Freitag, 29. März 2024

Archiv

Frankreich
Neoliberal oder sozial? Die Kulturpolitik Macrons

Anders als einige seiner Vorgänger will Emmanuel Macron keine neuen Kultureinrichtungen schaffen, sondern das bestehende Angebot nutzen. Jugendlichen soll der Zugang zur Kultur durch einen Pass, mitfinanziert von sozialen Medien wie Google, Facebook und Co., erleichtert werden. Zudem sind längere Öffnungszeiten von Bibliotheken geplant.

Von Eberhard Spreng | 18.05.2017
    Man sieht die Silhouette eines Mannes, der sich im Pariser Louvre ein Gemälde von Gerard ter Borch anschaut.
    Jugendliche in Frankreich sollen sich für Kultur begeistern - und vielleicht mal im Louvre vorbeischauen. (AFP / François Guillot)
    "Mon projet politique, c'est un projet d'émancipation." - "Mein politisches Vorhaben bedeutet: Emanzipation." Diesen Satz sagt der neue französische Präsident immer wieder gerne. Er meint damit eine neue Wissensoffensive - vor allem für die nachwachsenden Generationen. Schon im Wahlkampf hatte er, gegen die Vereinfachungen und die Geschichtsklitterung seiner Widersacherin Marine Le Pen, für ein komplexes Denken in einer komplexen Welt geworben.
    "Wir leben in einer Welt, die immer komplexer wird. Alle interagieren mit allen. In Echtzeit. Das ist eine Globalisierung von Vorstellungswelten, die es so nie gab. Dieser Umstand verändert unser politisches Leben."
    Die digitalen Medien stehen im Mittelpunkt von Macrons künftiger Kulturpolitik. Im Focus sind ihre globalen Akteure wie: Google, Amazon, Facebook und Apple, die man vor allem in Frankreich neuerdings abkürzend einfach GAFA nennt: "Dieser Bereich ist heute ein Dschungel. Es gibt kein globales Digital-Recht und diese GAFA entscheiden alles allein. Wir brauchen eine europäische Regulierung. Und auch die GAFA müssen an der Finanzierung von Kultur beteiligt werden."
    Macron will Kulturpass einführen
    Das Internet und seine sozialen Netzwerke sind allerdings derzeit auch ein Multiplikator von demagogischen und wirklichkeitsfremden Ressentiments, das vor allem bei Jugendlichen und in den sozial benachteiligten Schichten ankommt. Das Digitale scheint derzeit eher ein Widersacher des klassischen Politik- und Kulturverständnisses zu sein. Macron will nun eine italienische Idee aufgreifen und den Zugang zu klassischen Kulturinhalten erleichtern. Mit einem neu eingeführten Kulturpass.
    "Alle Jugendlichen bekommen, wenn sie 18 werden, 500 Euro. Das sind 500 Euro für die Kultur: Um Bücher zu kaufen oder um ihnen, über eine vom Kulturministerium verwaltete Plattform, Zugang zu kulturellen Veranstaltungen zu ermöglichen. Aber jeder von ihnen soll seinen eigenen Weg in die Kultur finden, selbst entscheiden. Vielleicht kommt jemand so zum ersten Mal ins Theater oder an andere Orte, die er nicht kannte."
    Für die Finanzierung des Passes will Macron einen überraschenden Weg gehen. "Diese 500 Euro werden zu einem kleinen Anteil vom Staat finanziert, vor allem aber von den GAFA. Ich will ihnen diese Abgabe auferlegen, weil sie von der Kultur profitieren, und das Internet macht nur dann Sinn, wenn es ein gemeinschaftlicher Raum ist."
    Längere Öffnungszeiten für Bibliotheken
    Macrons Projekt ist ambitioniert; es bedeutet eine Kulturalisierung des Digitalen. Leichter realisierbar dürfte das Vorhaben eines verbesserten Zugangs zum weitgehend noch physischen Wissens- und Kulturgut sein.
    "Wir haben in Frankreich 7.100 Bibliotheken. Durchschnittlich ist eine kommunale Bibliothek 40 Stunden in der Woche geöffnet. In Kopenhagen sind es 90 Stunden. Ein Oberschüler oder Student kann eine Bibliothek gar nicht nutzen, die an Wochenende zu ist und in der Woche ab 18:00 Uhr. Das ist ungerecht, auch weil vor allem die Ärmeren sie brauchen. Deshalb muss der Zugang zu Wissen und Kultur auch abends und am Wochenende möglich werden."
    Macron, selbst Literaturfreund, der gerne Klassiker zitiert und mit Literaten Umgang pflegt, hat nun in der Verlegerin Françoise Nyssen eine Ministerin, die zu seiner Kulturkampagne passt, hatte sie doch selbst die Schule "Domaine du Possible" für die Förderung von Kindern gegründet, die sich nicht gut ins Schulsystem integrieren lassen.
    "Wir haben in Paris, was wir brauchen"
    Viele Präsidenten der fünften Republik haben sich in einem großes Prestigeprojekt verewigt: Im Centre Pompidou, in Mitterrands Très Grande Bibliothèque, in Chiracs Musée du Quai Branly. Macron will, wie schon vor ihm Hollande, auf solche monarchischen Architekturgesten verzichten.
    "Ich denke, dass wir die zeitgenössische Kunstproduktion fördern müssen und die Lebendigkeit dieser Szene. Brauchen wir dafür eine neue, teure Infrastruktur? Ich glaube nicht. Es gibt die Kulturhäuser. Es gab Nachholbedarf, damals, als das Centre Pompidou gebaut wurde. Heute haben wir in Paris, was wir brauchen. Wichtig ist jetzt: Zugang zu Kunst und Kultur."