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Frankreich plant "Zukunftsjobs" gegen Jugendarbeitslosigkeit

Die Jugendarbeitslosigkeit in Frankreich liegt bei über 25 Prozent. Auf dem Land und in den Vorstädten ist die Lage noch schwieriger. Die französische Regierung versucht, mit "Zukunftsjobs" und einer Reindustrialisierung gegenzusteuern. Ein Bericht aus Saint Gaudens südlich von Toulouse.

Von Birgit Kaspar | 26.11.2012
    Cynthia Garriga ist ausgebildete Prothesenmacherin. Doch nach ihrer Ausbildung fand die kleine, energiegeladene Frau mit lachenden Augen und kurzen braunen Haaren in dem Beruf keine Anstellung. Heute ist die 23-Jährige froh, überhaupt einen Job zu haben. Auch wenn es nur Kopier- und Sekretariatsarbeiten in einer öffentlichen Agentur sind und ihr Vertrag auf sechs Monate befristet ist.

    "Es war sehr, sehr hart, als ich arbeitslos war. Es ist schlimm zu sehen, wie die anderen zur Arbeit gehen und man sitzt da, hat das Gefühl zu nichts zu taugen, nicht voranzukommen. Ich fragte mich: Was wird aus mir werden? Werde ich jemals einen unbefristeten Arbeitsvertrag bekommen?"

    Cynthia lebt mit ihrem Freund, einem Fliesenleger, in einem Dorf nahe der Kleinstadt Saint Gaudens am Fuße der Pyrenäen. Für Frauen sei es auf dem Land besonders schwer, Arbeit zu finden.

    "Für junge Männer ist es einfacher. Im Bausektor gibt es viel zu tun, da benötigt man nicht unbedingt ein Diplom."

    Jeder vierte junge Erwachsene im Alter zwischen 16 und 25 Jahren ist in Frankreich arbeitslos. Das Problem ist nicht neu, es wurde durch die jüngste Krise nur weiter verschärft. Für Frankreichs Präsidenten François Hollande ein unhaltbarer Zustand:

    "Es ist inakzeptabel und weil wir es nicht akzeptieren, haben wir nun eine neue Formel gefunden: die emplois d'avenir, die Zukunftsjobs."

    Also Jobs, die zu 75 Prozent staatlich bezuschusst werden. Sie sind auf ein bis drei Jahre angelegt und richten sich vor allem an junge Arbeitssuchende ohne Diplom.

    An die Jobs soll auch eine Ausbildung mit anerkanntem Zeugnis gekoppelt sein, so Hollande, um später die Arbeitssuche zu erleichtern. 150.000 solcher Stellen sollen bis 2014 geschaffen werden. Die Opposition hält diese Maßnahme für teuren Unsinn. Sie ist übrigens auch nicht ganz neu, denn ähnliche staatlich geförderte Jugendprogramme hat es zuvor schon gegeben. Stéphane Précigout, der Leiter der Mission Locale in Saint Gaudens, einer Agentur, die jungen Menschen beim Berufseinstieg hilft, hält die sogenannten Zukunftsjobs dennoch für eine sehr wichtige Überbrückungshilfe. Das Problem Jugendarbeitslosigkeit werde so zwar nicht grundsätzlich gelöst, so Précigout, aber:

    "Hier geht es vor allem um die soziale Nützlichkeit. Das heißt, den jungen Leuten zu zeigen, dass sie etwas wert sind, dass man ihnen vertraut und ihnen Mittel an die Hand geben will, sich in einem langfristigen Projekt zu engagieren."

    Précigout sorgt sich, dass die jungen Leute sonst völlig resignieren. An den gesellschaftlichen Rand gedrängt, könnten sie dann möglicherweise zu einem noch größeren Problem werden. Der Leiter der Mission Locale ist überzeugt, dass Frankreich eine Reindustrialisierung benötigt.

    "Die Industrie existiert quasi nicht mehr in unserer Gegend. Das bedeutet, dass wir nur noch ein sehr dünnes beziehungsweise sehr unsicheres Arbeitsplatzangebot haben."

    Denn die wenigen kleinen Betriebe, die noch existierten, böten kaum langfristige Anstellungen und damit keine Zukunftsperspektiven für junge Leute.

    Eine solche Reindustrialisierung will die Regierung Ayrault nun mit verschiedenen Maßnahmen anschieben. Denn in den vergangenen zehn Jahren hat die französische Industrie 740.000 Stellen abgebaut, die Industrie trägt nur noch rund zwölf Prozent zur französischen Wirtschaftsleistung bei, in Deutschland ist es beinahe das Doppelte. Dieser Trend soll gestoppt werden. Vor allem kleinere und mittlere Unternehmen, die auch in Deutschland den Wachstumsmotor bilden, sollen stärker unterstützt werden. Doch das braucht Zeit. Zeit, die junge Arbeitssuchende wie Cynthia nicht haben. Beim Gedanken an ihre Zukunft seufzt sie tief:

    "Das wird kompliziert. Zum Glück leben wir auf dem Land, wir haben einen Gemüsegarten und können viel selbst anbauen. Besser, als in Toulouse arbeitslos zu sein. Die Zukunft? Ich weiß es wirklich nicht. Ich hoffe, es wird schon irgendwie werden."