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Frankreich
Wie sicher sind die französischen Atomkraftwerke?

Die französische Atomaufsicht hat ihren Jahresbericht vorgelegt - und den Kraftwerken im Land insgesamt gute Noten ausgestellt. Doch Behördenchef Chevet gab auch zu, dass seine Behörde bei der Aufgabe, die französischen Kernkraftanlagen zu überwachen, zunehmend überlastet sei.

Von Suzanne Krause | 27.05.2016
    Das Atomkraftwerk in Fessenheim in Frankreich
    Das Atomkraftwerk in Fessenheim in Frankreich - die älteste Anlage des Landes. (dpa / picture-alliance / Patrick Seeger )
    "Ein schwerer Unfall in einem Kernkraftwerk kann nirgendwo ausgeschlossen werden, auch nicht in Europa", das sagte wortwörtlich Pierre-Franck Chevet, Präsident der französischen Atomaufsichtsbehörde ASN, vor gut einem Monat in einem Zeitungsinterview. Anlass war der 30. Jahrestag des GAU in Tschernobyl.
    Ein Szenario, von dem Frankreich bisher verschont blieb. Laut dem Sicherheitsbericht der Behörde wurde im vergangenen Jahr unter den 774 auffälligen Ereignissen überhaupt nur ein einziges als "einfacher Störfall" klassifiziert.
    Selbst im elsässischen Kernkraftwerk Fessenheim sei die Sicherheitslage im vergangenen Jahr überdurchschnittlich gut gewesen. Dabei ist Fessenheim vor allem den Nachbarländern seit Langem ein Dorn im Auge. Erst kürzlich wieder haben die Umweltministerinnen von Rheinland-Pfalz, dem Saarland und sogar Berlin, sowie auch Luxemburg in Paris um baldige Schließung der ältesten Anlage des französischen Atomstromparks gebeten. Der Chef der Atomaufsicht, Pierre-Franck Chevet, bleibt gelassen.
    Zusätzliche Aufgaben sind absehbar
    "Neben Fessenheim gibt es ebenfalls Proteste gegen Cattenom. Kürzlich klagte der Schweizer Kanton Genf gegen Bugey. Aus langjähriger Erfahrung heraus kann ich sagen: Solche Attacken hat es schon immer gegeben. Das einzig Neue daran ist, dass diese Angriffe nun mehr oder minder gleichzeitig laufen."
    Beim Blick in die Zukunft allerdings zeigt sich Pierre-Franck Chevet besorgt.
    "Die atomaren Anlagen stehen schon heute vor bislang unbekannten Herausforderungen. Zuallererst ist dies für den Atomparkbetreiber EDF das Thema einer eventuellen Laufzeitverlängerung, über 40 Jahre Betrieb hinaus. Dies bedeutet industriell und sicherheitspolitisch eine große Herausforderung. Wir haben EDF das Ziel vorgegeben, die Anlagen so weit wie irgend möglich den Sicherheitsstandards der dritten Reaktorgeneration, also dem Europäischen Druckwasserreaktor EPR, anzunähern."
    "Bei der Atomsicherheit ziehen Wolkenbänke auf", kommentiert die Tageszeitung Le Monde den Jahresbericht der Atomaufsichtsbehörde. Ganz offen gibt deren Präsident zu, die Amts-Mitarbeiter seien schon heute mehr als ausgelastet. Dabei sind zusätzliche Aufgaben absehbar. Denn neben den Atommeilern kommen nun auch Brennstofffabriken oder Forschungseinrichtungen in die Jahre.
    Atomkraftwerke sind von Streiks betroffen
    "Die Kernkraftwerke werden seit ihrer Inbetriebnahme alle zehn Jahre umfassend kontrolliert. Bei den anderen großen Nuklearanlagen hingegen ist dies nicht der Fall. Da steht nun die allererste Sicherheits-Überprüfung an. Bis Ende 2017 kommen diesbezüglich 50 Dossiers auf uns zu. "
    Unerwartete Mehrarbeit bringen auch die Skandale der letzten Wochen wie die Aufdeckung, dass bei manchen Reaktor-Ausstattungsteilen die Ergebnisse der Qualitätsprüfung in der Fabrik gefälscht wurden. Als 'völlig inakzeptabel' rügt dies die Atomaufsicht. Und lässt nun alle Werke, alle Produktionen ab 1965 prüfen. Kraftwerke sollen deshalb aber vorerst nicht abgeschaltet werden. Aufmerksam verfolgt Pierre-Franck Chevet auch die Finanzprobleme beim Atompark-Betreiber EDF und die Umstrukturierung beim Atomkonzern AREVA.
    "Diese Situation sorgt für ein potenzielles Sicherheitsrisiko. Es kann dazu führen, dass gewisse Investitionen in die Sicherheit nicht oder nur verzögert durchgeführt werden."
    Dass im Rahmen der Proteste gegen die geplante Arbeitsrecht-Reform derzeit auch das Personal der Atommeiler streikt, sei dagegen kein Problem. Es ist schließlich nicht der erste Streik in den französischen Atomkraftwerken, kommentiert Pierre-Franck Chevet. Und versichert: Solange die herkömmlichen Betriebsregeln eingehalten werden, sei die atomare Sicherheit nicht bedroht.