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Frankreich: Widerstand gegen Abschiebungen wächst

Während der vergangenen drei Jahre hat sich in Frankreich ein engmaschiges Netz von lokalen Bürgerinitiatven organisiert, die das Abschieben illegal im Land lebender Familien verhindern wollen. Für Präsident Sarkozy eine schwierige Herausforderung: Schließlich hat er angekündigt, dass es mit ihm keine systematische Legalisierung der so genannten "Sans Papiers" etwa nach spanischem Vorbild geben wird. Ein Bericht von Margit Hillmann:

    In einer Anwaltkanzlei im Pariser Vorort Drancy: Immer wieder klingelt das Telefon: Vertreter von Bürgerinitiativen und Journalisten rufen an und erkundigen sich nach dem Stand der Dinge im Gerichtsverfahren gegen Marie-Françoise Durupt. Das Interesse ist groß, denn der Fall ist ungewöhnlich: Die 63-jährige aus der Bretagne ist angeklagt wegen "Anstiftung zur Rebellion", ihr droht bis zu einem Jahr Gefängnis. Catherine Herrero, Anwältin der Angeklagten, nennt die Details:

    " Der Staatsanwalt wirft meiner Klientin vor, gegen den brutalen Umgang der Polizisten mit zwei Abschiebehäftlingen protestiert zu haben. Er beschuldigt sie, rechtswidrig gehandelt und einen Aufstand unter den anderen Fluggästen angezettelt zu haben, die sich daraufhin mit den Abschiebehäftlingen solidarisiert und somit die Abschiebung der Männer verhindert hätten. ""

    Damit suggeriere die Staatsanwaltschaft, ihre Mandantin sei eine aggressive und militante Abschiebegegnerin. Das ist nicht der Fall, versichert Anwältin Herrero: Madame Durupt habe sich bis zu diesem Tag nicht an Aktionen gegen polizeiliche Abschiebungen beteiligt. Sie sei unfreiwillig und zum ersten Mal Zeugin eines solchen Vorgangs geworden und habe sich nur eingemischt, weil die Situation unerträglich geworden sei. Die Beamten in Zivil hätten "mit extremer Brutalität" die Sitzgurte der Abschiebehäftlinge stramm gezogen und Schreie der Abschiebhäftlinge mit Gewalt unterdrückt. Anwältin Herrero:

    " Als die Beamten den Abschiebhäftlingen auch noch Kissen aufs Gesicht drückten, um das Schreien zu stoppen, hat meine Mandantin einen der Männer rufen hören: "Ich ersticke, ich kriege keine Luft, - da wurde es ihr zuviel und sie hat protestiert.""

    Marie-Francoise Durupt erhebt sich von ihrem Sitz und ruft empört: "Ich schäme mich, Französin zu sein"; und "Ich habe mein Ticket nicht bezahlt, um mir so etwas ansehen zu müssen". Dass Ihrer Klientin nun von der Staatsanwaltschaft Anstiftung zur Rebellion vorgeworfen wird, sei nicht nur völlig absurd, sondern skandalös. Die französische Justiz werde von der Regierung missbraucht, um politische Signale zu setzen, ist Catherine Herrero überzeugt:

    " Dahinter steckt der politische Wille Bürger einzuschüchtern, die das Abschieben illegaler Einwanderer behindern. Denn, das Verfahren gegen Madame Durupt ist nur das erste von etwa 10 ganz ähnlichen Klagen, die demnächst vor französischen Gerichten verhandelt werden. Man will den Leuten Angst machen, damit sie sich nicht einmischen ... "

    Diese Einschätzung teilt auch Richard Moyon, Mitglied der Bürgerinitiative "Reseau Educations sans Frontières", kurz RESF, die sich landesweit für das Bleiberecht illegal in Frankreich lebender Einwandererfamilien einsetzt. Die Regierung verliert langsam die Nerven, glaubt Moyon: Die haben es satt, jedes Mal auf Widerstand zu stoßen, wenn sie eine Familien abschieben wollen. Richard Moyon:

    " Es ist der Versuch der Regierung, den Widerstand gegen die Massenabschiebungen zu brechen. "

    Doch je radikaler die Polizei gegen illegal eingereiste Einwanderer im Land vorgeht, umso stärker wächst auch die Bereitschaft in weiten Teilen der Bevölkerung, sich persönlich für von Abschiebung bedrohte Einwanderer einzusetzen. "Es sind ganz gewöhnliche Franzosen", berichtet der Sprecher RESF-Bürgerinitiative, "Nachbarn oder Arbeitskollegen, die es für ihre moralische Pflicht halten, eine Abschiebung zu verhindern, - in Länder, in denen es keine Zukunft für die Kinder gibt, den Familien häufig Gefahren für Leib und Leben drohen". Eine wachsende Solidarität, die sich in diesen Tagen auch in den französischen Ardennen zeige, erzählt Richard Moyon. Dort wurde von den Behörden gerade eine Familie mit kleinen Kindern in Abschiebehaft genommen, um sie nach Kasachstan abzuschieben.

    " Die zuständige Polizeipräfektur hat Hunderte von Faxen, Emails und Anrufe bekommen, - von wütenden Bürgern, die die Beamten mit Kollaborateuren der Judenverfolgung unter den Nazis vergleichen. Harter Tobak. Ein Vergleich, den wir als Verein nicht ziehen. Aber es zeigt, wie entsetzt viele Franzosen über die Immigrationspolitik und die Methoden der Regierung sind. "

    Der Widerstand in der macht die vom französischen Staatspräsident Nicolas Sarkozy für 2007 angekündigten 25 000 Abschiebungen unmöglich, glaubt denn auch der Sprecher der Bürgerinitiative: Er wird es ganz einfach nicht durchsetzen können, - jedenfalls nicht mit demokratischen Mitteln.

    "Si il veut le faire, il faudrait qu'il utilise des moyens difficilement compatible avec une démocratie. "