Archiv


Frankreich und die NATO-Frage

Kaum ein anderes Thema ist emotional so besetzt wie die Rückkehr Frankreichs in die Militärstruktur der NATO. Eine Parlamentsaussprache mit Abstimmung soll am 17. März eine Entscheidung bringen. Jetzt hat Premierminister Francois Fillon sein politisches Schicksal von einem positiven Ausgang des Votums abhängig gemacht.

Von Burkhard Birke |
    "Es wäre ein Fehler voll in die NATO zurückzukehren. Da wird nicht einfach mit einem Federstrich eine vorhandene Position formalisiert, Frankreich gerät damit unter die Fuchtel eines anderen Landes."

    Befürchtet der frühere Premierminister Dominique de Villepin, bekannt vor allem für seinen Widerstand gegen den Irakkrieg.

    "Wenn man Frankreich wieder voll integriert, dann bedeutet das eine völlige Gleichschaltung und Frankreich rutscht in die Bedeutungslosigkeit ab."

    Warnt auf der anderen Seite des politischen Spektrums der Sozialist Laurent Fabius, ebenfalls Ex-Premierminister.

    "Ich habe mich dafür stark gemacht, dass eine Entscheidung von dieser Tragweite per Volksentscheid getroffen werden sollte, weil das eine Reise ohne Rückfahrtschein ist. Frankreich opfert aus meiner Sicht damit einen wesentlichen Teil seiner unter großen Opfern erworbenen Identität."

    Es wird kein Referendum geben, wie vom Zentrumspolitiker und Ex-Präsidentschaftskandidaten Francois Bayrou gefordert, immerhin aber nach der neuen Verfassung eine Parlamentsaussprache mit Abstimmung.

    Indem er sogar sein persönliches Schicksal mit dem Votum am 17. März verknüpft, tritt der amtierende Premierminister Francois Fillon die Flucht nach vorne an. Angesichts wachsenden Unmuts und zunehmender Opposition in den eigenen Reihen, denen der Regierungspartei UMP, blieb ihm wohl keine andere Wahl. Denn kaum ein anderes Thema ist emotional so besetzt wie die Rückkehr der Grande Nation in die Militärstruktur der NATO.

    Mit einem Paukenschlag hatte General De Gaulle 1966 Frankreich vom Joch der Amerikaner, von der Präsenz ausländischer Truppen auf eigenem Boden befreit und die Unabhängigkeit der Force de Frappe, der Atomstreitkraft, bewahrt. Und diese Errungenschaft, die Sonderrolle Frankreichs will Präsident Nicolas Sarkozy nun auf dem Altar des NATO-Jubiläumsgipfels in Straßburg Anfang April opfern?

    "Frankreichs Rückkehr ist eine militärische Notwendigkeit,""

    wirbt der frühere Premierminister Jean Pierre Raffarin im Auftrag des Präsidenten.

    "Unsere Soldaten nehmen an immer mehr Einsätzen teil. Unsere Militärinfrastruktur hängt zunehmend von der NATO ab, aber wir sind nicht dort präsent, wo die wesentliche Strategie festgelegt wird. Wir müssen deshalb unsere Verantwortung voll und ganz übernehmen, das heißt uns in die Kommandostruktur integrieren."

    Zur Belohnung soll Frankreich das Oberkommando über die Eingreiftruppen in Lissabon und ACT, die in Norfolk, USA, beheimatete Transformationskommandoeinheit bekommen.

    "Norfolk ist eine enorme Bürokratie und was man uns in Europa anbietet ist auch keine herausragende Rolle,"

    mäkelt der Sozialist Laurent Fabius.

    "Wir sind bereits in 38 der insgesamt 40 NATO-Militärausschüsse, sind also praktisch integriert. Lediglich im Verteidigungskomitee und der Nukleargruppe fehlen wir, wobei ein Beitritt zur Nukleargruppe übrigens nicht vorgesehen ist."

    Argumentiert der Vorsitzende des Außenausschusses der Nationalversammlung Axel Poniatowski. Ein Bein, das nukleare, will Frankreich also außen vorlassen.

    Ansonsten wird die Rückkehr als kooperative Geste an US-Präsident Obama angepriesen, obwohl sie unter Bush von Sarkozy angekündigt worden war.

    Die Diskussion darüber, wo Frankreich sich am besten international verwirklichen kann, ob in der NATO oder pseudo-unabhängig in einer zunehmend multilateralen Welt wirkt konfus. Die NATO-Frage ist längst auch zum Katalysator der sonst politisch wohl nicht korrekten parteiinternen Kritik an Stil und Politik Nicolas Sarkozys geworden. Marie Eve Malouines, Politikchefin bei Radio France:

    "Für Dominique de Villepin und die Chirac-Anhänger bot sie eine hervorragende Gelegenheit, die Regierung zu attackieren, weil General de Gaulle die Entscheidung seinerzeit getroffen hatte, und somit lässt sich gut kritisieren, ohne im eigenen Lager schmutzige Wäsche zu waschen."

    Somit wird die Regierung am 17. März wohl abgewatscht, nicht aber gestürzt werden!