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Frankreichs Atommüll
Noch viele offene Fragen in Endlagerdebatte

Im kleinen Dorf Bure in Lothringen könnte Frankreichs erstes Endlager für Atommüll entstehen. Nun wurden in Paris die ersten Ergebnisse der landesweiten Anhörungsverfahren zu den Plänen veröffentlicht. Die Debatte dürfte aber noch längst nicht zu Ende sein.

Von Suzanne Krause | 13.02.2014
    "Kein Atommüll nach Bure!", mit diesem Slogan sprengten einige Dutzend Umweltschützer die Auftaktdiskussion zur atomaren Endlagerstätte im Gemeindehaus des Dörfchens Bure, Ende Mai 2013. Der nächste Termin platzte ebenso - die öffentlichen Anhörungen wurden daraufhin ins Internet verlegt. Auf der Webseite der sogenannten "nationalen Kommission für die landesweite Debatte", mit deren Durchführung beauftragt, konnte sich jedermann informieren, Fragen und Meinungen einbringen. Bei neun Videokonferenzen äußerten sich Experten zum Für und Wider von Cigéo.
    Insgesamt 76.000 Mal wurde die Webseite angeklickt, bilanziert der Präsident der "nationalen Kommission für die landesweite Debatte", Christian Leyrit. 1.500 Fragen gingen ein sowie 154 sogenannte "Cahiers d'acteurs", profunde Stellungnahmen. Die Hälfte dieser "Cahiers d'acteurs" stammt von Bewohnern in der Nachbarschaft der geplanten Atommüllanlage. Christian Leyrit:
    "Die Kluft zwischen den Befürwortern des Projekts und denen, die gegen die geologische Endlagerung sind, ist sehr tief."
    Kaum unabhängige Studien
    98 Seiten umfasst das Resümee des achtmonatigen Anhörungsverfahrens. Der Bericht hält fest: Sicherheitsfragen stehen an allererster Stelle. Festgeschrieben wurde: Manche Gefahren, darunter das Risiko eines Brands im unterirdischen Endlager, sind bislang zu wenig beleuchtet. Es mangelt an unabhängigen Studien. Des Weiteren haben sich beim öffentlichen Anhörungsverfahren weder Bauherr Andra, die staatliche Agentur für Atommülls, noch andere staatliche Stellen zu den Projektkosten geäußert. Ende 2010 war die Rede von 35 Milliarden Euro, bis zum Sommer soll die Atommüll-Agentur aktuelle Schätzungen vorlegen.
    Am ersten Februar-Wochenende ließ die 'nationale Kommission für die landesweite Debatte' 17 zufällig ausgewählte Bürger, nach sorgfältiger Einführung in das Thema, zur Endlagerung diskutieren. Unter Leitung der Jura-Professorin Marie-Angèle Hermitte.
    "Was diese Veranstaltung lehrte: Die Teilnehmer sind nicht prinzipiell gegen eine geologische atomare Endlagerung. Aber sie meinen, der vom Gesetz vorgegebene Zeitrahmen sei viel zu eng. Zu viele Fragen seien noch unbeantwortet. Sie sprechen sich dafür aus, die Endlagerung erst einmal modellhaft in Lebensgröße zu testen. Erst wenn dann Erfahrungswerte vorliegen, sollte Cigéo wirklich gebaut werden."
    Pilotversuch der Endlagerung
    Anmerkungen, die die Atommüll-Agentur ANDRA, in ihrem Genehmigungsantrag für die Anlage berücksichtigen muss. Man prüfe nun, ob ein "Pilotversuch der Endlagerung" machbar sei, verkündete ANDRA gestern Abend in einer Pressemitteilung. Während Umweltschützer fordern, das Endlagergesetz zu ändern. Um den grundsätzlichen Kritikpunkten, die das Anhörungsverfahren teils erstmals ans Licht brachte, gerecht zu werden.
    Dass die öffentlichen Diskussionen ins Internet verlegt wurden, dafür wird die "nationale Kommission für die landesweite Debatte" kritisiert. Sogar in den eigenen Reihen. Barbara Redlingshöfer, eine Deutsche, die für den französischen Staat arbeitet, gehört zu der speziellen Endlagerdebatte-Kommission. Im Herbst hatte die Mehrheit ihrer Mitglieder vergeblich Vorschläge für bürgernähere Verfahren gemacht.
    "Die Mehrheit der Kommission stellt zumindest fest, dass die öffentliche Debatte Cigéo eigentlich ein Misserfolg war. Weil die eigentlichen Ziele nicht erreicht wurden. Es ging ja darum, wirklich die gesamte Bevölkerung und insbesondere die lokale Bevölkerung mit in die Debatte einzubeziehen. Und das ging mit den Internet-Debatten natürlich überhaupt nicht."