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Frankreichs Medien gehen aufeinander los

Außenminister Laurent Fabius hinterzieht möglicherweise Steuern, berichtet die Zeitung "Libération" und beruft sich auf Recherchen des Internetportals "mediapart". Das aber bezeichnet die Geschichte als Gerücht und wirft dem Konkurrenten vor, journalistische Regeln zu missachten.

Von Ursula Welter | 09.04.2013
    Der Mann mit dem dunklen Schnauzbart, Edwy Plenel, ist hörbar wütend.

    "Warum dementiert er ein Gerücht? Ich bin verblüfft zu sehen, dass Zeitungen Artikel über ein Gerücht platzieren."

    Gestern Morgen war die seit Mai 2012 sehr regierungsfreundliche Zeitung "Libération" mit der Schlagzeile erschienen: "Der Alptraum geht weiter."

    Gemeint war diesmal weniger die Affäre um den Ex-Budgetminister Cahuzac, der die französische Führung in eine schwere Krise gestürzt hat. Gemeint war diesmal auch kein beigeordneter Minister, sondern ein wirkliches Schwergewicht im Kabinett, Außenminister Laurent Fabius.

    Der, so schrieb die Zeitung "Libération", besitze womöglich ebenfalls ein Schwarzgeldkonto in der Schweiz. Das Onlineportal "mediapart", dessen Chef der Mann mit dem markanten Schnauzbart, Edwy Plenel, ist, habe womöglich entsprechende Beweise gesammelt. Ein junger Journalist, Fabrice Arfi von "mediapart", der bereits den Haushaltsminister zu Fall gebracht habe, sei mit seinen Recherchen an Fabius herangetreten, am Samstag habe es ein Treffen des Journalisten mit dem Außenminister gegeben, deshalb Krisenstimmung im Elyséepalast. Auch das Dementi des so indirekt Beschuldigten wurde abgedruckt.

    Eine Zeitung also, die angebliche Recherchen der Konkurrenz zu einer Titelstory macht. Edwy Plenel veröffentlichte auf der Internetseite von "mediapart" gestern eine scharfe Anklage an die Adresse von "Libération". Missachtung grundlegender journalistischer Regeln, zündeln ohne Belege in einer der schwersten demokratischen Krise Frankreichs: Plenel lässt kein gutes Haar an den Kollegen. Sylvain Bourmeau von "Libération" ist gezwungen, seine Redaktion zu verteidigen.

    "Seit Mitte letzter Woche kündigt ‚mediapart‘ weitere Enthüllungen an, das hat Panik im Regierungslager ausgelöst und davon berichten wir in ‚Libération‘, wir wollten zeigen, wie ein Gerücht bereits politische Wirkung entfaltet."

    Eine schwache Erklärung, urteilen die Journalisten von "mediapart". Mitten in der politischen Krise gehen nun also die Medien aufeinander los. Die Fieberkurve steigt.

    Das Onlineportal "mediapart" steht bei all dem gut da. Die Internetzeitung ist für Enthüllungsjournalismus bekannt, Plenel war einst Chefredakteur von "Le Monde" und bringt es mit "mediapart" heute auf 65.000 Abonnenten. Und teilt in alle Richtungen aus, mal trifft es Konservative, und nun eben auch die Sozialisten. Die Redaktion lässt sich viel Zeit für Recherche, am Fall Cahuzac saß der junge Redakteur Arfi viele Monate, "mediapart" besteht darauf, erst zu veröffentlichen, sobald die Sache wasserdicht sei. Auch so könnte sich die Wut der Redaktion angesichts der Titelgeschichte der Zeitung "Libération" im Falle Fabius erklären.

    Ob weitere Mitglieder der französischen Regierung mit der Aufdeckung von Schwarzgeldkonten rechnen müssen, ist offen. "Mediapart" jedenfalls legte nach dem Streit mit den Zeitungskollegen erst einmal nur eine Spur und die führt zur Schweizer Bank "Reyl und Cie" und deren Aktivitäten rund um prominente französische Kunden – linke wie rechte, deutet das Internetportal an.

    Hinter den Kulissen der Regierung wird unterdessen an einem sogenannten Befreiungsschlag gearbeitet. Ein Referendum zur "Förderung der Moral in der Politik", wie es Sozialistenchef Désir vorschlagen hatte, wird von Francois Hollande aber offenbar nicht erwogen – zu riskant, angesichts der schlechten Popularitätswerte des Präsidenten.

    Der grüne Regierungspartner der Sozialisten geht unterdessen auf Distanz. Die ehemalige Präsidentschaftskandidatin der Grünen, Eva Joly, verlangte nicht nur den Rücktritt von Finanzminister Pierre Moscovici, der seinen Budgetminister Cahuzac, wie sie sagte, bewusst gedeckt habe, sondern will sich auch dem Marsch der Linksfront am 5. Mai anschließen und für eine "VI. Republik" auf die Straße gehen. Das, so empörte sich der Sozialist Benoit Hamon, sei nun wenig hilfreich, denn das spalte die Linke, als habe Francois Hollande es nicht schon schwer genug.