Archiv


Frankreich im Wahlfieber

Mit der Verkürzung der Amtszeit des französischen Präsidenten kommen die Franzosen nun alle fünf Jahre in den Genuss eines Superwahljahres: Nachdem sie Anfang Mai erst einen neuen Präsidenten gewählt haben, werden sie am 10. und 17. Juni schon wieder an die Urnen gerufen - dieses Mal, um ein neues Parlament zu wählen. Burkhard Birke berichtet über den Auftakt der Parlamentswahlkampagne.

    Es mutet paradox an und ist eine Entscheidung mit Symbolkraft! Der Premierminister höchstpersönlich zieht in den Wahlkampf und mit ihm fast ein Dutzend seiner Minister. Gewinnen sie ihr Mandat, müssen sie es gleich wieder an einen Nachrücker abgeben. Denn die fünfte Republik verbietet Ministern das ausüben des Abgeordnetenmandats! Francois Fillon will aber wohl den Elan seiner Mannschaft auf die Parlamentswahl übertragen. Eine Rechnung, die aufzugehen scheint.

    78 Prozent der Franzosen sind nämlich zufrieden mit der kleineren, feminineren und politisch vielfältigeren Ministerriege. Laut Umfrage des Instituts TNS Sofres kann Sarkozys Partei auch bei den Parlamentswahlen mit einer satten Mehrheit von bis zu 400 und mehr der 577 Sitze in der Nationalversammlung rechnen. Die Sozialisten würden angesichts des geltenden Mehrheitswahlrechtes kaum mehr als ihre derzeit knapp 150 Mandate verteidigen können, bestenfalls.

    "Die Machthabenden wollen dominieren, alles platt machen. Die sozialistische Partei ist die einzige Kraft, die bereit ist, voll ihre Rolle als Opposition oder falls wir die Mehrheit bekommen in der Verantwortung zu übernehmen. Deshalb müssen wir so viele Mandate wie möglich am 10. und 17. Juni erobern."

    appelliert Sozialisten- und Wahlkampfchef Francois Hollande an die Wähler und mahnt intern zur Geschlossenheit.

    Erst nach der Parlamentswahl werden bei den Sozialisten die Messer gezückt: Hollande's Stuhl wackelt gefährlich! Denn eine gewichtige Oppositionsrolle oder gar eine Mehrheit für die Sozialisten, was einen Regierungswechsel, sprich eine Cohabitation, also einen sozialistischen Premierminister unter dem Präsidenten Sarkozy bedeuten würde, gilt als extrem unwahrscheinlich.

    Der Schachzug der Öffnung durch die Ernennung des Zentrumspolitikers Hervé Morin zum Verteidigungs- und des Ex Sozialisten und Gründers von "Ärzten ohne Grenzen" Bernard Kouchner zum Außenminister scheint in den Augen der Öffentlichkeit nämlich gelungen. Er nimmt der Opposition den Wind aus den Segeln, vor allem dem mit fast 19 Prozent Stimmenanteil bei der Präsidentschaftswahl Drittplatzierten Francois Bayrou.

    Der tritt mit seiner neuen Partei der Mitte, Modem, Mouvement Democrate, demokratische Bewegung, in nahezu allen Wahlbezirken mit eigenen Kandidaten an.

    Wie könne man denn vor der Präsidentschaftswahl behaupten, Sarkozy sei der Schlimmste von allen und am Tag danach Mitglied der Regierung werden, kritisierte Bayrou.

    " Zwischen dem, was Nicolas Sarkozy gemacht hat und dem, was ich vorgeschlagen habe, gibt es einen großen Unterschied: Ich habe eine Vereinigung aller Kräfte gefordert und er hat einige Oppositionskräfte einfach in sein Lager geholt!"

    Genau gesagt: Die überwiegende Zahl der 29 Abgeordneten der Zentrumspartei UDF !

    Wir gehören nicht zur Regierungspartei UMP, wir führen ein Eigenleben. Wir bilden eine neue Partei und eine eigene Fraktion in der Nationalversammlung, betont André Santini, der Bürgermeister von Issy.

    "Man hat von uns nicht verlangt, beim Budget oder Vertrauensfragen immer mit der Regierung zu stimmen. Wir wollen einfach treue Partner sein, der Mehrheit für Nicolas Sarkozy auch etwas geben!"

    In 100 Wahlbezirken wollen die Sarkozy-treuen Zentrumspolitiker als Sozialliberale antreten! Aufgrund von Wahlabsprachen mit der Regierungspartei UMP dürften zwei Dutzend Mandate möglich sein. Bayrous neue Gruppierung Modem indes wird zwar auf 15 Prozent der Stimmen, aber nur auf zwei bis zehn Mandate taxiert. Das Mehrheitswahlrecht begünstigt eindeutig die großen Parteien. Im ersten Wahlgang sind 50 Prozent und eine Stimme nötig, im zweiten reicht die relative Mehrheit, qualifiziert für die zweite Runde sind jedoch nur Kandidaten mit 12,5 Prozent Stimmenanteil!

    Somit werden einige kleinere Parteien wie die Kommunisten, Mouvement pour la France, Linksradikale und die Grünen zwar einige Mandate erringen können. Selbst der rechtsradikale Front National, der landesweit bei einem Zehntel aller Wählerstimmen liegt, dürfte jedoch leer ausgehen.