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Frankreichs Laizismus
Liberté, Egalité, Laïcité - wie ein Land versucht, die Religion zu vergessen

Der 9. Dezember ist der Tag der Laïcité: Er erinnert an das Gesetz von 1905, mit dem die Trennung von Kirche und Staat besiegelt wurde. Was damals den Einfluss des Katholizismus zurückdrängen sollte, gilt heute der Religion an sich. Das Prinzip ist heilig, aber kein Allheilmittel.

Von Andreas Meier | 28.11.2018
    Foto einer Demonstration in Mulhouse gegen die Diskriminierung verschleierter Musliminnen - die Demonstranten halten eine große französische Flagge als Transparent in Händen. Foto: Darek Szuster / dpa
    Foto einer Demonstration in Mulhouse gegen die Diskriminierung verschleierter Musliminnen (dpa / Darek Szuster)
    "In der französischen Universität beschäftigt sich fast niemand mit biblischen Texten, die zur Grundlage unserer Kultur gehören", sagt Oliver Abel. "So entgeht unseren Studenten ein großer Teil unserer literarischen Kultur. Und die Philosophie kennt die theologischen Fragen nicht, welche große Philosophen wie Descartes, Kant, Hegel und auch Nietzsche beschäftigt haben. Es ist ein Übel, dass eine globale Kultur des Vergessens Frankreich beherrscht."
    Oliver Abel ist Professor für Moralphilosophie an der Fakultät für Evangelische Theologie in Montpellier. Was er vermisst und was Frankreich seiner Ansicht nach vergisst: die religiöse Bildung. Seine Kritik berührt ein Prinzip des französischen Selbstverständnisses: die Laïcité, also die strikte Trennung von Staat und Kirche, von Staat und Religion.
    Abel ist nicht der einzige, der die Lücken der Laïcité benennt. Wer Religion verdrängt, versteht weder Geschichte noch Gegenwart. Solche Stimmen werden lauter. Doch Laïcité ist – heilig. Und das hat mit der Französischen Revolution von 1789 zu tun. Dem Urereignis Frankreichs.
    Eine Schwarz-Weiß-Zeichnung zeigt eine aufgebrachte Menschenmenge, die die abgeschlagenen Köpfe des ermordeten Gouverneurs der Bastille Bernard-René Jordan de Launay und des Bürgermeisters Flesselles am 14.7.1789 durch die Straßen von Paris trägt. Dieser Tag markiert den Beginn der Französischen Revolution.
    Eine aufgebrachte Menschenmenge trägt die abgeschlagenen Köpfe des ermordeten Gouverneurs der Bastille De Launay und des Bürgermeisters Flesselles am 14.7.1789 durch die Straßen von Paris. Dieser Tag markiert den Beginn der Französischen Revolution. (dpa / picture alliance )
    Die Maximalforderungen "Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit" waren nach der revolutionären Mordserie den Überlebenden keine Hilfe. Napoleon half aus der moralischen Lücke: Im Konkordat erkannte er erstmals in Frankreich als Religionsgemeinschaften neben der katholischen die evangelische Kirche sowie Juden an. Der Staat bezahlte ihre Geistlichen, ihr Religionsunterricht wurde wichtigstes Schulfach. Der Historiker Philipp Portier:
    "Soziale Beziehungen können nur auf religiösen Bindungen aufgebaut werden. Dahinter stand die Idee: Der Staat kann zwar den Dieb bestrafen. Aber nur die Religion kann das Herz des Diebes umstimmen. Das war die Grundlage für alle politischen Herrscher in Frankreich von 1800 bis 1880."
    "Religion ist keine Privatsache"
    1871, nach der Niederlage im deutsch-französischen Krieg, entstand in Frankreich die Dritte Republik. Republikaner wollten die Revolution und damit "die Aufklärung" verwirklichen. Und das bedeutete auch: Sie wollten die katholische Kirche entmachten. Ihr ideologisches Feindbild: "die Religion"; ihre Parole: "Religion ist Privatsache". Philosoph Olivier Abel sieht darin Ignoranz am Werk:
    "Die Religion ist keine Privatangelegenheit. Religion stellt anthropologisch eine Beziehung zwischen Menschen her, sie bringt zusammen, lässt Gemeinsamkeiten entdecken. In ihr steckt eine Kraft, die die Trennung zwischen Privatem und Politik überschreitet."
    Am 9. Dezember 1905 verabschiedete das Parlament das "Gesetz zur Trennung von Kirche und Staat". Der "Vater" des Gesetzes ist Aristide Briand. Er lotste die Parlamentskommission durch hitzige Debatten zu einem Kompromiss. Historiker Philipp Poitier fasst die zentralen Gedanken zusammen:
    "Artikel eins des Trennungsgesetzes sagt, dass die Republik die Freiheit des Gewissens sichert und die Freiheit der Kultausübung garantiert. Der zweite Artikel stellt fest, dass die Republik Kulte weder anerkennt noch finanziert noch bezuschusst."
    Der deutsche Politiker Gustav Stresemann (r) mit dem französischen Politiker Aristide Briand
    Der deutsche Politiker Gustav Stresemann (r) mit dem französischen Politiker Aristide Briand (dapd)
    24 der 45 Gesetzesartikel betreffen die seit der Revolution verstaatlichten Kirchbauten. Dörfer, Städte und Departements pflegen und erhalten vor 1905 gebaute Kirchengebäude als Kulturgüter - bis heute.
    "Nach dem ersten Artikel sorgt der Staat dafür, dass Gottesdienste abgehalten werden können. Das ist die Grundlage der religiösen Freiheit", sagt Anne Fornerod, juristische Dozentin in Straßburg und Rennes. Sie betont: Das Gesetz garantiert die Freiheit der Religionsausübung. Das ist mehr als die Freiheit zu glauben oder nicht zu glauben.
    Das Gesetz von 1905 sollte den Einfluss der katholischen Kirche zurückdrängen. Kritiker sagen: Es sollte Religion vergessen machen.
    Der neutrale Staat
    Doch ganz so einfach ist es nicht, denn es ermöglicht die Ausübung von Religion: Erstens finanziert der zur Neutralität verpflichtete Staat Seelsorger der Religionsgemeinschaften in Gefängnissen, Krankenhäusern und beim Militär. Der "neutrale" Staat nutzt also Vorteile "der Religion".
    Elsass-Lothringen gehörte 1905 nicht zu Frankreich. Da die Elsässer nach dem Ersten Weltkrieg das napoleonische Konkordat mit staatlichen theologischen Fakultäten und Religionsunterricht behielten, ist zweitens der Gültigkeitsbereich des Trennungsgesetzes im Mutterland Frankreich eingeschränkt.
    Das Trennungssystem gilt drittens in vielen überseeischen Gebieten Frankreichs nicht. Dort übernehmen Staatsfunktionäre religiöse Aufgaben, die nach Landeskultur Herrschern zufallen.
    Viertens eröffnet der "neutrale" französische Staat Möglichkeiten, das gesetzliche Subventionsverbot für Gottesdienstvereine zu umgehen. Art. 1 verbietet, Gottesdienstvereine zu "subventionieren". Wer auf das Wort "Subvention" verzichtet, kann aber Subventionen fließen lassen:
    "Es gibt die kulturelle Finanzierung religiöser Projekte: Man kann etwa die Bibliothek oder den Konferenzsaal usw. einer religiösen Einrichtung finanzieren. Das geschah mehrfach", sagte die Historikerin Valentine Zuber in einem Gespräch über das "Ärgernis Laïcité" im Internet-Kanal "La Media TV". Auf kulturellem Umweg werden Religionsgemeinschaften finanziert.
    Religion wird unsichtbar gemacht
    Der Begriff "Laïcité" kommt im Trennungsgesetz von 1905 nicht vor und ist seitdem in der politischen Debatte doch allgegenwärtig.
    "Laïcité ist die Freiheit, eine Meinung zu haben."
    Das ist der Programmsatz der 1991 gegründeten Laïcité-Lobby-Organisation "Comité Laïcité République". Das Trennungsgesetz von 1905 ist in seinen zentralen Artikeln unverändert. Aber das Gesetzesverständnis hat sich in den Jahrzehnten verschoben. Laïcité heißt nicht mehr, dass sich der Staat neutral gegenüber Religionsgemeinschaften verhält. Es bedeutet, dass Religion öffentlich neutralisiert, unsichtbar gemacht wird.
    "Nach und nach wurde neutrales Auftreten nicht nur von Staatsfunktionären verlangt", sagt Historiker Philipp Poitier . "Schüler sollten in der Schule ihre religiöse Zugehörigkeit nicht mehr erkennen lassen, damit, wie es heißt, soziale Beziehungen in der Schule nicht gestört werden."
    Keine religiösen Zeichen in der Schule
    Seit 2004 verlangt ein Gesetz, dass Schüler in den Schulen "Zeichen und Kleidungsstücke ablegen, die eindeutig ihre religiöse Zugehörigkeit anzeigen." Allein der Staat bestimmt, welches "Zeichen", etwa Kleidungs- oder Schmuckstück, eine religiöse Mitteilung des jeweiligen Schülers ist. Seit 2013 werden an Schulen "Urkunden der Laïcité", Chartes de Laïcité ausgehängt. Unter der Überschrift "Die Republik ist laizistisch - Die Schule ist laizistisch" folgen 15 Regeln: Selbstverständlichkeiten der Art, wie, man solle nicht gewalttätig miteinander umgehen, umrahmen die Aufforderung, religiös "neutral" zu sein. Diese Urkunden verbreiten sich in öffentlichen Gebäuden und mahnen alle Leser, "neutral" ihr Leben zu gestalten.
    Eine Lehrerin sitzt in Frankreich in einem Klassenzimmer vor ihren Schülern.
    In französischen Schulen dürfen Schüler keine "Zeichen und Kleidungsstücke" tragen, "die eindeutig ihre religiöse Zugehörigkeit anzeigen". (imago stock&people)
    Im Januar 2018 verpflichteten sich die Abgeordneten im Parlament, wie die Schüler auf jene Abzeichen an ihrer Kleidung zu verzichten, die nach der Zeichenlehre auf religiöse Zugehörigkeit verweisen.
    Abbé Pierre und Chanoine Kir, Ordensmitglieder und Widerstandskämpfer im Zweiten Weltkrieg, betraten trotz Trennungsgesetz als gewählte Abgeordnete bis in die 1950er-Jahre in Soutane das Parlament. Diese Toleranz ist im Namen der "Laïcité" kassiert. Frankreich hat eine neue Nationalreligion, die "Laïcité".
    Klagen gegen Priester als Uni-Rektor
    Eine Reizfigur für Laizisten ist der Straßburger Uni-Rektor Michel Deneken, Theologieprofessor und katholischer Priester. Acht Jahre war er als erster Vizepräsident an der Universität auch zuständig für Universitätsfinanzen. Er hatte präsidiale Vollmacht,
    "…, wenn der Präsident nicht da ist. Also damals hätte man sagen sollen: Es ist nicht möglich, dass ein katholischer Priester ein solches Amt haben kann. Es hat sich zugespitzt, als ich der Präsident war", erzählt Deneken.
    Nach seiner Wahl zum Präsidenten der Universität 2016 bekämpften Laïcité-Verfechter diese Wahl. Weil es mit der Laïcité - auch in Elsass-Lothringen – unvereinbar sei, dass ein katholischer Theologe, ein Untertan des Papstes, Universitätspräsident, staatlicher Funktionär sein sollte. Eine Professorengewerkschaft verlangte vom Verwaltungsgericht, die Wahl zu annullieren. Deneken sagt:
    "Zu behaupten, dass ich nicht wählbar bin, würde sagen, dass es in Frankreich Bürger zweier oder dreier Kategorien gibt."
    Zunächst wies das Verwaltungsgericht in Straßburg die Klage ab, dann im Juli 2018 auch das oberste Verwaltungsgericht.
    Muslime und Freikirchen finden keine Räume
    Noch mehr als die christlichen Konfessionen beschäftigt der Islam die Gerichte. Die rund sechs Millionen Muslime in Frankreich sind längst nicht so gut organisiert wie die Kirchen. Oft verzweifelt suchen Muslime wie freikirchliche Gruppen nach Versammlungsräumen. Wenn sie eine Immobilie finden, kann der Bürgermeister Vorkaufsrechte geltend machen, um sie für ein Stadtplanungsprojekt zu nutzen.
    Ob dies zutrifft oder ob die Religionsgemeinschaft schlicht ferngehalten werden soll, entscheiden Verwaltungsgerichte. Die Forderung des Trennungsgesetzes, Religionsausübung zu ermöglichen, wird oft hintangestellt.
    "Wir müssen einen neuen Umgang mit dem Islam in Frankreich einführen. Diese politische Notwendigkeit stellt vor die Frage, welche Bedeutung heute die vor über 100 Jahren im Trennungsgesetz beschlossene Laïcité hat. Man wollte den wechselnden Religionen das Recht nehmen, über die dauerhafte Menschheit zu bestimmen. Über 100 Jahre später fragt sich: Muss Laïcité neu definiert werden? Können ständig wechselnde Regierungen die Religionen regieren, welche andauern?"
    Die Journalisten Raphaël Bourgois und Emilie Chaudet benannten mit dieser Moderation in "France Culture" genau das Problem: Erlaubt das Gesetz von 1905 Frankreich heute, mit den wachsenden Religionsgemeinschaften in seinen Grenzen angemessen umzugehen?
    Die letzten 113 Jahre haben die Voraussetzungen grundlegend verschoben: Religiöses Leben ist nicht, wie Trennungsideologen behaupteten, ein vergänglicher Teil der Wirklichkeit. Die Wirklichkeit bleibt von wechselnden Religionsgemeinschaften bestimmt, auch wenn etablierte Kirchen kollabieren.
    Interreligiöse Gesprächen gelten als gefährlich
    Die Erkenntnis, dass Religion nicht verschwindet, verunsichert die Laïcité-Lobby-Organisation allerdings nicht. Patrick Kessel, Ehrenvorsitzender des Comité Laïcité République, hält zum Beispiel ein staatlich initiiertes interreligiöses Gespräch mit Muslimen für gefährlich:
    "Laïcité hat nichts mit Interreligiösen Gesprächen zu tun. Es wäre beunruhigend, wenn der Staat sie als trojanisches Pferd benutzt, um gegen das Trennungsgesetz das Konkordat einzuführen und so die Religionen in die politische Debatte zurückholt."
    Die Laïcité folgt, wenn sie derart ideologisch vertreten wird, einem alten republikanischen Zerrbild der Wirklichkeit. Demnach ist die Welt in hermetische Kreise Politik/Öffentlichkeit und "Religion" aufgeteilt, zwischen denen Kontakt und Gespräche verboten sind.
    Die katholische Kirche hatte im 19. Jahrhundert eine Machtstellung, die Gesellschaft in Frankreich politisch zu knebeln. Davon befreite die Deklerikalisierung auch durch das Trennungsgesetz. Aber wenn heute religiös engagierte Franzosen politisch aktiv werden - in unterschiedlichen Parteien, durch Leserbriefe –, ist das mit dem Machtkalkül der Kirchenorganisation nicht zu vergleichen.
    Ein Atheist spricht mit Gläubigen
    Ein kommunistischer Regionalpolitiker erzählt von seiner Arbeit auch mit Muslimen im südfranzösischen Alès:
    "Angesichts der Schwierigkeiten in unserer Gesellschaft wegen rassistischer Übergriffe, klärte ich als Atheist in meiner Kommune mit Vertretern der Religionsgemeinschaften - Katholiken, Protestanten und Muslimen -, wie wir gesellschaftlich friedlich zusammenleben. Diese Gruppe der Gläubigen und Ungläubigen ging dann an die Öffentlichkeit. Durch regelmäßige Projekte weckt sie Begeisterung dafür, verständnisvoll und friedlich miteinander zu leben."
    Jean-Michel Suau sieht in den religiösen Gruppen seiner Stadt Ansprechpartner, um durch gemeinsame Aktivitäten Bürger zusammenzuführen. Suau ist Anhänger der Laïcité. Aber er ist nicht ideologisch blind für die Bedeutung religiöser Gruppen in der Gesellschaft, um gemeinsam mit ihnen gemeinsame Probleme zu lösen. Zwangloser Umgang mit Religionsvertretern widerspricht dem Dogma der Laïcité, jeden Kontakt mit "der Religion" zu vermeiden.
    Macron: "Verhältnis von Kirche und Staat reparieren"
    "Wenn ich als Präsident einer République laïque im Sinne der Laïcité nur die großen Leistungen der Protestanten für die Freiheiten Frankreichs würdigen wollte, ginge ich nicht auf ihren protestantischen Glauben ein."
    Präsident Macron nannte 2017 im Empfang der französischen Protestanten zur 500. Jubiläum der Reformation den Kern des Problems: Laïcité ist blind für den religiösen Teil unserer Wirklichkeit, bestreitet ihn.
    "Wir sind uns einig, dass das Verhältnis zwischen Kirche und Staat gestört ist. Wir müssen es reparieren. Dabei hilft nur der um die Wahrheit bemühte Dialog."
    Das sagte Macron dann auf der katholischen Bischofskonferenz. Als erster Präsident sucht er Versammlungen der Religionsgemeinschaften auf. Laïcité-Verfechter Laurent Bouvet protestierte im "Figaro":
    "Der Präsident verstieß nicht gegen das Trennungsgesetz von 1905. Aber seine Worte schaden dem Prinzip der Laïcité."
    Zur Lösung gemeinsamer täglicher Probleme bürgerte sich mancherorts ein Arrangement mit Religionsgemeinschaften ein. Franzosen leben in verschiedenen Wirklichkeiten.
    Misstrauen wuchert
    Gegen Laïcité ist niemand, aber stillschweigend geht ihr Verständnis davon weit auseinander. Viele "Amicale laïque" genannte Ortsvereine organisieren Flohmärkte, Nachhilfe, zeigen Filme usw. - im Namen der Laïcité, auf die sich alle Mitglieder formal verpflichten. Der Begriff ist in.
    Doch laizistisch Strenggläubige wollen mehr als Nachbarschaftshilfe. Sie zelebrieren den nationalen Gedenktag am 9. Dezember.
    Wie viele Schulen ihn begehen, verrät das für ihn verantwortliche "Observatorium der Laïcité" nicht. Wo er abgehalten wird, loben Gesprächskreise und Vorträge - auch von Politikern – das Trennungsgesetz. Kritische Gespräche über das Gesetz, welches das Parlament 1905 ohne Abstimmung mit den Kirchen 1905 beschloss, gibt es nicht. Religionsgemeinschaften sind nicht am Gedenktag beteiligt. Das Misstrauen gegen "die Religion" wuchert - trotz des praktischen Arrangements mit Religionsgemeinschaften. Die Juristin Anne Fornerod:
    "In Frankreich sagt man immer wieder reflexartig: Verdecke die Religiösen, damit ich nichts von ihnen weiß"
    Moralphilosoph Oliver Abel zählt sich zu den religiös Verdeckten:
    "Mindestens zweimal wurde ich angerufen wegen der Teilnahme an einer Fernsehdebatte. Herr Abel, wurde ich gefragt: ‚Wir möchten gerne einen Gesprächspartner haben, der dasselbe wie Sie sagt, aber kein Theologieprofessor ist‘. Das zeigt, wie weit in der französischen Gesellschaft im Umgang mit religiösen Fragen die Selbstzensur reicht. Es ist sehr problematisch, dass Menschen als Gesprächspartner in der politischen Debatte deshalb ausgeschlossen werden, weil sie Theologen sind oder in ihrem Glauben urteilen."