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Französische Beschäftigte im Saarland
Tägliche Grenzgänger

Rund 18.000 Franzosen pendeln jeden Tag zu ihrem Arbeitsplatz ins Saarland. Für ein besseres Gehalt oder eine gute Ausbildung nehmen viele einen langen Anfahrtsweg in Kauf. Vor allem junge Akademiker nutzen das Angebot im Nachbarland.

Von Tonia Koch | 12.08.2016
    Die deutsche und die französische Nationalflagge wehen aus Anlass des Besuches von Frankreichs Regierungschef Manuel Valls vor dem Bundeskanzleramt in Berlin am 22.09.14.
    Viele Franzosen arbeiten im Saarland. Dort locken oft gute Löhne oder beliebte Praktikumsplätze. (afp / Odd Andersen)
    Über die Bildschirme der Saarlouiser Firma Satherm flimmern Zahlenkolonnen, Nummerncodes, Produktbezeichnungen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern handeln mit technischen Ersatzteilen. Kunden und Lieferanten erwarten Informationen in der Muttersprache, sagt Betriebsleiter Boris Haaf.
    "Dreisprachigkeit ist notwendig, um hier zu arbeiten, weil wir haben französische Kunden, deutsche Lieferanten und Hersteller und mit Englisch müssen wir auch rechnen."
    Bewusste Entscheidung für Arbeitsplatz in Deutschland
    60 Prozent der Belegschaft sind Franzosen aus der Grenzregion. Überwiegend junge Leute unter 30 . Der Umgangston ist locker. Man duzt sich. Alle haben sich bewusst für eine Stelle in Deutschland entschieden. Patrice zum Beispiel.
    "Das kommt in erster Linie davon, dass ich zweisprachig aufgewachsen bin und als ich arbeitssuchend war, alle Möglichkeiten ausschöpfen wollte und eine größere Auswahl an Arbeitsstellen haben wollte."
    Es hätte auch in Frankreich Jobs für den Sprachwissenschaftler gegeben, aber eben andere.
    "Die gibt es schon, aber ich behaupte mal weniger und nicht so interessant."
    Das sehen die meisten Satherm-Beschäftigten genauso.
    "Ich habe schon mehrere Praktika in Deutschland gemacht und ich wollte immer in Deutschland arbeiten."
    18.000 Franzosen pendeln täglich
    In Frankreich hat sich Julie, die in Metz deutsch-französisches Management studiert hat, nie nach einer Stelle umgesehen. Und sie würde diese Gegend, den deutsch–französischen Grenzraum, auch gerne verlassen, wenn sich die Chance dazu böte.
    "Ich war ein Jahr schon in Frankfurt und ich liebe diese Stadt."
    18.000 französische Grenzgänger nutzen tagtäglich die Möglichkeit, die ihnen die geografische Lage bietet, sie wohnen in Frankreich und arbeiten im Saarland. Dafür nehmen sie auch längere Anfahrtswege in Kauf. Auch Thomas hat immer in Deutschland gearbeitet.
    "Es interessiert mich mehr, es war für mich logisch."
    Die gewohnte Umgebung zu verlassen, um seine berufliche Zukunft in München, Hamburg oder Dresden zu suchen, käme für den Logistikfachmann allerdings nicht in Frage. Die Grenzregion nivelliert kulturelle Unterschiede - soweit diese in den Unternehmen bestehen.
    Keine Verbindung in die Region hat Simon. Er kommt aus der Nähe von Lille und absolviert dort bei Renault eine Ingenieursausbildung. Ein mehrmonatiges Auslandspraktikum ist Pflicht im Rahmen seiner Ausbildung.
    "Es ist ein Plus in einer deutschen Firma ein Praktikum zu machen."
    Viele seien seinem Beispiel aber nicht gefolgt.
    Besseres Lohnniveau als in Frankreich
    "Wir sind 33 in der Klasse und in Deutschland gibt es vier Studenten."
    Attraktiv ist der deutsche Arbeitsmarkt auch wegen des höheren Lohnniveaus für Beschäftigte, die eine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen können, sagt Jenny.
    "Man verdient in Deutschland viel besser."
    In Frankreich kommen selbst Absolventen der Hochschulen vielfach nicht über den Smic, den französischen Mindestlohn hinaus. Ein flächendeckendes Problem, glaubt Patrice.
    "Das ist in den meisten Fällen so, viel zu oft, meistens sieht man auch da gar keinen Ausweg."
    Aktuell liegt der Mindestlohn in Frankreich bei 9,76 Euro brutto die Stunde, für ungelernte Arbeitskräfte relativ hoch im europäischen Vergleich. Für junge Leute mit abgeschlossener Berufsausbildung oder abgeschlossenem Studium sind diese Verdienstmöglichkeiten oft gepaart mit nur mäßigen Aufstiegschancen allerdings alles andere als attraktiv.