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Frankreichs Konservative
"Die deutsche Politik ist großer Unfug"

Eigentlich pflegen Frankreichs Konservative einen guten Kontakt zur CDU und zu Angela Merkel. Doch nun wird in Paris Kritik an der Bundeskanzlerin laut: Mit der Öffnung der Grenzen habe sie die Flüchtlingskrise beschleunigt und spiele damit den Rechten in die Hände.

Von Ursula Welter | 17.09.2015
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (vl, CDU), Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) unterhalten sich am 09.09.2015 im Bundestag in Berlin.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (v.l.), Bundesinnenminister Thomas de Maiziere und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
    Der Innenhof der Parteizentrale der französischen Konservativen ist kühl, es regnet stark, den Rauchern tropft Wasser auf die Schultern, der große Schirm ist undicht. Pierre Lellouche stört das nicht. Der außenpolitische Sprecher der Konservativen nimmt sich Zeit für eine zweite Zigarette und für einen verärgerten Blick Richtung Deutschland.
    "Ich weiß es nicht, ich frage mich wie andere auch, warum sie so brutal die Richtung gewechselt hat."
    Auf Angela Merkel ist Pierre Lellouche nicht gut zu sprechen:
    "Sie hat eine Krise beschleunigt, eine Krise, die jetzt nicht mehr zu bewältigen ist."
    Die politischen Freunde der Bundeskanzlerin jenseits des Rheins sind ratlos, ja wütend, dass Angela Merkel die Arme für Einwanderer zunächst weit geöffnet hat:
    "Als sie diese Entscheidung getroffen hat, hat sie einen immensen Lockruf in Richtung der Millionen Menschen geschickt, die derzeit in der Türkei, im Libanon, in Jordanien ausharren, ganz zu schweigen von denen, die in Afrika und auf dem Sprung über das Mittelmeer sind."
    Niemand aus der CDU hat die Parteifreunde in Paris vorbereitet
    Angela Merkel habe mit ihrem Kurs in der Flüchtlingsfrage die französischen Rechtsextremen gestärkt:
    "Es ist klar, dass Frau Le Pen die große Nutznießerin dieser großen Angst ist, nicht wir."
    Pierre Lellouche greift zur Zigarette.
    "Ja, dafür trägt sie (Angela Merkel, Anm. der Red.) irgendwo die Verantwortung, sicher...."
    Der Mann, der enge Kontakte zur CDU-CSU-Fraktion pflegt, versucht, seine Worte abzuwägen, aber die Verärgerung steht ihm ins Gesicht geschrieben. Und nach der Frage, was er vom Appell der Kanzlerin an den "europäischen Geist" halte, platzt es aus ihm heraus:
    "Aber sie kann doch nicht vom europäischen Geist reden, wenn es ihr gerade in den Kram passt. Deutschland kann nicht von den anderen Quoten fordern. Wenn ich Alexis Tsipras wäre, würde ich Quoten für die griechischen Schulden verlangen und sagen, übernehmt einen Teil meiner Schulden und wenn ich François Hollande wäre, würde ich sagen, gebt mir eine Quote deutsche Soldaten oder Hubschrauber für den Einsatz in Mali," sagt der Außenpolitiker der französischen Konservativen. Niemand aus der CDU habe die Parteifreunde in Paris vorbereitet, sagt Lellouche, wir hätten uns das anders gewünscht - bei einem Thema, das in Frankreich so sensibel ist, angesichts des Einwanderungsdrucks, der bereits herrsche, angesichts hoher Arbeitslosigkeit und sozialer Probleme.
    Als Lellouche den Innenhof der Parteizentrale in Paris verlässt, um zurück in den Tagungsraum zu gehen, äußert sich der Außenpolitiker besorgt um Europa, es könne durch diese Krise zum Schlimmsten kommen.
    Im Saal im ersten Stock hat Parteichef Sarkozy gerade das Wort ergriffen, er wiederholt seine Forderung nach einem zweiten Schengen-Vertrag:
    "Verlieren wir nicht zu viel Zeit damit, Frau Merkel zu kritisieren, sagt Sarkozy. "Ich habe sie nicht zu kritisieren an dem Tag, an dem Sie in Deutschland das tut, was man für Frankreich hätte tun müssen. Wenn man sie zu kritisieren hatte, dann nicht jetzt."
    Jetzt, da Grenzkontrollen für Nicht-EU-Bürgerdurchgeführt würden, wie er, Sarkozy, sie seit Langem gefordert habe.
    "Schwerer politischer Fehler für Europa"
    Den Saal verlassen hat gerade Xavier Bertrand, der zu einem Interview ins Fernsehstudio geeilt ist - das Schwergewicht der konservativen Partei tritt gegen Marine Le Pen im Norden Frankreichs bei den Regionalwahlen an, er kann oder will der extremen Rechten das Feld nicht überlassen, als er sagt:
    "Die deutsche Politik ist großer Unfug."
    Frankreich jedenfalls könne noch mehr Flüchtlinge weder unterbringen, noch ernähren, noch ausbilden.
    "Ein rein deutsches Europa werde ich nicht akzeptieren," sagt der konservative Politiker. Ist Europa in seiner Existenz gefährdet, wird Bertrand gefragt? Aber ja, sagt er, eindeutig.
    Im selben Fernsehstudio wird auch Malek Bouthi nach der deutschen Politik gefragt. Bouthi ist Abgeordneter der regierenden Sozialisten:
    "Die Großzügigkeit der deutschen Bevölkerung kann man begrüßen, aber Angela Merkel hat einen schweren politischen Fehler für Europa begangen."
    Als sie einseitig einen Lockruf für Flüchtlinge aussprach, sagt auch der Sozialist:
    "Die Wahrheit ist, dass das Benehmen von Frau Merkel Krisen in den Nachbarländern Deutschlands auslöst, zu allererst in Frankreich - Frau Merkel ist die Alliierte von Frau Le Pen."