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Franz Alt
Friedensjournalist und Aktivist

Er ist der einzige Moderator einer politischen Sendung, der von seinem Intendanten ein Moderationsverbot bekam: Franz Alt, langjähriger Leiter des ARD-Magazins "Report Baden-Baden" und der "Grandseigneur" des Deutschen Fernsehens wird heute 80 Jahre - und ist immer noch Rebell.

Von Thomas Wagner | 17.07.2018
    Portrait von Franz Alt
    Franz Alt beim Steiger Award in Dortmund 2017 (imago stock&people)
    Die Erkennungsmelodie des ARD-Magazins "Report Baden-Baden" vor über 30 Jahren. Der Chef galt damals als "Fernseh-Rebell":
    "Guten Abend meine Damen und Herren, willkommen bei 'Report'. Ute-Ranke-Heinemann - keine kirchliche Lehrerlaubnis mehr für die erste katholische Theologie-Professorin der Welt…"
    Heute ist der damalige Chef längst Rentner - aber immer noch Rebell:
    "Es ist doch unglaublich was die CSU sich leistet, als Partei mit dem C im Namen. Dieser Jesus von Nazareth hätte keine Chance gehabt auf Asyl in Oberägypten, als er vor Herodes fliehen musste. Wenn Horst Seehofer dort regiert hätte."
    Kritik an Helmut Kohl führte zum Moderationsverbot
    80 Jahre - und kein bisschen leise: Die "Oberen" der Politik kritisch hinterfragen, "Nein" sagen zu faulen Kompromissen: Dieser Handlungsmaxime ist Franz Alt, langjähriger Leiter von "Report Baden-Baden", Buchautor und Vortragsreisender bis heute treu geblieben - selbst dann, als er sich damit handfeste Nachteile einhandelte. Rückblende: Im Oktober 1983 schrieb Franz Alt unfreiwillig Fernsehgeschichte - und zwar ausgerechnet dadurch, dass er plötzlich eben nicht mehr auf dem Fernsehschirm erschien: Moderationsverbot!
    "Das Problem war: Der Willibald Hilf, der damalige Intendant, war der frühere Bürochef von Helmut Kohl. Und ich war auch noch CDU-Mitglied zu allem Überfluß. Und wer Helmut Kohl widersprochen hat, als CDU-Mitglied, galt als Verräter."
    In diesem Fall hatte Franz Alt in zwei wesentlichen Punkten Positionen vertreten, die dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl überhaupt nicht passten - und dem damaligen CDU-Intendanten des Südwestfunks ebenso nicht:
    "Das war einmal die Frage der Friedensbewegung. Bist Du für oder gegen die atomare Nachrüstung? Ich war dagegen. Und das zweite große Thema war dann mein Kampf gegen die Atomkraftwerke in Deutschland."
    "... ich war ein Hofnarr für die damaligen politischen Obrigkeiten"
    Doch das Moderationsverbot währte nicht lange: Zig-Tausende forderten in Anrufen und Briefen Franz Alt als kritischen, investigativen Journalisten auf den Bildschirm zurück. Zuvor hatte der streitbare Fernsehmann allerdings sein CDU-Parteibuch zurückgegeben.
    "Dann war das Verhältnis viel entspannter. Ich war kein CDU-Mitglied mehr und dann konnte ich so arbeiten, wie ich wollte. Ich war einfach ein Hofnarr für die damaligen politischen Obrigkeiten in diesem Land."
    Was laut Franz Alt bis heute eher für die parteiliche Unabhängigkeit von Journalisten spricht. Allerdings: Ohne Parteibuch wäre Alt nicht zu seinem Job als Report-Chef gekommen. Ein Paradox.
    "Derjenige, der damals noch infrage gekommen wäre als Report-Chef, war Thomas Reimer, SPD-Mitglied. Und ich bin sicher, dass ich deshalb Report-Chef wurde, weil ich CDU Mitglied war."
    Ähnlichkeiten mit der Gegenwart sind dabei "natürlich" ausgeschlossen. Heute allerdings ist der Ärger von damals vergessen. Gut gelaunt verspeist Franz Alt in der Kantine des Südwestrundfunks in Baden-Baden, seiner früheren Arbeitsstätte, eine Schwarzwälder-Kirsch-Torte. Hin und wieder grüßen ihn ältere Kolleginnen und Kollegen ehrfurchtsvoll.
    "Ich muss sagen, mir hat die Arbeit trotz der Probleme die es gab, immer Spaß gemacht. Auch in der Zeit, ich habe acht Arbeitsgerichtsprozesse gegen den damaligen SWF geführt."
    Sorge um die Gegenwart
    Das sei aber kein Anlass zum Rückblick im Zorn. Was Franz Alt viel mehr Sorge bereitet, ist die Gegenwart: Damals, in den 80er Jahren, wurden politische Magazine wie "Monitor" vom WDR, "Panorama" vom NDR oder eben Franz Alts "Report Baden-Baden" zur besten Sendezeit, meistens dienstags ab 21 Uhr, ausgestrahlt. Manche waren politisch links von der Mitte ausgerichtet, manche, wie "report münchen" oder das "ZDF-Magazin", eher konservativ. Eines war ihnen aber allen gemeinsam: Sie erreichten ein zweistelliges Millionenpublikum. Das, was berichte wurde, sorgte häufig für Aufregung, für Diskussionen quer durch alle gesellschaftlichen Gruppen. Und heute?
    "Ich halte es für einen Grundfehler der ARD-Obrigkeiten, dass sie die politischen Magazine erstens gekürzt haben in den letzten Jahren. Aus 45 Minuten wurden 30. Und dann auch nicht mehr so prominent im Programm platziert, wie das früher der Fall war."
    Allerdings gesteht Franz Alt seinen Nachfolgern eines unumwunden zu: Die Qualität habe sich gehalten - bis heute.
    "Guten Morgen meine Damen und Herren! Heute vor einer Woche war ich noch in Alaska, um die Gletscherschmelze zu sudieren vor Ort…."
    Franz Alt, 80 Jahre alt, und unermüdlich wie ehedem: In Vorträgen überall auf der Welt macht er auf die Folgen des Klimawandels aufmerksam, kommentiert in über 40 Tageszeitungen, hat über 50 Bücher geschrieben. Weitere sollen folgen. Franz Alt auf dem Altenteil? Undenkbar!
    "Als Journalist bist Du immer im Dienst, ob das tags oder nachts ist, ob mit 80 oder später. Und ich denke: Es ist so viel zu tun, wenn ich mir die Weltsituation heute angucke, dass ich nicht einfach auf dem Sofa sitzen und Däumchen drehen kann. Also ich werde in absehbarer Zeit nicht arbeitslos."