Desir sicher, deutlich näher an dem sein wird, was auch François Hollande vertreten hat. Frankreichs Medien registrieren auch mit Interesse, dass Ursula von der Leyen Verteidigungsministerin wird – die Frau, die in Paris nicht nur wegen guter Sprachkenntnisse und eleganter Erscheinung geschätzt wird. Sondern auch, weil sie, so schreibt etwa die regierungsfreundliche Zeitung "Libération", für Mindestlohn und Frauenquote stehe. Von der Leyen sei in jedem Fall in der "Pole Position" für 2017.
    Diese gute Startposition für die Merkel-Nachfolge wird auf der anderen Seite auch Sigmar Gabriel zugerechnet - da sind sich Frankreichs Medien einig und das kabeln auch die französischen Korrespondenten aus Berlin in die Heimat: Gabriel habe es verstanden, aus einer Wahlniederlage einen politischen Sieg zu machen. Auch ist Frankreichs Sozialisten in guter Erinnerung, was Sigmar Gabriel bei seinem letzten Besuch in Paris über die Sparpolitik Angela Merkels gesagt hatte:
    "Angela Merkels Politik war ja Heil-Fasten und daraus ist Magersucht geworden."
    Die Auszählung des SPD-Mitgliederentscheids jedenfalls wurde von Frankreich aus mit Interesse verfolgt und auch vermerkt, dass französische Abgeordnete ihren deutschen Kollegen per Nachrichtendienst "Twitter" zum Ministerposten gratulierten - manche gar in deutscher Sprache.
    Außenminister Laurent Fabius jedenfalls sagt, was da in Deutschland geschehe, sei von großer Bedeutung. Energiepolitik, Bankenunion, Verteidigungspolitik - eine europäische Drohne etwa - , aber auch Haushalts-, Wirtschaftspolitik- und Sozialpolitik. Die Wunschliste der französischen Regierung für gemeinsame deutsch-französische Initiativen ist lang, mit einem Ziel, sagt Fabius: Dass die Europäer Europa wieder lieben lernten.